Ruhrgebiet. . In Oberhausen schreiben Abiturienten im Keller, in Dortmund im Foyer, in Brilon brauchten sie allein für Deutsch sieben Räume: Der doppelte Abiturjahrgang bringt manche Gymnasiasten an ihre räumlichen Grenzen. 130.000 Schüler im Land brüten in diesen Tagen über ihren Klausuren.
Deutsch ist schon mal geschafft. Morgen ist Englisch, Mittwoch Mathe. Heute schreiben alle, die Neben- zu Hauptfächern gemacht haben: die Leistungskurse Musik, Sport, Erdkunde, Religion sowie die klassischen Geisteswissenschaften. Sie sind viele – das Abitur 2013 ist ein doppeltes, da rauchen zwei Jahrgänge junger Köpfe in den Klassenzimmern.
Und nicht nur dort: Manche Gymnasiasten müssen umziehen. In Oberhausen schreiben Abiturienten im Keller, in Dortmund in der Aula und ihrem Foyer, in Langenberg im Pädagogischen Zentrum, in Brilon brauchten sie allein für Deutsch sieben Räume.
In Wattenscheids Hellwegschule wurde der Verwaltungstrakt „hermetisch abgeriegelt“, wie Schulleiter Jürgen Mengler berichtet, der von „Wegesicherung“ spricht. Dieses Problem haben sie alle: Wer zur Toilette muss, hat sich abzumelden, erst im Raum und außerhalb bei einer zweiten Kontrolle, „zwei gleichzeitig dürfen nicht“, sagt Hans Georg Rinke, Leiter der Schillerschule in Bochum. Dort haben sie den Schülern die Lehrertoiletten geöffnet. Es wird eng, sagt Rinke, aber sie werden die Logistik meistern: „Niemand muss auf dem Dachboden schreiben, auch die Sternwarte brauchen wir nicht.“
Viele Möbel wurden gerückt
Auch das ist wohl eine logistische Meisterleistung: dass bei bis zu 250 Abiturienten pro Schule jeder einen eigenen Tisch hat und einen Stuhl; sie haben viele Möbel gerückt an den Schulen in NRW, wo 130.000 in der Prüfungsphase sind. Und viel kopiert: Unter „höchster Geheimhaltung“ druckten sie an der Hellwegschule Mittwochmittag die Englisch-Aufgaben aus, „alles mal zwei“, sagt Direktor Mengler, den Schultresor haben sie dafür fast leerräumen müssen. In Langenberg stellten sie sogar einen zusätzlichen Drucker auf.
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Ab Anfang Mai heißt es dann Warten. Am 10. Juni werden die Ergebnisse bekannt gegeben, es folgt die Nachprüfungsphase und dann das nächste, hoffentlich aber gelöste Problem: Wo feiert so ein Doppeljahrgang Entlassung? Wo den Abiball? Viele Abschlussklassen mit ihren rund 250 Schülern plus Gästen gerieten da schon im Sommer an die Grenzen der üblichen Lokalitäten. Und ihrer Ersparnisse.
Gelsenkirchener Gymnasium feiert in Haltern
Das Gelsenkirchener Max-Planck-Gymnasium weicht nun für die Zeugnisvergabe von der Aula in ein Kino aus, für den Abiball gar nach Haltern. Eine Schule aus Lünen geht in die Europahalle nach Castrop-Rauxel, eine aus Moers nach Krefeld, das Steinbart-Gymnasium aus Duisburg mit 270 Abiturienten in Oberhausens Luise-Albertz-Halle. Wittens Albert-Martmöller-Gymnasium hat die Westfalenhalle 2 in Dortmund gebucht.
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Die es ebenso wenig umsonst gibt wie den VIP-Bereich des Westfalenstadions: Dort haben sich ein Gymnasium aus Unna und gleich zwei aus Hagen eingemietet. Deutlich fünfstellige Summen zahlen Schüler und Eltern für Saalmiete, Musik, Sicherheit. Voll wird es auch im Ruhrcongress Bochum: Dort feiern in diesem Jahr zwei Schulen aus Gelsenkirchen, eine aus Wetter und auch die Hellwegschule. Die dort neben zwei Jahrgängen zugleich Abiball und Zeugnisvergabe zusammenlegt. Schulleiter Mengler hätte die Feier lieber in seiner „guten Stube“ gehabt: „Die Aula ist der Ort, wo das Schulleben mit allen Höhen und Tiefen stattgefunden hat“ – aber die Zahl der Gäste hätte sie gesprengt.
In der Oberstufe wuchs ein Gefühl der Zusammengehörigkeit
Natürlich gibt es auch die Abiturienten, die so getrennt abgehen wollen, wie sie vor acht oder neun Jahren angefangen haben. Oder es müssen, weil sie keinen Raum fanden, der groß genug wäre für alle. Das Dortmunder Stadtgymnasium begeht die Entlassfeier, so der stellvertretende Schulleiter Bernhard Koolen, „in zwei Schichten“. Die meisten Abiturienten aber sind über ihr gemeinsames Schicksal zusammengewachsen, nicht nur in Koolens Sowi-Leistungskurs, der zwei Jahrgänge und zwei Gymnasien umfasste. „Wir wollen uns“, sagt ein Schüler aus Unna, „dieses Zusammengehörigkeitsgefühl doch nicht zerstören lassen.“
Bei aller Dopplung, einer war am Dienstag ganz allein: Jonathan Osinski schrieb seine erste Klausur im Fach Informatik. Am Duisburger Steinbart-Gymnasium war er damit – der Einzige.