Die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit richtet sich derzeit ganz auf die Ukraine und den Nahen Osten. Viele Konflikte mit Tausenden Toten geraten darüber aus dem Blickfeld - ob Syrien, Nigeria oder Somalia. Wir liefern nur einige Beispiele für Krisen, die nicht in Vergessenheit geraten dürfen.
Der Flugzeugabsturz in der Ostukraine und die Bodenoffensive im Gaza-Streifen halten die Welt in Atem. In anderen bewaffneten Konflikten sterben Menschen weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit. Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung zählte im vergangenen Jahr 414 Konflikte weltweit und stufte 45 davon als hochgewaltsam ein - darunter 20 Kriege. Hier nur einige Beispiele für Konflikte, über die kaum noch oder gar nicht mehr geredet wird.
IRAK: Anfang Juni begann die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) ihren Vormarsch. Mittlerweile kontrolliert sie große Landesteile im Norden und Westen. Die Extremisten sind auch deshalb so stark, weil sie sich mit sunnitischen Stämmen und Anhängern des früheren Machthabers Saddam Hussein verbündet haben. Sie eint der Hass auf die von Schiiten dominierte Regierung. Die irakische Armee ist zu schwach, um ihre Gegner zurückzuschlagen. Gleichzeitig lähmt ein Streit um die neue Regierung die Politik. Seit Ausbruch der ersten Kämpfe zwischen Armee und IS Anfang des Jahres sind rund 5600 Zivilisten ums Leben gekommen.
SYRIEN: Der Konflikt begann im März 2011 mit Protesten gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad. Mittlerweile tobt in dem Land seit drei Jahren ein blutiger Bürgerkrieg, in dem vor allem die IS-Extremisten die Oberhand gewonnen haben. Sie beherrschen mittlerweile ein Drittel der Landesfläche und haben in Syrien und im Irak ein "Islamisches Kalifat" ausgerufen. Die Terrorgruppe bekämpft nicht nur Regierungstruppen, sondern auch andere Aufständische, obwohl beide Seiten das Regime stürzen wollen. Gemäßigtere Oppositionelle werden zwar vom Westen anerkannt - sie sind aber zersplittert und deshalb zu schwach, um ihren Gegner etwas entgegenzusetzen. Im syrischen Bürgerkrieg sind Schätzungen zufolge bereits mehr als 170.000 Menschen ums Leben gekommen.
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LIBYEN: Noch mehr als der Irak leidet Libyen unter einer schwachen Zentralregierung. Nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi brachen die ohnehin schwach ausgebildeten staatlichen Strukturen völlig zusammen. Brigaden, die sich 2011 gegen Gaddafi erhoben hatten, behielten ihre Waffen und treiben heute in verschiedenen Ecken des Landes ihr Unwesen. Längst kämpfen sie für eigene Ziele. In der Stadt Bengasi geht der abtrünnige Generalmajor Chalifa Haftar seit Anfang Juni eigenmächtig gegen islamistische Gruppen vor. Die vor kurzem abgehaltenen Parlamentswahlen sollen dem Land Stabilität und eine neue Verfassung bringen.
AFGHANISTAN: Der Konflikt am Hindukusch wurde von der deutschen Öffentlichkeit lange Zeit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, weil seit fast 13 Jahren Bundeswehrsoldaten beteiligt sind. Das Interesse nimmt aber mit dem fortschreitenden Abzug der internationalen Truppen ab. Von den einst mehr als 5000 deutschen Soldaten in Afghanistan sind nur noch rund 2400 übrig. Ihr Kampfeinsatz läuft zum Jahresende aus. Ein Ende der Gewalt in Afghanistan ist aber nicht absehbar. Bei mehreren Anschlägen und Kämpfen zwischen Sicherheitskräften und den islamistischen Taliban sind allein in den vergangenen Tagen insgesamt mehr als 70 Menschen ums Leben gekommen.
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NIGERIA: Die islamistische Terrorgruppe Boko Haram setzt ihren Kampf für einen Gottesstaat im Norden des Landes mit unverminderter Härte fort. Seit Monaten kommt es fast täglich zu Angriffen auf Dörfer, Kirchen oder Militärstellungen. Erst am Freitag hatte die Gruppe das Dorf Damboa im besonders schwer betroffenen Bundesstaat Borno attackiert und mindestens 45 Menschen getötet. Seit April haben die Extremisten außerdem mehr als 200 Mädchen in ihrer Gewalt, die sie aus einer Schule im Dorf Chibok entführten. Trotz internationaler Hilfe ist es den Behörden bisher nicht gelungen, sie zu befreien.
ZENTRALAFRIKANISCHE REPUBLIK: Auch in dem bitterarmen Land ist kein Ende der religiös motivierten Gewalt in Sicht. Vor wenigen Tagen berichtete die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch von neuen schweren Übergriffen im Konflikt zwischen muslimischen Rebellen und christlichen Bürgermilizen im Osten. Demnach wurden allein rund um den Ort Bambari zwischen dem 9. und 23. Juni mindestens 62 Menschen ermordet, die meisten durch Machetenhiebe. Das christlich geprägte Land versinkt im Chaos, seit muslimische Seleka-Rebellen im März 2013 zeitweise die Macht übernommen hatten. Fast alle der 4,6 Millionen Einwohner benötigen mittlerweile humanitäre Hilfe.
SÜDSUDAN: Wegen der anhaltenden Gewalt in dem seit 2011 unabhängigen Land droht eine humanitäre Katastrophe. Hilfsorganisationen sprachen zuletzt von einer schockierend hohen Zahl an mangelernährten Kindern. Die UN warnen bereits vor einer verheerenden Hungersnot. Trotz eines im Mai unterzeichneten Friedensabkommens zwischen Präsident Salva Kiir und seinem Widersacher Riek Machar kommt der Südsudan nicht zur Ruhe, und immer mehr Menschen fliehen ins benachbarte Äthiopien. Die blutigen Übergriffe seit mehr als sechs Monaten haben auch ethnische Hintergründe: Kiir ist ein Dinka, Machar ein Nuer. Im Dezember war ein Machtkampf zwischen den beiden Politikern eskaliert.
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MALI: Im Norden des Landes gibt es weiter Gewaltausbrüche. Kurz vor dem Beginn von Friedensgesprächen in Algerien war es in der Wüste von Nord-Mali in der vergangenen Woche zu heftigen Gefechten zwischen der Armee und Tuareg-Rebellen gekommen. Dabei starben über 35 Menschen. Einen Tag später kam ein französischer Unteroffizier in der Region Gao durch einen Selbstmordanschlag ums Leben. Die frühere Kolonialmacht Frankreich ist seit Januar 2013 in Mali im Einsatz und unterstützt afrikanische Truppen im Kampf gegen islamistische und separatistische Rebellen. Die Mission soll bald durch den Aufbau einer grenzüberschreitenden Antiterror-Truppe für Afrika ersetzt werden. Die Bundeswehr ist an einer EU-Ausbildungsmission in Mali beteiligt.
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SOMALIA: Das ostafrikanische Land gilt weiterhin als eines der unsichersten der Welt. Obwohl die gefürchtete Al-Shabaab-Miliz bereits 2011 vom Militär weitgehend aus der Hauptstadt Mogadischu vertrieben wurde, verbreitet sie dort weiter ihren blutigen Terror. Anfang Juli attackierten die Extremisten den Präsidentenpalast und töteten mehrere Sicherheitskräfte. Auch Parlamentarier und Journalisten werden immer wieder auf offener Straße ermordet. Zudem ist die Al Shabaab auch im Nachbarland Kenia aktiv, wo es vor allem in der Küstenregion zu Anschlägen kommt. Die Islamisten fordern den Abzug kenianischer Truppen aus Somalia. (dpa)