Essen. Mathe war Annas Lieblingsfach. Dann wurde es für sie zum „Horror“. Warum sie gescheitert ist– und wie Schule in NRW sich ändern muss.

Immer mehr Schülerinnen und Schüler in Deutschland verzweifeln bereits an einfachen Matheaufgaben. Das hat die Pisa-Studie gezeigt. Demnach scheitert ein Drittel der 15-Jährigen an leichten Rechenaufgaben. Woran liegt das? Das wollten wir auch von den Schülerinnen und Schülern im Ruhrgebiet selbst wissen.

Hier erzählt die 18-jährige Anna (Name geändert), wie Mathe von einem ihrer Lieblings- zu einem ihrer Hassfächer wurde: „Wenn ich an die Mathe-Klausuren in der Schule denke, wird mir noch heute schlecht. Ich habe vor jeder Prüfung geweint, weil es mich so gestresst hat. Mathe war einfach Horror. Dabei war ich eigentlich immer gut in Mathe und mochte es auch. Deshalb habe ich fürs Abi auch den Mathe-Leistungskurs gewählt – obwohl ich da fast das einzige Mädchen war.

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Aber ab der 11. Klasse wurde der Stoff so schnell durchgenommen, dass ich gar nicht mehr hinterher kam. Wir hatten jede Stunde ein neues Thema, obwohl ich das andere noch gar nicht verstanden hatte. Ich wusste irgendwann nicht mal mehr, welche Fragen ich stellen soll, weil ich so verwirrt war. Ich finde, unser Lehrer konnte den Stoff auch nicht gut vermitteln. Er hat seinen Unterricht zu sehr an den guten Schülern – manche in unserem Kurs waren sogar hochbegabt – ausgerichtet. ,Wenn Ihr Probleme habt, fragt doch einfach euren Mitschüler, der kann das schon‘, hat er oft gesagt und dann selbst Pause gemacht.

Direkt vorm Abi hatte ich dann auch richtig viel Nachhilfe. Aber selbst das hat nichts mehr gebracht. Ich saß in der Klausur völlig unwissend und habe nur drei Punkte geschrieben. ,Warum soll ich das überhaupt lernen? Das werde ich nie wieder brauchen‘: Das habe ich in der Schulzeit oft gedacht. Ich habe mich auch extra für ein Studium mit wenig Mathe entschieden. Eigentlich wollte ich Architektur studieren, aber da wäre Mathe so ein großer Teil gewesen, dass ich mich für Innenarchitektur entschieden habe. Das war genau das Richtige: Ich bin so froh, keine Matheklausur mehr schreiben zu müssen.“

Berufsschüler aus NRW: „Mir war oft langweilig im Mathe-Unterricht“

Hier verrät der 18-jährige Berufsschüler Max (Name geändert), warum er sich im Unterricht gelangweilt hat – und trotzdem fast am Einstellungstest für die Ausbildung gescheitert wäre: „Ich habe in Mathe zu den guten Schülern gehört und war auch im entsprechend besseren Kurs. Das Problem war nur, dass die Lehrer nicht so klar zwischen dem Kurs für die besseren und dem für die schlechteren unterschieden haben. Wir haben oft die gleichen Aufgaben bearbeitet oder wurden sogar zusammen unterrichtet.

Die Lehrer haben sich dabei immer eher auf die schlechteren Schüler konzentriert, weil die viel mehr Hilfe brauchten. Mir war oft langweilig. Ich glaube, der Matheunterricht an Schulen wird dadurch viel zu sehr vereinfacht. Dass das ein Fehler ist, habe ich beim Einstellungstest für meine Ausbildung gemerkt. Hätte ich mich dort direkt nach dem Realschulabschluss beworben, wäre es knapp geworden. Aber zum Glück mache ich gerade noch mein Fachabi. An der Berufsschule haben wir einen echt guten Mathelehrer.

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Der bringt uns nur Sachen bei, die für unseren Beruf wirklich wichtig sind – und das sind im Bereich Elektrotechnik eine Menge. Dank ihm habe ich den Einstellungstest bestanden und kann im nächsten Jahr meine Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme anfangen. Es steht und fällt also mit den Lehrern.“

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