Gladbeck. Die Vestische Kampfbahn hat einen Groundhopper-Ansturm erlebt. Wer sind diese Fans? Was treibt sie an? Und warum sind sie nach Gladbeck gekommen?

Sven Gölz ist schon eine Weile vor dem Anpfiff auf der Tribüne des Gladbecker Stadions zu finden. Am provisorisch aufgebauten Getränkestand des SV Zweckel, dem Kofferraum eines Jugendbusses, hat er soeben seine zweitwichtigste Mission des Tages erledigt und ein Andenken von seinem Spielbesuch ergattert. „Ich bin einer, der immer gerne etwas mitnimmt. Gerade bei so einem Ground wie dem hier, der wahrscheinlich lange im Kopf bleiben wird“, sagt er. Mit einem grünen SVZ-Schlüsselbund im Gepäck kann er dann über die wichtigste Mission des Tages sprechen, endlich Deutschlands größtes Amateurstadion „abgehakt“ zu haben.

„Ich war heute Morgen in Essen und dann in Mülheim. Das ist heute das Hauptspiel“, erklärt Gölz. Leuten wie ihm geht es weniger darum, den spektakulärsten Fußball zu sehen. Sie jagen vielmehr den Platzanlagen hinterher. Ganz gleich, ob es der kultige Dorfbolzplatz ist, eine hochmoderne Arena oder eben das Rund, das sich hinter den altehrwürdigen Mauern in Gladbeck direkt an der Bundessstraße 224 verbirgt. Sven Gölz hat dabei immer seine Kamera dabei.

Was ist für ihn und für die anderen Groundhopper so besonders an der Vestischen Kampfbahn? „Die Anlage“, antwortet er sofort. „A ist es ein relativ großes Stadion mit einer hohen Kapazität. Und B ist es fast vollständig erhalten. Und was halt spannend ist, es gibt keinen regulären Spielbetrieb.“

Apps helfen den Groundhoppern bei ihrem Hobby

Das Testspiel zwischen dem SV Zweckel und Dostlukspor Bottrop ist tatsächlich eine Rarität, normalerweise wird in der fast 100 Jahre alten Kampfbahn Leichtathletik betrieben. Für Sven Gölz und die anderen Hopper macht das den Reiz noch größer. Denn dadurch wurde die Sportstätte noch nicht so oft „gekreuzt“, wie es in Fachkreisen heißt – der Besuch ist ähnlich wie eine Trophäe anzusehen, die in Gladbeck besonders schwer zu ergattern ist.

Alle Besuche werden detailliert dokumentiert, bei Gölz von Beginn an mit einer Excel-Tabelle. Hinzu kommen inzwischen „nette Apps“, wie er sagt, die einem beim Hoppen helfen. Eine davon heißt „futbology“, allein dort haben sich bis zum Spielende 296 Fußballverrückte eingetragen. Damit war die Partie am Sonntag laut dem Portal die bestbesuchte in ganz Deutschland. Für den 50-Jährigen ist der Vorbereitungskick des SVZ einer der letzten „Grounds“ bis zur 1000er-Marke, es fehlen noch nur vier weitere unentdeckte Spielorte.

Angefangen hat für den aus Hessen stammenden Enthusiasten alles mit Borussia Dortmund. Daran erinnern ein kleiner schwarzer und gelber Pin am rechten Ohr. Schon lange aber hat er sich vom Profifußball und seinen Mechanismen abgewendet. Irgendwann kam ohnehin die Zeit, in der Gölz mehr sehen wollte als jedes Wochenende den BVB. „Man will Ligen voll haben, man will alle Bundesländer mal gemacht haben, man hat immer neue Ideen, die man machen könnte.“

Der Dresdner Freddy macht im Ruhrgebiet sogar Urlaub

Die 300 Kilometer lange Reise von seinem Heimatdorf Glauberg bis tief ins Ruhrgebiet bereut er nicht, ganz im Gegenteil: „Der Eindruck ist mega. Ich selbst bin ein Riesenfan von alten Anlagen, die eine Geschichte erzählen. Moderne Stadien, die so vom Reißbrett sind, mag ich nicht.“

Arenen wie die auf Schalke oder eben von seinem Herzensverein Dortmund fehle der Charme, „und das Ding hier hat halt Charme ohne Ende, wenn man die alten Tore sieht oder die großen Mauern.“ 

Freddy stammt aus Dresden und konnte nur die Vestische Kampfbahn in Gladbeck abhaken.
Freddy stammt aus Dresden und konnte nur die Vestische Kampfbahn in Gladbeck abhaken. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Findet auch Freddy, ein 34-Jähriger, den es aus Dresden in die Verstische Kampfbahn verschlagen hat. Ihm imponieren vor allem die verwachsenen Stufen, die völlig aus der Zeit gefallen wirken. Generell ist der Schlacks dem Ruhgebiet verfallen. Seine letzten beide Sommerurlaube hat er hier verbracht, natürlich mit dem Augenmerk, möglichst jeden Tag so viele Plätze abzuklappern, wie es nur geht.

Marcel Hartmann war auch in Asien und in der Karibik

Und dabei soll es nicht bleiben: „Das werde ich definitiv dieses Jahr auch wieder machen“, berichtet er. Wie vertreibt er sich die Zeit, wenn gerade unter der Woche mal der Ball ruht? „Ach“, meint er gelassen, „im Ruhrgebiet findet man ja jeden Tag was, das ist ja ziemlich genial.“ 2600 Sportstätten hat Freddy schon besucht, unter anderem auch viele in Tschechien und England. Sein nächstes Ziel ist, über Europa hinaus für sein Hobby zu reisen.

Marcel Hartmann, der in einer Gruppe von Groundhoppern bei Freddy steht, hat auch das schon gewagt. Der Berliner war unter anderem 19 Monate in Asien, vor kurzem erst drei Monate in der Karibik. Seine Abenteuer seien ein guter Mix aus allem - „Fußball, Kultur, Land und Leute“. Das Gladbecker Stadion hat für den 39-Jährigen bei all den Erfahrungen trotzdem einen immensen Stellenwert. Es ist das größte Stadion der Bundesrepublik, was er noch nicht gekreuzt hat. Dafür ist er direkt aus Bayern, von einer anderen Tour, rauf nach NRW.

Allein rund 300 Groundhopper besuchten das Testspiel des SV Zweckel gegen Dostlukspor Bottrop, um die Vestische Kampfbahn in Gladbeck zu sehen.
Allein rund 300 Groundhopper besuchten das Testspiel des SV Zweckel gegen Dostlukspor Bottrop, um die Vestische Kampfbahn in Gladbeck zu sehen. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Was gehört bei Marcel Hartmann zu jedem Trip dazu? „Eigentlich ein typisches Stadionessen“, findet er. Das gibt es beim Vergleich des SV Zweckel mit Dostlukspor Bottrop nicht, weil der SVZ mit diesem Ansturm von Groundhoppern nicht gerechnet hatte.

Ein typisches Stadionessen gehört eigentlich dazu

Hartmann meint aber ohnehin nicht unbedingt nur die klassische Bratwurst im Brötchen. Er berichtet: „In Erfurt gibt es Gulasch mit Nudeln im Gästeblock, in Aue gibt es einen Nudeltopf. Das sind in Deutschland meine Highlights.“ Der Berliner hat einen Tipp, warum so viele Groundhopper nach Wittringen gekommen sind: „Es ist nicht in der Saison, das heißt, der eigene Verein torpediert das nicht.“

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