Dortmund. Mit Baby und Camper durch Europa: Jan und Nicole Rempe aus Dortmund sind in der Elternzeit gereist. Was sie anderen Eltern raten.

Sie haben während ihrer Trekking-Touren zahlreiche Berge bestiegen, eine Kreuzfahrt zu den Galapagosinseln gemacht und in Norwegen die Nordlichter bestaunt: Nicole und Jan Rempe lieben es, zu reisen. Die Zeit der vielen, großen Urlaube sollte vor acht Jahren jedoch enden, als Nicole schwanger wurde.

Das prognostizierten ihr jedenfalls viele ihrer Freundinnen und Freunde, erzählt sie: „Wir wollten aber auch mit Kind unbedingt weiter die Welt entdecken“ – und zwar schon während der Elternzeit, die für die Rempes zur Reisezeit wurde.

Roadtrip durch Frankreich und Spanien in der Elternzeit

Während der Elternzeit zu verreisen liegt im Trend. Die Chance auf einen mehrmonatigen Urlaub haben berufstätige Paare normalerweise schließlich kaum. Für immer mehr junge Familien ist daher nichts naheliegender, als zusammen wegzufahren, um die ersten Monate mit dem Baby so intensiv wie möglich zu erleben. Doch ist das auch gut für die Kinder? Oder überfordert sie die Reiselust ihrer Eltern?

Nicole und Jan Rempe haben noch während der Schwangerschaft beschlossen, dass sie die zwei Monate, die sie zusammen in Elternzeit sind, nicht in Dortmund bleiben wollen. Sie lasen etliche Ratgeber übers Reisen mit Kind, tauschten ihr Zelt gegen einen Camper – und starteten bereits neun Monate nach der Geburt ihrer Tochter einen Roadtrip durch Frankreich und Spanien.

Dortmunder über Elternzeit-Reise: „Deutlich anstrengender als gedacht“

„Ich hatte mich darauf eingestellt, mit Kind anders zu reisen als sonst. Aber es war schon deutlich anstrengender als ich es mir vorgestellt hatte“, erinnert sich die heute 44-Jährige. Weil ihre Tochter die Fahrten im Camper hasste, kamen die Drei nur langsam voran. Und anstatt langer Wanderungen standen für sie nun Strandbesuche, kürzere Städtetrips und Spielplatz-Besuche auf dem Tagesplan.

In ihrem ersten Lebensjahr habe sich ihre Tochter außerdem so oft verändert, dass gerade etablierte Routinen schon nach zwei Wochen nicht mehr funktionierten. „Das bringt einen zu Hause ja auch raus. Aber da hat man dann wenigstens die gewohnte Umgebung. Das fehlt einem natürlich auf Reisen, da muss man flexibler sein.“

Ob Berge, Strände oder Städte: Auf ihrem Blog „ausreisserin.de“gibt Nicole Rempe aus Dortmund Tipps zum Reisen mit Kind.
Ob Berge, Strände oder Städte: Auf ihrem Blog „ausreisserin.de“gibt Nicole Rempe aus Dortmund Tipps zum Reisen mit Kind. © PrivaT

Obwohl die jungen Eltern den Roadtrip so gut es geht an ihr Kind anpassten, kamen immer wieder Zweifel auf. Zum Beispiel, als ihre Tochter mehrere Tage hintereinander schlecht drauf war, ihnen die Windeln unterwegs ausgingen oder der Baby-Brei durch den ganzen Camper flog. „Was tun wir unserem Kind an?Haben wir uns zu viel vorgenommen?“

Diese Fragen haben sich die beiden häufig gestellt. Sich selbst zu hinterfragen und die Bedürfnisse der Kinder stets im Blick zu haben, sind wichtige Voraussetzungen für eine gelungene Elternzeit-Reise, sagt Nasim Honigmann vom Jugendpsychologischen Institut in Essen.

Essener Expertin: So sollten sich Familien auf Elternzeit-Reise vorbereiten

Generell komme es wie bei jedem Urlaub zunächst auf eine gute Planung an, sagt sie: „Wie ist die Infrastruktur vor Ort? Bin ich gut auf mögliche Krankheiten meiner Kinder vorbereitet? Diese Fragen sollte man sich stellen.“

Gleichzeitig müssten sich Eltern darüber bewusst sein, dass es unterwegs zu unvorhersehbaren Herausforderungen kommen kann. „Stresssituationen können sich belastend auf die Kinder und die ganze Familie auswirken. Und natürlich ist es anstrengend für die Kinder, keinen immer gleich ablaufenden Alltag zu haben, sondern jeden Tag mit etwas Neuem konfrontiert zu werden.“

Familientherapeutin aus Essen über Elternzeit-Reise: „eine Bereicherung für alle“

Wie gut die Kleinen damit umgehen können, hänge vor allem von der Beziehung zu ihren Eltern ab. Da gerade Babys und jüngere Kinder „so in Symbiose mit ihren Eltern“ leben, komme es für sie weniger auf die äußeren Umstände an als darauf, wie es ihren Bezugspersonen geht, erklärt Honigmann: „Wie verfügbar sind meine Eltern für mich? Habe ich genug Nähe und Schutz? Fühle ich mich noch geborgen?“

Wer überlegt, während der Elternzeit zu verreisen, sollte sich daher sicher sein, auch in stressigen Situationen für das Kind sorgen zu können. „Wenn ich selbst stark genug dafür bin, ist eine Reise während der Elternzeit durch und durch ein Plus, eine Bereicherung für alle“, so die Familientherapeutin.

Während der Elternzeit haben Nicole und Jan Rempe ihr Zuhause in Dortmund für einige Monate gegen ein Leben im Campergetauscht.
Während der Elternzeit haben Nicole und Jan Rempe ihr Zuhause in Dortmund für einige Monate gegen ein Leben im Campergetauscht. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Um sich und ihre Kinder nicht zu überfordern, haben sich auch Nicole und Jan Rempe unterwegs immer wieder kleine Auszeiten genommen. Während ihr Mann auf die Tochter aufpasste, hat Nicole kleine Wanderungen gemacht oder ist noch vor dem Frühstück im Meer geschwommen.

„Das ist noch ein Vorteil am Reisen: Mein Mann und ich haben uns die Arbeit rund ums Kind wirklich 50:50 aufgeteilt. Das klappt zuhause nicht unbedingt so gut“, sagt sie. Ihnen habe die Elternzeit-Reise generell geholfen, als Familie zusammenzuwachsen: „Keine Erledigungen, keine To-Do-Listen, keine Anrufe, kein TV-Programm, kaum Internet: Nichts und niemand hat unsere Zeit als Familie gestört.“

Sonnenuntergänge, Strand-Picknick und Schneeballschlacht

Trotz der teils stressigen Situationen beschlossen sie daher, auch nach der Geburt ihrer zweiten Tochter die Elternzeit erneut zum Reisen zu nutzen. 2017 zogen sie wieder für einige Monate in den Camper, dieses Mal führte die Route sie nach Südfrankreich und in die Schweiz.

Mit zwei Kindern waren sie noch langsamer unterwegs, mussten sich noch mehr Herausforderungen stellen, dachten mehrmals darüber nach, die Tour abzubrechen – und trotzdem, sagt Nicole, zählen die Elternzeit-Reisen bis heute zu den schönsten Erlebnissen ihres Lebens. Es seien vor allem die kleinen Momente, die in Erinnerung bleiben: das Picknick am Strand, die Sonnenuntergänge in der Bretagne oder die Schneeballschlacht mitten im Sommer, hoch oben in den Bergen.

Und obwohl ihre Töchter damals noch sehr jung waren, haben sie mehr von den Reisen mitgenommen, als Mutter Nicole erwartet hätte, erzählt sie: „Als wir wieder zurück in Dortmund waren, sind wir bei einem Spaziergang an Lavendel vorbeigekommen. Unsere ältere Tochter ist sofort dahin gerannt und hat gerufen: ,Der Lavendel riecht so gut!’ Und das ist ja eigentlich nichts, was eine Zweieinhalbjährige in Deutschland normalerweise kennt. Aber eben eine, die länger in der Provence war.“