An Rhein und Ruhr. Vor mehr als 100 Jahren erfand ein Schweizer Arzt das Trendfrühstück von heute: Müsli. Doch Vorsicht: Viele sind viel zu süß.

Ob er ahnte, was er da angerichtet hatte? Jener Schweizer Arzt, der um 1900 den Patienten seines Züricher Sanatoriums dreimal täglich „d’Spys“ auftischte: einen kalten Brei aus geriebenem Apfel, Zitronensaft, in Wasser eingeweichten Haferflocken, gemahlenen Nüssen und dicker, gezuckerter Kondensmilch. Selbst Tuberkulose-Kranke könnte er heilen, versprach Maximilian Bircher-Benner (1867-1939). Gut ein Jahrhundert später findet man „d’Spys“-Variationen in jedem Supermarkt. Bircher-Benner gilt heute als Erfinder des Müslis. Er selbst nannte die für die damalige Zeit revolutionäre Diätspeise: Sonnenlichtnahrung.

„Das Rezept klingt durchaus nach einem ausgewogenen Frühstück“, findet der Bochumer Ernährungsberater Marco Schmidt. Deutlich vernünftiger als Toast mit Nutella, mindestens so gesund wie ein Schinken-Vollkornbrot. Nur die süße Kondensmilch würde Schmidt durch möglichst unbehandelte, frische (fettarme?) Milch ersetzen, besser noch durch eine Portion Quark. „Und über den Apfel könnte man nachdenken“, ergänzt der 42-Jährige mit Verweis auf dessen hohen Fruktosegehalt. Er würde „lieber eine Kiwi reinschnibbeln“.

Trockenfrüchte sind verzichtbar

Die wertvollen Kohlenhydrate, langkettige in den Haferflocken sowie zwei- bzw. einfache in Milch und Obst, gäben dem Körper am Morgen ausreichend Energie für den Tag. In Quark stecke ordentlich Eiweiß; Nüsse enthielten gesunde Fette und würden den Blutzuckerspiegel günstig beeinflussen; der Zitronensaft liefere zusätzliche Vitamine.

Kohlenhydrate zu verteufeln, weil sie angeblich dick machen, findet Schmidt falsch: „Ich bin ein Freund vor allem von Hafer, wegen seiner guten Aminosäuren.“ Aber auch Quinoa- oder Amaranth-Pops könne er fürs Müsli empfehlen. Mit einer Einschränkung: dass es morgens und nicht abends verzehrt wird. „Morgens brauchen wir Kohlenhydrate, die uns lange satt halten. Abends nicht.“

Saaten machten sich ebenfalls gut in einem Müsli, Hanfsamen beispielsweise. „Reich an Ballaststoffen, gute Omega-3-Fettsäuren und ein super Aminosäurenprofil.“. Auch gegen ein paar Kakao-Nibs (geschrotete, rohe Kakaobohnen) oder etwas dunkle Schokolade hat der Ernährungsberater, der zudem Personaltrainer ist, grundsätzlich nichts einzuwenden („Wer’s braucht...“). Beim Obst rät er, „auf den Zuckergehalt zu schauen“. Frische Kiwi oder Beeren seien besser als Weintrauben – und Trockenfrüchte komplett verzichtbar. „Viel zu viel Kalorien, viel zu viel Fruktose“, meint Schmidt – und rät, gefriergetrocknetes Obst für die eigene Müsli-Mischung zu bevorzugen.

So funktioniert Zucker-Entwöhnung

Den größten Marktanteil im Branchen-Segment aber haben eben nicht die selbst gemischten, sondern die fertigen Müslis. Und bei einem Test im Jahr 2006 schnitten die gar nicht gut ab. Stiftung Warentest hatte damals 22 besonders beliebte (ungesüßte!) Früchte-Müslis untersucht und abschließend bei den allermeisten befunden: viel zu süß, und außer Rosinen kaum Früchte drin. Noch krasser das Ergebnis einer Studie der Verbraucherorganisation Foodwatch, die 2012 143 Frühstücksflocken für Kinder unter die Lupe genommen hatte: „Fast ausnahmslos“ war die konventionelle Ware „überzuckert“. Jede zweite Packung Kindermüsli enthielt über 30 Prozent Zucker, vier von fünf Produkten mehr als 20. Selbst vor Biomüslis, so Foodwatch, müsse man warnen: In 60 Prozent von ihnen fanden die Forscher ebenfalls mehr als 20 Prozent Zucker.

Marco Schmidt arbeitet mit jungen Diabetikern. Er weiß: Kindern schmecken Smacks & Co., „eben weil sie so schön süß sind“. Tatsächlich stecke in diesen „Zuckerbomben“ nur ein Hauch Getreide aus Mais-, Weizen- oder Reismehl; sie seien der denkbar ungünstigste Start in den Tag, „eine ganz schlechte Kombination aus Zucker und schlechten Fetten“.

Kettenreaktion: „Zucker ist ein Suchtmittel“

„Wer solche Flocken frühstückt, hat nach zwei Stunden wieder Hunger auf Süßes, also gibt’s Nutella-Toast in der Pause, zwei Stunden später muss ein Schokoriegel oder Limo her.“ Süßes treibt den Blutzucker schnell hoch, lässt ihn aber auch rasch wieder sinken. Weshalb der Körper erneut Süßes verlange: eine Kettenreaktion. „Zucker ist ein Suchtmittel“, sagt Schmidt.

Sein Rezept für die Entwöhnung: „Zum Übergang ungezuckerte Getreidesorten mit Fertig-Müsli mischen. Nach und nach das Verhältnis zugunsten der gesunden Zutaten verändern.“ Erfolg bei Kindern verspräche zudem: Es mit weichen Haferflocken statt kernigen zu versuchen. Und vielleicht ein paar lustige Figürchen aus dunkler Backschokolade als Deko obenauf zu legen...

>> Das Rezept

200g Hafer­flocken,100g Quinoa Pops,
50g Sojaflocken, 30g Mandelsplitter, 30g dunkle Schoko­splitter, 30g Kakao-Nibs, 30g gefriergetrocknete Himbeeren.

Zubereitung: Alles mischen, in ein großes Vorratsglas füllen.
Experte Marco Schmidt (info@schmidts-kuechensport.de) empfiehlt für ein gesundes, ausgewogenes Frühstück mit guter Nährstoff-Kombination eine 50-Gramm-Portion der selbst gemachten Müsli-Mischung mit 150g Quark, Skyr, Naturjoghurt oder auch (Pflanzen-) Milch und 100g Beeren.