Bochum. In zehn Jahren fielen die Abo-Zahlen am Schauspielhaus Bochum um 80 %. Woran das liegt, scheint klar. Wie der Rückgang gestoppt werden soll.

Die deutschen Bühnen verlieren massiv Abonnenten, auch das Schauspielhaus Bochum. Rund 2000 Abos verzeichnet das Theater aktuell, viel weniger als früher – in der Spielzeit 2010/11, der ersten Saison der Intendanz Weber, waren noch 10.471 Dauerkarten abgesetzt worden. Die Gründe für die Erosion sind vielschichtig.

Abo-Rückgang ist nicht nur am Schauspielhaus Bochum ein Thema

Seit über einem Jahrzehnt stellen fallende Abo-Zahlen für alle Theater, Opern- und Konzerthäuser ein Problem dar. Der Rückgang wird dabei weniger an der Unzufriedenheit mit den künstlerischen Darbietungen festgemacht, vielmehr ist er struktureller Art. Ein verändertes Freizeitverhalten, mehr kulturelle und unterhaltsame Angebote als vor zehn oder 20 Jahren, und die abnehmende Bereitschaft zumal eines jüngeren Publikums, sich auf starre Frühbuchungssysteme einzulassen, werden vielmehr als Gründe ausgemacht.

Studie der Ruhr-Universität untersuchte die Abo-Entwicklung am Schauspielhaus

Erkenntnisse wie diese förderte eine Projektarbeit zu Tage, die Studierende der RUB-Wirtschaftswissenschaften in Kooperation mit dem Schauspielhaus erstellt haben. „Unabhängig von der Corona-Krise ist absolut betrachtet ein Rückgang der Abonnements festzustellen. Der Höhepunkt liegt bei 10.471 (2010/11) und der Tiefpunkt (vor Corona) bei 4871 (2018/19)“, heißt es in der Studie. Das deute auf eine abnehmende Popularität der Abonnements hin, die wiederum an die Zuschauerzahlen gekoppelt seien, denn: „Die Stammgäste machen einen großen Teil der Zuschauereinnahmen aus.“

Gezielt Interessenten ansprechen

Eine Umfrage innerhalb der RUB-Studie zeigte, dass potenzielle Zuschauer sich vom Schauspielhaus ein vermehrt auf soziale Medien ausgelegtes Marketing wünschen würden bzw. dass dadurch schlichtweg mehr Menschen erreicht werden könnten. Auch habe sich gezeigt, dass in der Kommunikation der bestehenden Angebote und der Übersichtlichkeit von Flyer und Webseite Entwicklungspotenzial steckt.Weitere Ideen, um (neue) Interessenten anzusprechen, seien z.B. der Besuch von Hörsälen an der RUB und der Ticketverkauf an der Universität. In Frage komme auch die Zusammenarbeit mit Micro Influencern/Vereinen/Studenteninitiativen aus Bochum und das Erschließen neuer Distributionsorte, etwa Online-Angebote, Stichwort: Theater on Demand.

„Sinkende Besucherzahlen stellen natürlich eine Herausforderung für den Theatersektor dar“, räumt Kulturdezernent Dietmar Dieckmann (SPD) ein, der gleichzeitig dem Verwaltungsrat des Theaters vorsteht. Er begreift die RUB-Studie als „Startpunkt für eine Debatte, die jetzt gerade beginnt“ – und die klären soll, was Stadt und Theater zur Attraktivitätssteigerung beitragen können. Auf der nächsten Sitzung des Schauspielhaus-Verwaltungsrates Mitte Januar werde dies Thema sein.

Schauspielhaus Bochum nimmt die Abo-Entwicklung ernst

Auch am Theater nimmt man die Entwicklung ernst. „Viele Menschen wollen heute eine höchstmögliche Flexibilität und entscheiden sich eher spontan für einen Theaterbesuch. Dieser Trend ist auch in Bochum spürbar“, so die stellvertretende Intendantin Susanne Winnacker. Dazu kommt: Durch die lange Schließung im Corona-Lockdown konnten viele Abonnentinnen und Abonnenten ihre Wahlabo-Scheine nicht einlösen und haben deshalb zunächst ausgesetzt. Momentan werden rund 2000 Abos verzeichnet, vor zehn Jahren gab es am Schauspielhaus noch rund 10.000 Dauerkartenbesitzer – ein Rückgang von 80 Prozent.

Für einem Klassiker wie dem hochgelobten „Ödipus, Herrscher“ von Johan Simons verzeichnet das Schauspielhaus Bochum eine starke Nachfrage. Eine Inszenierung, von der sich auch das typische Abo-Publikum begeistert zeigt.
Für einem Klassiker wie dem hochgelobten „Ödipus, Herrscher“ von Johan Simons verzeichnet das Schauspielhaus Bochum eine starke Nachfrage. Eine Inszenierung, von der sich auch das typische Abo-Publikum begeistert zeigt. © Schauspielhaus | Michael Saup

Neue, flexible Abo-Modelle werden ausprobiert

Bereits bevor Johan Simons 2018/19 als Intendant startete, waren es nur noch etwas über 4000. „Es handelt sich also um eine allgemeine Entwicklung, die durch die Pandemie noch einmal verschärft wurde“, so die stellvertretende Intendantin. Aufgrund des Lockdowns bzw. der reduzierten Zuschauerkapazität musste zudem in den vergangenen Monaten auf den Verkauf von Abos verzichtet werden. Das sei aber seit kurzem nicht mehr der Fall.

Neue, flexible Modelle wie die kleine 6er-Version des Wahl-Abos würden gut nachgefragt, auch setze das Schauspielhaus schon länger auf die Online- und Social-Media-Kanäle. „Wir haben eine neue Stelle geschaffen, die mit einem Online-Redakteur besetzt wurde“, so Susanne Winnacker.

Noch viel wichtiger sei es aber, das Publikum mit hervorragender Kunst für einen Theaterbesuch in Bochum zu begeistern.