Essen. Am 6. Januar ziehen in NRW tausende Sternsinger von Haus zu Haus. Doch ist es rassistisch, wenn sich die Kinder dabei schwarz anmalen?
Sie wollen den Menschen Segen bringen, ihnen Lieder vorsingen und Spenden für Kinder in Not sammeln: Zum Fest der „Heiligen Drei Könige“ am 6. Januar ziehen in NRW wieder um die 50.000 Kinder und Jugendliche von Haus zu Haus. Dabei sind sie verkleidet als Caspar, Melchior und Balthasar, tragen Kronen, Gewänder und Sterne mit sich. Früher war es üblich, dass eines der Kinder im Gesicht außerdem schwarz geschminkt wurde. Doch eben diese Tradition steht schon seit längerem in der Kritik: Rassismusvorwürfe werden laut.
Viele stellen sich mittlerweile die Frage, ob es noch zeitgemäß ist, die Kinder und Jugendlichen im Gesicht schwarz anzumalen. Das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ mit Sitz in Aachen steht zusammen mit dem „Bund der Deutschen Katholischen Jugend“ (BDKJ) hinter dem jährlichen Dreikönigssingen – und hat schon vor einigen Jahren eine klare Antwort darauf gefunden. „Wir empfehlen, die Kinder und Jugendlichen, die beim Sternsingen mitmachen, nicht zu schminken“, sagt Sprecher Robert Baumann.
Schwarze Schminke für Sternsinger: „Sinn dahinter nicht mehr erkennbar“
Zum Hintergrund: Die Heiligen Drei Könige wurden laut biblischer Weihnachtsgeschichte durch den Stern von Bethlehem zu Jesu geführt. Zu seiner Geburt brachten die sogenannten „Weisen aus dem Morgenlande“ oder auch „Sterndeuter“ Gaben mit: Weihrauch, Myrrhe und Gold. Auf der Erzählung aufbauend hat sich die Tradition der Sternsinger entwickelt, die seit 2015 zum immateriellen Weltkulturerbe zählt.
Sternsinger bringen jährlich zum Tag der Heiligen Drei Könige am 6. Januar den Segensspruch zu den Menschen und schreiben dafür den Spruch „20-C+M+B-23“ („Christus mansionem benedicat – Christus möge dieses Haus segnen“) an ihre Häuser.
Dafür verkleiden sie sich als die Heiligen Drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar. Sie sollen aus den drei in der biblischen Erzählung bekannten Erdteilen Asien, Afrika und Europa kommen und diese repräsentieren. Wenn früher ein Kind schwarz geschminkt wurde, dann um den „afrikanischen König“ darzustellen.
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Doch laut Kindermissionswerk gehe diese Gleichung heute nicht mehr auf. „Schwarze Menschen kommen nicht automatisch aus Afrika. Der Sinn, den das Schminken einst hatte, ist heute nicht mehr erkennbar“, stellt Baumann klar.
„In unserer Gesellschaft leben laut Mikrozensus 43 Prozent der Kinder unter sieben Jahren mit Migrationshintergrund“, sagt auch Sarah Vecera. Die Theologin aus Essen ist Expertin für Rassismus und Kirche bei der „Vereinten Evangelischen Mission“ in Wuppertal.
Laut Vecera sehen viele in dem Brauchtum erst einmal kein Problem. Denn natürlich stehe dahinter eine gute Intention: Vielfalt abbilden. Doch damit das gelingt, sollte sich die Kirche vielmehr dafür einsetzen, dass tatsächlich schwarze Menschen am Sternsingen beteiligt werden. Denn: „Schwarze Menschen sollten in der Kirche unbedingt repräsentiert sein, aber Schwarz sein ist eben kein Kostüm.“
Wenn weiße Menschen sich schwarz anmalen, fühlten sich die meisten schwarzen Menschen nicht repräsentiert. Im Gegenteil: Das sogenannte „Blackfacing“ geht auf eine jahrhundertealte, rassistisch motivierte Tradition zurück, so Karim Fereidooni. Er ist Rassismus-Forscher an der Ruhr-Uni Bochum.
Bochumer Rassismus-Forscher: Blackfacing ist rassistisch motiviert
Blackfacing hat seinen Ursprung in den „Minstrel Shows“, die in den 1840ern bis in die 1870er vor allem in den USA weit verbreitet waren. „In diesen Klamauk-Veranstaltungen haben sich weiße Menschen, vor allem Männer, schwarz angemalt, um zum Beispiel darzustellen, dass schwarze Menschen nicht in der Lage seien, logisch zu denken. Kurz gesagt: Die Funktion dieser Shows war es, sich über schwarze Menschen lustig zu machen.“
Laut Fereidooni sollten sich alle Sternsinger diese Tradition des Blackfacing vor Augen führen. „Wer noch nie aufgrund seiner Hautfarbe eine Wohnung nicht bekommen hat, wer noch nie als einziger in einem vollen Zugabteil kontrolliert wurde, wer also noch nie aufgrund seiner Hautfarbe diskriminiert wurde, kann behaupten, dass Hautfarbe keine Rolle spielt oder es einfach nur eine harmlose Tradition der Sternsinger ist. Aber nur weil man es Hunderte Jahre so gemacht hat, heißt es nicht, dass es richtig ist.“
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Zu diesem Entschluss sind auch die meisten Sternsinger-Gruppen im Bistum Münster gekommen. „Wir haben keinen detaillierten Überblick, aber mittlerweile ist es Gott sei Dank so, dass Blackfacing in der Regel nicht mehr stattfindet“, sagt Hendrik Roos. Er ist geistlicher Leiter des „Bund der Deutschen Katholischen Jugend“ in der Diözese Münster, der die Aktionen zum Dreikönigssingen verantwortet.
Im Erzbistum Paderborn haben sich die Gruppen ebenfalls in den vergangenen Jahren mit der Tradition des Schminkens auseinandergesetzt. „Wir haben erlebt, dass diese ,gut gemeinte‘ Tradition, die nie auf die Herabwürdigung von Menschen zielte, von Menschen als diskriminierend wahrgenommen wird. Auch aus Respekt vor Menschen, die dies so empfinden und darunter leiden, schminken viele Gruppen nicht mehr“, sagt Helena Schmidt vom Diözesenverband Paderborn.
Kaum schwarz geschminkte Sternsinger im Bistum Münster und Essen
Auch im Bistum Essen ist es in den meisten Pfarreien laut Sprecher Ulrich Lota schon lange nicht mehr üblich, dass sich die Kinder und Jugendlichen schwarz anmalen. Die Debatte ist für ihn daher längst eher eine theoretische als eine praktische.
„Man kann natürlich unterschiedliche Meinungen haben, das hängt wahrscheinlich auch sehr von der Generation ab. Das theologische Verständnis ist ja, dass man damit schlicht die drei damals bekannten Erdteile darstellen will“, so Lota.
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Das Bistum selbst spreche daher keine Empfehlungen aus, die Entscheidung liegt bei den Sternsingern und ihren Betreuerinnen und Betreuern. Lota ist jedoch keine Pfarrei bekannt, in der schwarze Schminke zum Einsatz kommt. „Ich glaube auch, dass es dort nicht großartig diskutiert wird und wurde“, sagt er. „Und das Schöne ist doch eigentlich, dass solch eine Tradition, in der Kinder anderen Kindern helfen wollen, sich so lange hält. Darauf kommt es an.“
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