Rhein und Ruhr. Holunder bei Husten, Weißdorn fürs Herz: Kräuter können helfen, gesund durch den Winter zu kommen. Ein Spaziergang mit Dr. Carsten Grüneberg.
Der Doktor ist verschnupft. Da würde man gern wissen, was so ein Arzt sich selbst verschreibt? „Zitronen-Thymian-Tee“, sagt Dr. Carsten Grüneberg, gerade noch getrunken. Aber er hat auch Wermut mitgebracht, frisch gepflückt im eigenen Garten, er ist noch feucht. Dazu Kamille, getrocknet in Gefriertüten, und Holunderblüten von der Halde. Nur die Beeren, die später daraus hätten werden sollen, die waren dieses Jahr nichts: „Die sind vertrocknet.“ Der Doktor hat keinen Holundersaft gekocht, der würde jetzt helfen gegen den Husten.
In Hamm kennen sie Dr. Grüneberg als „den Grünen“ – nicht wegen seiner
politischen Einstellung. Er ist der, der die „grünen Rezepte“ verschreibt, wenn es eben geht, die nicht rezeptpflichtigen. Der gelernte Allgemeinmediziner versucht es gern mit Kräuterpräparaten. Und sie kennen ihn als den, der Gruppen hinaufführt auf die Kissinger Höhe, die einst für den Abraum des Bergwerks Ost entstand und heute eine „Öko-Nische“ ist, wie er sagt.
Bitterstoffe sind gut für das Immunsystem
Was da alles wächst! Und alles gesund. Sogar noch im Herbst. Da, die Ranke im Gesträuch, sieht aus wie Tannenzapfen, riecht wie Gras: Hopfendolden. „Die Samen schmecken bitter“, weiß Carsten Grüneberg und tut mit flinken Fingern, was hier nötig ist: „Man muss die richtig rauspulen.“ Bitter sei immer gut: „Die Bitterstoffe reinigen. Der Hopfen ist gut für die Verdauung und das Immunsystem, er säubert die Schleimhäute macht müde. Das hilft beim Schlafen.“ Das macht ja wiederum auch gesund.
Oder hier am Wegesrand, der Beifuß. Löst Fette auf, ist also gut bei Magen- und Darmbeschwerden und für die Galle. Und für die Martinsgans. (Nicht, dass es dem Braten noch helfen würde, aber Grüneberg sagt, ein Sträußchen auf dem Teller unterstütze den Esser beim Verdauen.) Dort wächst der Spitzwegerich, hustenlösend, dort der Weißdorn, herzstärkend. Hier der Löwenzahn (entwässernd), da eine Linde. Deren Blüten hätte man zwar „zwischen Johanni und Jakobi“, also von Ende Juni bis Ende Juli sammeln müssen. Aber auch im gekauften Tee beruhigen sie gereizte Schleimhaut, wirken zudem schweißtreibend – nützlich bei Fieber, zum Ausschwitzen von Infekten.
40 Prozent muss der Aufgesetzte mindestens haben
Vieles, das weiß der Doktor eigentlich, hätte er vor der Erkältung trinken sollen, weil es die Abwehrkräfte stärkt. „Aber welcher Wegweiser geht den Weg, den er weist?“ Carsten Grüneberg verzieht das Gesicht. Ein paar Kräuter wachsen indes auf seinem Weg, die fasst selbst er lieber nicht an. Stechapfel, Bilsen-, Greiskraut. „Die sind giftig.“ Wobei fast alles giftig ist in der falschen Dosierung, aber die richtige muss man erst mal wissen. „Man sollte nur sammeln, wovon man die Anwendung kennt“, warnt Grüneberg. Vorsichtshalber hat der Arzt zwei Heilkräuterbücher dabei.
Und noch etwas anderes steckt in seiner Tasche, zu Anschauungszwecken, klar: eine Flasche Gin. 40 Prozent, sagt
Grüneberg, müsse man für Aufgesetzten schon nehmen, aber stärkerer Schnaps tut’s natürlich auch. Oben auf dem Berg pflückt er Sanddornbeeren, voller Vitamine, „schmeckt nach Orange“, der Doktor schürzt die Lippen. Und steckt die Früchte durch den Flaschenhals. Holunderblüten hinterher und „etwas Wermut für den Magen“, das sieht bunt aus fürs Foto und ist „geschüttelt, nicht gerührt“. Wie viel davon trinken, damit es hilft gegen die Unbill des Herbstes? „Drei Doppelte am Tag.“
Der Doktor lacht, selbstverständlich weiß er: „Im Tee wirken die Kräuter optimal. Dann öffnen sich die Schleimhäute und nehmen die Wirkstoffe besser auf.“ Und er weiß auch: „Der Glaube hilft eine Menge.“ Als Arzt aber hat er die Erfahrung, dass die Phytotherapie hilft. Das wusste schon seine Tante. Die rührte einst gesunde Salben für die ganze Nachbarschaft. „Heute würde ich sie gern fragen.“
>>INFO: SO WERDEN KRÄUTER AM BESTEN GETROCKNET
So trocknen Sie selbst gesammelte oder im Garten gepflückte Kräuter am besten: Wenn Sie darauf verzichten können, waschen Sie sie nicht, schütteln Sie nur etwas den Staub ab. Schneiden Sie sie nicht zu klein, das verletzt die Zellstruktur.
Die schonendste Art, Kräuter zu trocknen, ist, sie für drei bis vier Tage kopfüber in Bündeln an einem warmen, aber schattigen, windgeschützten Platz aufzuhängen. Zu große Hitze, etwa in der Sonne oder im Backofen, schadet dem Aroma.