Essen. Wo ist der Tumor-Stoffwechsel angreifbar? Was hat mein Essen mit Hautkrebs zu tun? Wie wirkt Fasten auf Darmkrebszellen? Essener Forschungen in „Nature“ veröffentlicht.

  • Essener Forscher veröffentlichen Studienergebnisse in Nature.
  • Es geht um den Stoffwechsel von Krebszellen.
  • Fasten, zeigte sich, hat positive Effekte – und negative.

Kann die richtige Kost Krebserkrankungen vorbeugen? Kann sie die Entstehung von Tumoren begünstigen? Beeinflusst die Ernährung Krebstherapien? Alpaslan Tasdogan ist Spezialist für solche Fragen. Der 38-Jährige ist promoviert als Mediziner und Naturwissenschaftler sowie Professor für Tumor-Metabolismus in der Klinik für Dermatologie an der Universität Essen/Duisburg. Für seine Forschungen wurde er mehrfach ausgezeichnet und gefördert. Im renommierten US-Fachmagazin „Nature“ veröffentlichte er jetzt zusammen mit Wissenschaftlern des Massachusetts Institute of Technology/USA Ergebnisse einer viel beachteten Studie zum Thema: Wie Fasten den Stoffwechsel von Darmkrebszellen beeinflusst. Fasten, so zeigte sich, hat positive wie negative Effekte: Das Wachstum von Darmstammzellen nehme nach einer Fastenkur zu, so Tasdogan. „Gleichzeitig wird auch ein Tumorsuppressor-Gen inaktiviert – ein Gen, das eigentlich dafür sorgen soll, dass Krebszellen schon im Entstehungsprozess bekämpft werden. Das ist ein eher ungünstiger Effekt.“

Wir sprachen bereits im Januar mit dem Essener Wissenschaftler über seine Forschung.

Prof. Tasdogan, Sie sind Dermatologe, ihr Fokus gilt dem gefürchteten Melanom. Sie sind zudem Immunologe und befassen sich mit dem Stoffwechsel von Krebszellen. Was hat das, was ich esse, mit Hautkrebs zu tun?

Tasdogan: Solange Sie gesund sind: nichts. Wir interessieren uns als Forscher und Kliniker für das, was nach der Diagnose passiert. Also für die Frage: Muss ich meine Ernährung, vielleicht meinen Lebensstil, umstellen, wenn bei mir ein schwarzer Hautkrebs diagnostiziert wurde?

Gibt es keine Lebensmittel, die wir besser meiden sollten?

Es gibt Nahrungsmittel, die krebserregend sind, aber es gibt keinen direkten Zusammenhang von Ernährung und Hautkrebs. Regelmäßige Vorsorge-Untersuchungen beim Hautarzt sind entscheidender. Auffällige Muttermale sollten immer kontrolliert, gegebenenfalls entfernt werden. Und Kinder müssen unbedingt vor Sonnenbränden geschützt werden. Ich habe fünf Jahre lang in Texas gelebt, seither weiß ich, wie gut unser Gesundheitssystem ist. Die Amerikaner haben nicht so einen guten Zugang wie wir in Deutschland zu Vorsorge-Untersuchungen, die von den Krankenkassen komplett übernommen werden.

Viele Menschen stellen nach einer Krebsdiagnose ihre Ernährung um. Weil das einer der wenigen Hebel ist, an denen sie nach der Diagnose noch selbst ansetzen können?

Genau, mindestens 50, 60 Prozent tun das. Manchmal sogar unbewusst. Sie verzichten auf Alkohol, essen mehr Ballaststoffe oder weniger verarbeitete Lebensmittel. Für viele Patienten ist die Ernährung der einzige Punkt, über den sie noch selbst Macht haben – und nicht ihre Ärzte oder Ärztinnen.

Und? Bringt eine Umstellung der Ernährung etwas mit Blick auf ein Fortschreiten einer Tumorerkrankung?

(lacht) Ich hatte einen Kollegen in Amerika, der hat immer gesagt: „Wenn du gesund bist, ernähre dich gesund. Wenn du krank bist, wechsele zu Whiskey und Burgern.“ Vielleicht ist da was dran… Wir arbeiten intensiv, um es herauszufinden. Denn wir hoffen, dass die richtige Ernährung eine Krebstherapie noch wirksamer machen könnte. Doch dazu müssen wir zunächst wissen: Welche Nährstoffe braucht eine Tumorzelle? Wenn die identifiziert sind, können wir sie ihr wegnehmen oder modifizieren.

Und so verhindern, dass ein Tumor streut?

Genau. Wir suchen nach der metabolischen Vulnerabilität, der Achillesferse der Metastasierung, um sie zu stoppen. Wir analysieren, wie der Tumorstoffwechsel funktioniert, um herauszufinden, wo er angreifbar ist. Unsere Erkenntnisse wollen wir nutzen, um eine Metastasierung irgendwann ganz zu verhindern.

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Dieser „Tumor-Metabolismus“, Ihr Forschungsschwerpunkt, ist ein sehr komplexer Prozess. Was wissen Sie schon? Wie gelingt es Krebszellen, sich über das Blut oder die Lymphbahnen zu verbreiten und in weit vom Primär-Tumor entfernten Organen sogar zu überleben?

Wir wissen, dass Tumorzellen, die erfolgreich metastasieren, als erstes ihren Stoffwechsel verändern, sie passen sich den neuen Bedingungen an. Das Milieu ist für eine Melanom-Zelle in der Haut ja eine ganz andere als im Blut oder in der Leber. Das gelingt übrigens nur weniger als 0,01 Prozent aller Krebszellen…

Aber 90 Prozent der Menschen, die an Krebs sterben, sterben dennoch an ihren Metastasen, nicht an ihrem Ursprungs-Tumor?

Das zeigt, wie aggressiv solche erfolgreichen Tumorzellen sind. Und wie schwer Metastasen zu therapieren sind.

Tumoren haben ja ganz bestimmte Lieblingsorgane, in denen sie metastasieren. Haben Sie dafür schon eine Erklärung?

Das ist ein richtig spannendes Thema, wir nennen es Organotropismus, sehen es als Kliniker, verstehen es aber noch nicht. Warum streut ein Aderhautmelanom (im Auge) fast immer nur in die Leber? Aber Prostata- oder Brustkrebs in die Knochen? Meine Hypothese ist: Ursächlich ist auch dabei ein metabolischer Effekt. Die Tumorzellen finden in eben diesem Organ ein „Nische“, die sie brauchen zum Überleben.

In diesem Massenspektrometer (dem weißen „Kasten“ links neben Prof. Tasdogan) werden Tumor-Proben untersucht.
In diesem Massenspektrometer (dem weißen „Kasten“ links neben Prof. Tasdogan) werden Tumor-Proben untersucht. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Sie nutzen für Ihre Forschung das sogenannte „Isotopen-Tracing“ -- noch im Mausmodell?

Ja, wir injizieren Mäusen, denen wir zuvor humane Tumorzellen verabreicht haben, Glukose mit einem markierten Isotop, C13. Das ist nicht radioaktiv und nicht toxisch, nur aufwändig herzustellen. Der Körper der Maus verstoffwechselt die Glukose wie normalen Zucker, alle Stoffwechselzwischenprodukte, die dabei entstehen, können wir aber über die Markierung verfolgen. Tumoren sind besonders stoffwechselaktiv, dort finden wir also auch vermehrt Spuren des Isotops. Das untersuchen wir dann im Massenspektrometer, nachdem wir den Tumor entfernt haben. Und sehen dabei auch die Dynamik, nicht nur einen Status Quo. Und wir sehen auch, was passiert, wenn wir einen „Block“ an entscheidende Stellen setzen.

Wann wird es eine erste klinische Studie geben?

Wir sind zuversichtlich, dass es noch in diesem Jahr so weit ist, dass wir dann in Essen ersten Patienten die C13-Glukose geben können. Wir wären die ersten in Europa…

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Ihr Hauptaugenmerk gilt derzeit dem Schwarzen Hautkrebs. Warum?

Na, ich bin Dermatologe. Da habe ich die Expertise. Außerdem ist das eine der aggressivsten Krebsarten, ein Paradebeispiel für Metastasierung.

Sind Ihre Erkenntnisse übertragbar auf andere Krebsarten?

Wir bleiben ganz sicher nicht beim Melanom. Wir lernen von unserer Forschung in der Dermatologie auch für Leukämie, Prostatakrebs, Glioblastome oder andere Entitäten.

Prof. Dr. Dr. Alpaslan Tasdogan (sitzend) mit seinem Team im Labor der Klinik für Dermatologie der Universitätsklinik Essen. Schwerpunkt seiner Forschung ist der Stoffwechsel von Tumorzellen.
Prof. Dr. Dr. Alpaslan Tasdogan (sitzend) mit seinem Team im Labor der Klinik für Dermatologie der Universitätsklinik Essen. Schwerpunkt seiner Forschung ist der Stoffwechsel von Tumorzellen. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Was raten Sie Ihren Patienten oder Patientinnen mit einem schwarzen Hautkrebs heute, wenn die Sie nach der richtigen Ernährung fragen?

Bis wir gesicherte Erkenntnisse habe, sagen wir unseren Patienten immer: Ernähren Sie sich ausgewogen, stellen Sie nichts um – und hören Sie nicht auf zu essen. Dass man Krebs durch radikales Fasten aushungern kann, ist ein Mythos.

Im Internet liest man anderes, da gibt es seitenweise Tipps zur Ernährung bei Krebs…

Wir stehen noch am Anfang. Deshalb sind wir vorsichtig mit Empfehlungen und ich bin vorsichtig bei Ratschlägen vermeintlicher Experten im Internet oder entsprechenden Büchern. Auch wenn ich weiß, dass Patienten am liebsten eine Liste mit Lebensmitteln zu ihrer Erkrankung hätten …