Ruhrgebiet. Die Bahn saniert 2027 die zentrale Fernverkehrsstrecke durch das Ruhrgebiet. Sie ist dann gesperrt. Was Fahrgäste schon wissen müssen.
Der Bahnsteig der Gleise 10 und 11 ist praktisch weg, das Dach auch, stattdessen streckt sich eine Baustelle über hunderte Meter Länge. Zwei Kräne recken sich am frühen Abend in den Himmel über Duisburg, und Scheinwerfer erhellen auf Erden ein Wimmelbild aus Bauarbeitern und Maschinen. Duisburg Hauptbahnhof entsteht an derselben Stelle praktisch neu, nicht von heute auf morgen natürlich, Abschluss ist im Sommer 2028. Es ist eine der größten aktuellen Baustellen der Bahn in NRW. Es ist ein Klacks gegen das, was 2027 passiert.
Denn dann steht für NRW das „größte Infrastrukturprojekt für die Schiene seit der Bahnreform 1994“ an, so die Bahn. Einmal so fröhlich in Schwung, kündigt sie die „umfassende Erneuerung und Modernisierung von Schienennetz und Bahnhöfen für mehr Qualität und Pünktlichkeit“ an und verspricht durch Digitalisierung „30 Prozent mehr Kapazität im bestehenden Netz“. Das bedeutet konkret? Fünf Monate Umwege, längere Fahrzeiten, Gedränge im Ersatzbus, mehr Autos unterwegs. Und dann wird hoffentlich alles gut.
Betroffen sind Hamm, Dortmund, Bochum, Essen, Mülheim, Duisburg, Düsseldorf
Also: Von Juni bis November 2027 wird die Bahn die Fernverkehrsstrecke zwischen Hamm und Köln-Mülheim sperren und komplett erneuern. Quer durchs Ruhrgebiet wird es keinen Fernverkehr geben; auf der zentralen, mittigen, wichtigsten, 156 Kilometer langen Trasse, die durch Dortmund, Bochum, Essen, Mülheim, Duisburg und danach noch Düsseldorf führt. Die S-Bahn-Gleise sind nicht betroffen außer bei Teilsperrungen wegen Brückenarbeiten, der Fernverkehr wird umgeleitet, der Regionalverkehr nach dem Wissensstand der Lobbyorganisation „pro Bahn“ auch. Ersatzbusse verkehren.
Hat man alles schon gesehen im Ruhrgebiet, aber nicht auf 156 Kilometern Länge und bei fünf Monaten Dauer. Alle Arbeit in eine einzige Sperrung zu quetschen, hat sich in den letzten Jahren zwischen Essen, Duisburg und Düsseldorf als sinnvoll erwiesen. So sieht das auch „pro Bahn“ und übt dennoch Kritik. „Aus unserer Sicht ist der Korridor entschieden zu lang. Es gibt zu viele Betroffene auf einen Schlag“, sagt der Oberhausener Lothar Ebbers, Sprecher von „pro Bahn“ in NRW. Die langen Umleitungen kosten Zeit, der Umlauf der Züge verlängert sich deutlich, „wir brauchen mehr Züge“. Wird man dann sehen.
„pro Bahn“: Fahrzeiten werden sich „deutlich erhöhen, meist verdoppeln“
Den Fahrgästen sagt Ebbers voraus, dass sich „die Fahrzeiten deutlich erhöhen, meist verdoppeln“. Seine Beispiele: Dortmund-Duisburg plus 15 Minuten, Hamm-Dortmund plus 20 Minuten, Hamm-Köln plus eine Stunde. „Fahrgäste sollten Ausweichstrecken testen“, rät er. Schon jetzt ist absehbar, dass Reisende aus Bochum mit der U-Bahn nach Herne fahren sollten, um Anschluss zu finden; und solche aus Essen mit dem Nahverkehr nach Altenessen für den Regional- oder Gelsenkirchen für den Fernverkehr. Die Bahn solle dafür „Mehrleistungen bei der kommunalen Verkehrsunternehmen bestellen“.
Zumindest sind die anderen Trassen, die im Zuge der bundesweit 40 Generalsanierungen das Ruhrgebiet berühren, deutlich kürzer. Bereits für 2025 sind die 73 Kilometer Emmerich-Oberhausen vorgesehen: wegen des internationalen Güterverkehrs, der nicht umgeleitet werden kann, mit „getakteten Teilsperrungen und teilweise eingleisigem Betrieb“, so die Bahn. 2026 stehen 65 Kilometer Hagen-Wuppertal-Köln an („Hauptachse für den Fern- und Nahverkehr“), die als eine der Ausweichstrecken für die große Ruhrgebiets-Sperrung fertig werden müssen.
Hagen-Unna-Hamm und Recklinghausen-Münster kommen danach dran
2028 kommen 54 Kilometer Hagen-Unna-Hamm unters Messer („für die Regional- und Fernverkehrsanbindung und für den Güterverkehr von Bedeutung“) und 2030 die 60 Kilometer Münster-Recklinghausen („wichtige Verbindung zwischen dem westlichen Ruhrgebiet und Hamburg . . . und überlasteter Schienenweg“).
Zuletzt hatte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Finanzierung der Generalsanierung von 40 Strecken bedroht. Doch „die Erneuerung duldet keinen Aufschub“, sagt eine Bahnsprecherin: „Insbesondere die Korridorsanierung als zentrales Element der Erneuerung muss weiter vorangetrieben werden.“ Nun will der Bund nach Medienberichten wohl mehr Beteiligungen verkaufen als bisher geplant, und die Erlöse gehen an die Bahn, damit sie bauen kann wie vorgesehen.
Bis dahin sind es noch dreieinhalb Jahre. Die Arbeiten beginnen im Juni 2027, also weit vor den Sommerferien, und enden vielleicht mit den Herbstferien. Nach bewährtem Muster wäre das am Abend des 5. November 2027. Wer weiß schon, was dann ist? Zumindest dies: Am neuen Duisburger Hauptbahnhof bauen sie dann noch immer.