Unna. Über Jahrhunderte war Senf die einzige Schärfe, die sich auch Ärmere leisten konnten. Er schmeckt, fördert die Verdauung und verstärkt Geschmack.
Es setzt eine gewisse Tatkraft voraus, einen Bank-Kredit für einen Senfladen zu bekommen. „Du bist verrückt“, sagten Bekannte zu Annett Kyncl, und der eine oder andere Bankberater dachte vermutlich ganz ähnlich: der Senfladen als Schnapsidee. Aber das ist jetzt auch schon wieder elf Jahre her, den Senfladen gibt es längst, mitten in Unna im zweitältesten Haus der Stadt, und wenn man reinkommt, wird man erschlagen.
300 Sorten. Lieber Himmel! „Ich schmecke jeden Senf“, sagt die 49-jährige, aus Thüringen stammende Chefin. Lassen Sie uns also über Senf plaudern: nicht die ganz speziellen, die da in den Regalen stehen, „Beste-Mama-Senf“, „Weißbier-Senf“, Meerrettich-, Trabi-, Erotik- und Was-weiß-ich-Senf, mit Zwiebeln oder Knoblauch, Feigen, Orangen und natürlich Marzipan -- sondern Senf als solchen.
Pythagoras glaubte: Senf schärft auch den Verstand
„Ich kann für 60 Cent 200 Milliliter Senf kaufen, das hat nichts Negatives, aber auch nichts Gutes“, sagt Kyncl. Der Grund sei das Heißmahlverfahren, das für industrielle Senfherstellung genutzt wird. Langsamer, teurer und wohl auch besser sei das Kaltmahlverfahren, weil dem Senf dann die ätherischen Öle erhalten bleiben. Das tut dem Geschmack gut. Nach Ansicht unserer Expertin kann ein guter 200-Milliliter-Senf zwei Euro und mehr kosten, und das kann auch noch teurer werden. Vor allem, wenn Frucht im Senf ist: Deren Anteil bestimmt den weiteren Preis ganz wesentlich.
Senf ist gut für die Verdauung, wussten schon die Vorfahren der Vorfahren: „Bei fettem Fleisch spaltet er die Fette“, sagt Kyncl. Man muss ja nicht gleich wie der griechische Philosoph Pythagoras daran glauben, das Senf (auch) den Verstand schärft, aber die Senf-Öle regen die Drüsen an, fördern den Speichelfluss und die Ausschüttung von Galle und Magensäften. Kurzum: Die Verdauung kommt gut in Schwung.
Als Geschmacksträger ist Senf geeignet, Fett zu ersetzen
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Senf-Öle wirken außerdem antibakteriell. Darüber hinaus werden ihm weitere gesundheitsfördernde Kräfte zugesprochen, etwa bei Haut-, Gelenk- oder Durchblutungsproblemen, aber das sollten Sie gegebenenfalls zunächst mit einem Mediziner besprechen.
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Doch vor allem ist Senf natürlich ein Geschmacksträger und -verstärker; Annett Kyncl, die gelernte Köchin, hat ihn schon immer gern genutzt. Zu Fleisch, Fisch und Käse, in Suppen und Salaten; in Rezeptsammlungen taucht Senf auch in vegetarischem Umfeld („Kräuterchampignons“) auf. Als Geschmacksträger ist er geeignet, Fett zu ersetzen, und das spart auch noch Kalorien. So heißt es bei pepperworld.com: „Anstatt für das Dressing zum Salat Mayonnaise zu verwenden, kann auch mit Essig, Öl und einem Löffel Senf oder auch mit Joghurt, frischen Kräutern, Gewürzen und einem Klecks Senf eine hervorragende Soße zubereitet werden.“
In der süddeutschen Variante kann Senf auch süß sein
Primär ging es beim Senf immer zunächst um seine Schärfe: Als Pfeffer noch unbezahlbar war, konnten sich auch ärmere Menschen Senf leisten. Eher süddeutsch ist seine Variante als süßer Senf, dann ist Zucker oder Apfelmus beigemischt.
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Aber 300 Sorten, wie sie in Unna vorgehalten werden, sind tatsächlich eine Errungenschaft der Neuzeit, Marken und Mischungen kommen und gehen, Geschmäcker ändern sich. Manche Freunde des gepflegten Grillens sind auch der Ansicht, Senfe seien die neuen Grillsoßen. Annett Kyncl würde es natürlich so sagen: „Ich gebe überall meinen Senf dazu.“
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