Essen. Mehr Lehrer, weniger Unterrichtsausfall und ChatGPT für alle - das wünscht sich der 17-jährige Theo Blaesse für die Zeit nach den Ferien.
Weniger Stress, mehr Lehrkräfte, Unterricht ohne Zeitdruck, weniger Stundenausfälle und ChatGPT für alle – das wünschen sich Schülerinnen und Schüler für die Zeit nach den Sommerferien. Theo Blaesse hat im Frühjahr sein Abitur gemacht und will ab Herbst Maschinenbau studieren. Der 17-Jährige ist im Vorstand der Landesschülervertretung NRW und spricht daher nicht nur für sich, sondern auch für die knapp zwei Millionen Schülerinnen und Schüler in NRW. Christopher Onkelbach fragte ihn, was besser laufen könnte an den Schulen des Landes.
Wie lief das vergangene Jahr aus Sicht der Schülerinnen und Schüler?
Theo Blaesse: Insbesondere am Anfang des Schuljahrs war für uns Corona schon noch ein Thema. Viele haben weiter freiwillig Masken getragen. Die Folgen der Pandemie spüren wir immer noch, sozial und auch inhaltlich. Das wird noch dauern, bis das aufgeholt ist.
Gibt es noch Corona-Lücken?
Ja, vielen Schülerinnen und Schülern fehlt immer noch einiges. Man merkt noch, dass während der Pandemie Stoff versäumt wurde. Die Lehrpläne sind voll, die Stunden durchgetaktet, da gibt es Lücken, die sich im laufenden Schuljahr nicht so schnell aufholen lassen. Um für Klausuren zu lernen, muss man dann weiter im Stoff zurückgehen, und das bringt Stress. Das heißt, mehr lernen in der gleichen Zeit.
Was hat die Schüler besonders beschäftigt?
Was wir am meisten spüren, ist der Unterrichtsausfall. An manchen Schulen können ganze Fächer nicht gegeben werden, weil Fachlehrer fehlen. Darunter leiden alle Schülerinnen und Schüler, aber es verschärft besonders die Nachteile für diejenigen, die aus schwierigen sozio-ökonomischen Verhältnissen kommen. Da fehlen dann Lehrer, die einem helfen und denen man sich anvertrauen kann, wenn es zu Hause keine Unterstützung gibt oder die Lernverhältnisse schwierig sind. Der Lehrermangel ist vor allem für Kinder aus schwierigen Verhältnissen ein zusätzlicher Nachteil.
Drei Wünsche fürs neue Schuljahr: So könnte Schule besser laufen
- Der Abiturient: Gestresste Lehrer sind kein gutes Vorbild für uns
- Der Junglehrer: Die Politik muss mehr Mut beim Thema Schule haben
- Die ehemalige Lehrerin: Vielen Schülern fehlt Anreiz, Leistung zu zeigen
ChatGPT hat im letzten Jahr für große Aufregung an den Schulen gesorgt. Wie gehen die Schüler mit der Künstlichen Intelligenz um?
Viele Schülerinnen und Schüler nutzen das bereits, das wird man auch nicht verhindern können. Verbote machen daher keinen Sinn. Unser Vorschlag ist, dass man Methodentage an Schulen dazu nutzen sollte, den Umgang mit ChatGPT zu üben, also wie man die KI einsetzen kann, für welche Zwecke sie sinnvoll ist, aber wichtiger ist noch, wo die Probleme dabei liegen. Wir müssen einen kritischen Umgang damit lernen.
Wird es mit der KI leichter, Hausarbeiten zu schreiben?
Wer Hausarbeiten nur mit ChatGPT verfasst, lernt ja nichts dabei. Man muss auch weiterhin lernen, um den Stoff zu durchdringen. Und zu Facharbeiten gehört es ja auch, die Quelle der Recherche anzugeben und kritisch zu hinterfragen, das kann ChatGPT nicht. Und Klausuren werden ja auch künftig in Anwesenheit geschrieben. Grundsätzlich aber kann die KI aber eine Hilfe sein, etwa beim Formulieren.
Sind die Lehrkräfte denn fit für ChatGPT?
Es gibt sehr engagierte Lehrkräfte, die aktiv damit umgehen. Andere fühlen sich schlichtweg überfordert. Es wäre wichtig, dass die Schulen dabei Unterstützung vom Ministerium bekommen und Weiterbildungen angeboten werden. Voraussetzung ist aber, dass alle Schülerinnen und Schüler einen Zugang zu dem Programm bekommen. Sonst sind am Ende wieder die Schüler die Leidtragenden.
Welche Erwartungen und Forderungen haben die Schüler mit Blick auf das kommende Schuljahr?
Zum einen: Mehr Lehrkräfte! Da muss sich möglichst schnell etwas ändern. Es darf nicht sein, dass die Lehrkräfte den Mangel auffangen und noch mehr arbeiten müssen. Viele gehen ja in Teilzeit, weil sie es in Vollzeit nicht mehr schaffen, einen guten Unterricht vorzubereiten und zu geben. Die Schulen brauchen nicht noch mehr Druck, sondern mehr Personal. Der Beruf muss attraktiv bleiben.
Ist der Lehrerberuf denn nicht mehr attraktiv?
Wenn Schüler die ganze Zeit den Eindruck haben, dass die Lehrkräfte überfordert sind und unter Druck stehen, dann sind sie ein schlechtes Vorbild. Eine Folge ist, dass selbst Schüler, die an dem Beruf vielleicht interessiert sind, nicht Lehramt studieren wollen. Und dann wird der Lehrermangel noch größer.
Und zum anderen? Was wäre Ihnen noch wichtig?
Die politische Bildung ist ein Sorgenkind an den Schulen. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen und dem Aufstieg der AfD müsste die Demokratiebildung verstärkt werden. Die SV, also die Schülervertretung muss gestärkt werden. Wir wollen mitreden und gehört werden, wir wollen mitwirken können. Dazu gehört die Befähigung zur kritischen Auseinandersetzung.
Sie haben Ihre Schulzeit beendet und wollen studieren. Was ist Ihre Bilanz?
In den letzten Jahren wurde Schule meist nur als Problemfeld behandelt. So kann es nicht weitergehen. Schulen müssen eine gute Basis für die Zukunft der Gesellschaft sein. Bildung muss für Politik endlich absolute Priorität haben.