Meerbusch. Seit April 2024 gelten neue Regeln für die Elternzeit. Was Eltern jetzt beachten sollten – und warum sich Teilzeit in Elternzeit lohnen kann.

  • Ab dem 1. April gibt es neue Regelungen bei den Partnermonaten in der Elternzeit.
  • Was müssen berufstätige Eltern jetzt beachten? Und: Wie lange sollten sie überhaupt in Elternzeit gehen? Wie verhindern sie, in die Teilzeitfalle zu rutschen?
  • Das verraten die Rechtsanwältinnen Christin Herken und Johanna Jenckel. Mit ihrer Meerbuscher Kanzlei „MOM‘s LAW“ auf die rechtliche Beratung rund um die Elternzeit spezialisiert.

Christin Herken ist Rechtsanwältin und zweifache Mutter. Ob im Babykurs oder in der Kita: Immer wieder berichteten ihr Mütter und Väter von ihren Problemen vor und nach der Elternzeit. „Es gibt viel mehr zu wissen über die Elternzeit als man denkt. Viel zu viele Eltern kennen ihre Rechte nicht“, sagt Herken. Das will die 46-Jährige ändern – und hat daher „MOM‘S LAW“ gegründet.

Welche Fehler sollte man beim Elternzeit-Antrag vermeiden? Wie verhindert man, in die Teilzeitfalle zu rutschen? Zusammen mit der Rechtsanwältin Johanna Jenckel berät sie in ihrer Kanzlei Eltern – zu 99 Prozent sind es Frauen – bei allen Herausforderungen rund um Eltern- und Teilzeit. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Was ändert sich ab dem 1. April 2024 bei der Elternzeit?

Das Elterngeld kann weiterhin von zwölf Monaten auf 14 Monate aufgestockt werden – wenn beide Eltern sich die Betreuung aufteilen. In Zukunf muss aber mindestens einer der sogenannten Partnermonate von einem Elternteil allein genommen werden. Denn ab April ist es nur noch möglich, einen Monat gleichzeitig mit dem Partner zu Hause zu bleiben und gleichzeitig Elterngeld zu beziehen.

Es gibt aber auch Ausnahmen von der Begrenzung, zum Beispiel für Eltern von besonders früh geborenen Kindern, von Mehrlingen und Kindern mit Behinderung.

Wann muss ich meiner Chefin sagen, dass ich schwanger bin?

Die 12. Schwangerschaftswoche stellt für werdende Mütter eine magische Grenze dar. Da fast ein Drittel aller Schwangerschaften innerhalb der ersten drei Monate in einer Fehlgeburt enden, teilen die meisten Paare die Schwangerschaft erst danach mit Freunden und Familie. Viele Schwangere glauben, zu diesem Zeitpunkt auch ihren Arbeitgeber aufklären zu müssen. „Aber das stimmt nicht. Grundsätzlich haben werdende Mütter keine Pflicht, ihren Arbeitgeber über die Schwangerschaft zu informieren“, sagt Christin Herken.

Dennoch sollten Schwangere nicht zu spät das Gespräch suchen, etwa um den Mutterschutz oder die Elternzeit zu regeln. Sich an die Drei-Monats-Regel zu halten, ist laut Herken daher in den meisten Fällen sinnvoll. Es gibt allerdings Ausnahmen: „Wenn man befürchtet, aufgrund der Schwangerschaft diskriminiert zu werden, sollte man mit der Verkündung noch warten.“ Zum Beispiel, wenn eine Beförderung bevorsteht oder ein befristeter Vertrag verlängert werden soll.

Wie beantrage ich Elternzeit?

Die Elternzeitplanung sollte in der Regel frühzeitig mit dem Arbeitgeber besprochen werden. Der Antrag kann allerdings recht kurzfristig gestellt werden. Für ein Kind, das unter drei Jahre alt ist, muss er spätestens sieben Wochen vor Beginn der Elternzeit beim Arbeitgeber eingehen. „Als Faustregel gilt: Wenn der Elternzeitantrag von Müttern eine Woche nach der Geburt beim Arbeitgeber eingeht, ist dies immer noch ausreichend, da die Mutterschutzzeit auf die Elternzeit angerechnet wird“, sagt Johanna Jenckel.

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Für Kinder, die über drei bis acht Jahre alt sind, müssen Eltern den Antrag so einreichen, dass er 13 Wochen vor Beginn der Elternzeit dem Arbeitgeber vorliegt. Wichtig ist, dass der Antrag schriftlich, das heißt in der Regel ausgedruckt und per Hand unterschrieben und dann als Einschreiben an den Arbeitgeber gesendet wird. Eine E-Mail ist nicht ausreichend, so Jenckel.

Christin Herken und Johanna Jenckel helfen in ihrer Meerbuscher Kanzlei „MOM‘s LAW“ bei allen Herausforderungen rund um die Elternzeit. 
Christin Herken und Johanna Jenckel helfen in ihrer Meerbuscher Kanzlei „MOM‘s LAW“ bei allen Herausforderungen rund um die Elternzeit.  © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Meine Partnerin ist schwanger und ich möchte selbst in Elternzeit gehen. Wann sollte ich mit meinem Arbeitgeber über meine Pläne sprechen?

„Leider muss ich dazu raten, als Partner oder Partnerin nicht zu früh über die Elternzeit-Pläne zu sprechen. Denn aus meiner Beratungspraxis nehme ich mit, dass Partner häufig eine unberechtigte Kündigung erhalten“, sagt Christin Herken. Das liegt daran, dass anders als die Schwangere selbst ihr Partner oder ihre Partnerin keinen Sonderkündigungsschutz genießt.

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Ein Beispiel aus der Kanzlei: Ein werdender Vater möchte ein Jahr in Elternzeit gehen und informiert seinen Arbeitgeber bereits viele Monate vor der Geburt darüber. Kurze Zeit später wird ihm gekündigt. Das Problem ist, dass Partner erst viel später als die Schwangere selbst einen Sonderkündigungsschutz haben. „Ein früherer Elternzeitantrag ist zwar möglich, der Sonderkündigungsschutz greift allerdings frühestens acht Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin. Auch wenn es schade ist für die Kommunikation mit dem Arbeitgeber, habe ich eine klare Empfehlung: Erst acht Wochen vor der Geburt sollte man als Partner über die Pläne für die Elternzeit sprechen.

Wie lange sollte ich Elternzeit nehmen?

Das hängt natürlich stark von den eigenen Plänen und Bedürfnissen ab. Eltern sollten allerdings beachten, dass sie sich bei der Erstbeantragung der Elternzeit für zwei Jahre verbindlich festlegen müssen. „Der Klassiker und zugleich ein häufiger Fehler ist: Ich nehme ein Jahr Elternzeit und dann gucke ich mal weiter“, sagt Christin Herken.

Jeder macht sich ab Woche drei der Schwangerschaft Gedanken darüber, welchen Kinderwagen er haben will. Aber kaum jemand kümmert sich um die Elternzeit.
Christin Herken, Rechtsanwältin

Sie rät Eltern, sich so früh wie möglich gemeinsam zu überlegen, welche der vielen Möglichkeiten für sie infrage kommt. „Jeder macht sich ab Woche drei der Schwangerschaft Gedanken darüber, welchen Kinderwagen er haben will. Aber kaum jemand kümmert sich um die Elternzeit. Dabei sollte man sich damit rechtzeitig auseinandersetzen.“

Nach der Elternzeit möchte ich in Teilzeit zurückkehren. Was muss ich tun?

Es gibt viele Möglichkeiten, um nach der Elternzeit von Voll- auf Teilzeit umzusteigen. Laut Expertinnen ist es oft eine Einzelfallfrage, welches Modell am besten passt. Ein kurzer Überblick:

  • Teilzeit nach der Elternzeit/ Brückenteilzeit: Grundsätzlich gelten nach der Elternzeit dieselben Bestimmungen für das Arbeitsverhältnis wie zuvor. Das bedeutet: Wer Vollzeit gearbeitet hat, kehrt auch automatisch in Vollzeit zurück. Entscheiden sich Mütter oder Väter allerdings dazu, nach der Elternzeit nur in Teilzeit zu arbeiten, müssen sie drei Monate vor Beginn der geplanten Teilzeit den Antrag dafür stellen. Ein Anspruch besteht nur in Unternehmen, in denen mehr als 15 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt sind. Bei der auf ein bis fünf Jahre befristeten Brückenteilzeit müssen es sogar mindestens 45 Angestellte sein. „Obwohl die Ablehnung des Teilzeitwunsches in vielen Fällen unwirksam ist, kommt es in der Praxis leider häufig zur Ablehnung durch den Arbeitgeber. Das Problem ist dann, dass das Elternteil in Zugzwang gerät. Denn das Vollzeitarbeitsverhältnis lebt wieder auf. Das Elternteil kann aber keine Vollzeit leisten. Hierdurch entsteht Druck auf die Eltern, die dann häufig unüberlegt handeln, also zum Beispiel selbst eine Kündigung aussprechen“, hält Johanna Jenckel fest
  • Teilzeit in Elternzeit: Die Teilzeit in Elternzeit bietet Eltern mehr Sicherheit. Wer bereits bei der Beantragung der Elternzeit weiß, dass er zum Beispiel nach einem Jahr in Teilzeit zurückkehrt, sollte laut den Rechtsanwältinnen Folgendes tun: Die Elternzeit für zwei Jahre beantragen, aber im Antrag bereits ankündigen, dass man nach einem Jahr mit einer reduzierten Stundenzahl wieder einsteigt. Die Vorteile sind laut Herken, dass Beschäftigte den „Super-Sonderkündigungsschutz“ der Elternzeit genießen. Außerdem ist die Teilzeit nur auf den Zeitraum der Elternzeit beschränkt. Danach gilt automatisch wieder der Vollzeitvertrag. „Man tappt also nicht in die Teilzeitfalle“, sagt Herken. In der Regel ist die Teilzeit in Elternzeit daher das bessere Modell für viele Eltern. Mit einer Ausnahme: „Wenn ich sicher weiß, dass ich in den zwei Jahren wieder Vollzeit arbeiten möchte, dann sollte ich ein anderes Modell wählen. Denn in der Teilzeit in Elternzeit darf ich maximal 32 Stunden pro Woche arbeiten.“
Familie und Beruf zu vereinen, stellt viele Eltern vor Herausforderungen. Vor allem, wenn es um die Planung der Elternzeit und den Wiedereinstieg in den Beruf geht.
Familie und Beruf zu vereinen, stellt viele Eltern vor Herausforderungen. Vor allem, wenn es um die Planung der Elternzeit und den Wiedereinstieg in den Beruf geht. © nataliaderiabina - stock.adobe.com | Natalia Deriabina

Kann ich auch als eine Führungskraft nach der Elternzeit nur in Teilzeit zurückkehren?

Eine Ingenieurin, die ihr Team nicht weiterhin führen soll oder eine Abteilungsleiterin im Pflegedienst, die nur als Sachbearbeiterin zurückkehren soll: In ihrer Kanzlei begegnen den beiden Anwältinnen immer wieder Fälle von Führungskräften, denen nach der Elternzeit ihre Position verwehrt werden soll, weil sie ihre Stunden reduzieren wollen.

„Da kann ich nur ganz klar erwidern: Doch, man darf auch in Teilzeit in eine Führungsposition zurückkehren“, stellt Christin Herken klar. Das Recht auf Teilzeitarbeit in leitenden Positionen sei schließlich im Gesetz verankert, und zwar in Paragraf 6 des Teilzeit- und Befristungsgesetz.

Wie verhandle ich am besten mit meinem Arbeitgeber?

Rückkehrgespräche nach der Elternzeit sind für Christin Herken immer auch Verhandlungsgespräche. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten sich daher vorab genau informieren. Denn: „Wenn ich meine Rechte kenne, gehe ich ganz anders in die Gespräche.“

Generell sei eine selbstbewusste Haltung wichtig. Man sollte einerseits signalisieren, dass man informiert ist und weiß, was einem zusteht. Und andererseits zeigen, dass man auch daran interessiert ist, für beide Seiten eine gute Lösung zu finden.

„Wie gut können Sie Familie und Beruf vereinbaren? Und wie familienfreundlich ist Ihr Arbeitgeber?“ Das haben wir unsere Userinnen und User für den großen WAZ-Familiencheck gefragt. Mehr als 7000 Menschen aus dem Ruhrgebiet haben an der nicht-repräsentativen Umfrage teilgenommen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bewerten sie im Durchschnitt mit der Schulnote „Zwei minus“. Besser schneiden die Arbeitgeber selbst ab: Ihre Familienfreundlichkeit wird durchschnittlich mit einer glatten Zwei benotet. Auffällig ist dabei allerdings, dass die Arbeitgeber anscheinend zu selten eine spontane Kinderbetreuung (Schulnote 2,9) oder Home-Office (Schulnote 3,6) ermöglichen. Vor welchen Herausforderungen stehen Eltern im Alltag? Und wie muss sich die Arbeitswelt verändern? Weitere Texte unseres Schwerpunkts lesen Sie hier: