Essen. Eltern stehen auf dem Arbeitsmarkt vor vielen Herausforderungen. Wie Karriere mit Kind besser möglich wäre.

  • Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt viele Eltern im Ruhrgebiet vor Herausforderungen. Das hat unser großer WAZ-Familiencheck gezeigt.
  • Gerhard Bosch, Arbeitsmarktforscher der Uni Duisburg-Essen, hat unserer Redaktion im Interview erklärt, welche Gründe das hat.
  • Eine Problem: „Nicht immer kommt der Ausbau der Infrastruktur, zum Beispiel der Kita- oder OGS-Plätze, dem schnellen Wandel hinterher“, so der Experte.

„Wie gut können Sie Familie und Beruf vereinbaren? Und wie familienfreundlich ist Ihr Arbeitgeber?“ Das haben wir unsere Userinnen und User für den großen WAZ-Familiencheck gefragt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bewerten sie im Durchschnitt nur mit der Schulnote „Zwei minus“. Vor welchen Herausforderungen Eltern im Alltag stehen und wie sich die Arbeitswelt verändern muss, darüber hat Laura Lindemann mit Arbeitsmarktforscher Gerhard Bosch von der Uni Duisburg-Essen gesprochen.

Herr Bosch, vor welchen Herausforderungen stehen Familien auf dem Arbeitsmarkt?

Gerhard Bosch: Unsere Gesellschaft entwickelt sich ständig weiter, heute ist es etwa selbstverständlich, dass junge Frauen arbeiten wollen. Nicht immer kommt der Ausbau der Infrastruktur, zum Beispiel der Kita- oder OGS-Plätze, dem schnellen Wandel hinterher. Die Kommunen stehen hier vor großen Herausforderungen. Aber auch in einigen Unternehmen ist der Kulturwandel langsamer als die Wünsche der Beschäftigten. Was flexiblere Arbeitszeiten angeht, ist bei einigen Arbeitgebern zum Beispiel noch Luft nach oben.

In Deutschland braucht es häufiger die Möglichkeit von substanzieller Teilzeit, damit Eltern mehr als 20 Stunden pro Woche arbeiten können.
Gerhard Bosch

Unterscheiden sich die Bedürfnisse von Frauen und Männern in der Arbeitswelt?

Ja, sie stehen teils vor unterschiedlichen Herausforderungen. Bei Männern gehen einige Unternehmen noch davon aus, dass sie für Überstunden verfügbar sind. Das setzt Väter unter Druck. Viele wollen bewusst weniger arbeiten, um Zeit mit der Familie zu verbringen. Frauen hingegen kommen nach der Elternzeit oft nicht über die Hürde des Minijobs hinaus. Viele wollen mehr arbeiten, tun es aber wegen der steuerlichen Vorteile nicht. Zudem sind Teilzeitmodelle oft noch sehr unflexibel. Frauen treten damit häufiger auf der Stelle und können im Arbeitsleben nicht mehr richtig Fuß fassen.

„Wie gut können Sie Familie und Beruf vereinbaren? Und wie familienfreundlich ist Ihr Arbeitgeber?“ Das haben wir unsere Userinnen und User für den großen WAZ-Familiencheck gefragt. Mehr als 7000 Menschen aus dem Ruhrgebiet haben an der nicht-repräsentativen Umfrage teilgenommen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bewerten sie im Durchschnitt mit der Schulnote „Zwei minus“. Besser schneiden die Arbeitgeber selbst ab: Ihre Familienfreundlichkeit wird durchschnittlich mit einer glatten Zwei benotet. Auffällig ist dabei allerdings, dass die Arbeitgeber anscheinend zu selten eine spontane Kinderbetreuung (Schulnote 2,9) oder Home-Office (Schulnote 3,6) ermöglichen. Vor welchen Herausforderungen stehen Eltern im Alltag? Und wie muss sich die Arbeitswelt verändern? Weitere Texte unseres Schwerpunkts lesen Sie hier:

Wie lässt sich die Situation verbessern?

Wenn es um Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, können wir viel vom schwedischen Modell lernen. Das beinhaltet eine flächendeckende und verlässliche Struktur von Kitas und Ganztagsschulen. Zudem ist die Rückkehr nach der Elternzeit besser organisiert. So kehren viele Frauen nach der Elternzeit wieder in Vollzeit oder langer Teilzeit in ihren Beruf zurück. In Deutschland braucht es häufiger die Möglichkeit von substanzieller Teilzeit, damit Eltern mehr als 20 Stunden pro Woche arbeiten können.

Inwieweit hat das Homeoffice Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert?

Ich bin positiv überrascht, dass das Homeoffice nach Corona in vielen Unternehmen geblieben ist. Heute haben wir vier Millionen Menschen, die dauerhaft von Zuhause arbeiten. Allerdings ist die Hälfte der Beschäftigten in Jobs, die nicht vom Schreibtisch aus erledigt werden können. Gerade in Unternehmen, wo nur die Büro-Etage von Zuhause arbeiten kann, gibt es Ungleichheiten. Wichtig ist es deshalb, die Regelungen sorgfältig zu tarieren und den Menschen, die nicht im Homeoffice arbeiten können, andere Vorteile zu bieten, wie etwa Zuschüsse beim Nahverkehrsticket.

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