Bangui. In Zentralafrika stecken muslimische und christliche Rebellengruppen in einem Teufelskreis der Gewalt. Die Regierung scheint machtlos. Seit Dezember 2012 sind mehrere tausend Menschen bei dem Bürgerkrieg getötet worden. Fast alle der 4,6 Millionen Einwohner benötigen der UN zufolge humanitäre Hilfe.

"Wir haben getötet, gemordet, Gewalt angewendet. Doch was passiert ist, ist passiert", sagt der Anführer der muslimischen Seleka-Rebellen trotzig. Ohne Zögern gibt Abdoulaye Issène zu, dass seine Seleka Söldner aus dem Tschad, Sudan und Kongo angeheuert hat, um die Interessen der Muslime in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) zu verteidigen.

Issène, gekleidet in das traditionelle, weit geschnittene Gewand namens Boubou, sträubt sich gegen die Forderung der Vereinten Nationen, seine schätzungsweise 2700 Mann starke Truppe zu entwaffnen. Allerdings behauptet er, seit Dezember nicht mehr zu kämpfen. Es seien vielmehr Kämpfer einer anderen Seleka-Fraktion und christliche Anti-Balaka-Milizen, die für die Gräueltaten in dem von einem Bürgerkrieg zerrissenen Land verantwortlich seien.

Issène fühlt sich in seinem Haus in der Hauptstadt Bangui, das eher einem weitläufigen Dorf als einer Metropole gleicht, sicher. Der selbstbewusst auftretende Rebellenführer weiß, dass ihm weder die Regierung noch die internationale Friedenstruppe etwas anhaben kann - denn in seinem Land herrscht noch immer Chaos und Rechtlosigkeit.

Rebellen und Milizen beherrschen das Geschehen

Absurde Szenen spielen sich in Bangui ab. Im beliebten Grand Café, wo es mittags von Mitarbeitern internationaler Hilfsorganisationen wimmelt, sitzen zwei Männer gelassen auf ihren Stühlen, schlürfen Kaffee und verhandeln am Handy über das Lösegeld für fünf entführte, muslimische Kinder. Die elegant gekleideten Männer sind Milizionäre der christlichen Anti-Balaka, die gegen die Seleka kämpft. Unter ihren Jacken lugen Revolver hervor.

Vor der massiven Präsenz der UN-Friedenstruppen in der Republik fürchten sie sich nicht. Obwohl inzwischen 6500 afrikanische, 2000 französische und 700 andere europäische Soldaten der UN im Land sind, dominieren vor allem Rebellen und Milizen das Geschehen. Die Seleka-Fraktionen beherrschen vor allem den Norden und Osten, während die christliche Anti-Balaka den Raum Bangui kontrolliert.

Die Übergangsregierung ist relativ machtlos, ein Ende des Leidens in dem an Gold und Diamanten reichen Land nicht in Sicht. Bisher sind seit Dezember 2012 mehrere tausend Menschen bei dem religiös motivierten Bürgerkrieg getötet worden. Mehr als eine Million Menschen flohen oder wurden vertrieben. Fast alle der 4,6 Millionen Einwohner brauchen der UN zufolge mittlerweile humanitäre Hilfe.

Hohes Risiko trotz bewaffneter Blauhelme

Anti-Balaka-Sprecher Emotion Namsio umschreibt das Ziel der christlichen Miliz so: "Wir wollen unser Volk von Seleka befreien. Da es keine funktionierende Armee gibt, helfen wir aus." Sie werden von der UN schwerer Verbrechen gegen die Muslime im Land beschuldigt.

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Die UN-Friedenstruppen könnten zwar verhindern, dass es zu massiven Kämpfen kommt - aber nur dort, wo sie stationiert sind, wie der zuständige UN-Sonderbeauftragte Babacar Gaye zugibt. Selbst in der Hauptstadt, wo Hunderte schwer bewaffneter Blauhelme Tag und Nacht patrouillieren, gebe es ein hohes Risiko, getötet oder entführt zu werden. "Es ist kompliziert, alles wird durch die Abwesenheit eines funktionierenden Staatsapparat verschlimmert", sagt Gaye.

Rebellen der Seleka hatten im März 2013 den christlichen Präsidenten François Bozizé gestürzt und ihren Führer Michel Djotodia zum Übergangspräsidenten ernannt. Auch als Djotodia neun Monate später aufgrund internationalen Drucks der Christin Catherine Samba-Panza Platz machen musste, blieb die Sicherheitslage im Land äußerst prekär. Vor wenigen Tagen griffen Seleka-Rebellen eine Kathedrale in der Stadt Bambari im Nordosten an, töteten 22 Christen, die in der Kirche Zuflucht gesucht hatten. Unter den Opfern waren Frauen und Kinder.

Hoffnung auf Wahlen und Stabilität ist gering

Übergangspräsidentin Samba-Panza, die hochgebildete und international respektierte ehemalige Bürgermeisterin Banguis, hat seit Januar trotz westlicher Unterstützung nicht viel erreichen können. Niemand gab seine Waffen ab, eine Justiz existiert nicht mehr, Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien blieben ergebnislos. "Die Regierung hat nicht die Macht zur Kontrolle des Landes, nicht einmal Banguis", sagt der UN-Flüchtlingsbeauftragte Abdoulaye Barry. Die Regierung sei "mit einem ethnisch-religiösen Konflikt konfrontiert, der Proportionen ethnischer Säuberung erreichen könnte", warnt er.

Viele Hoffnungen richten sich nun auf die Ankunft von 12.000 UN-Soldaten, die ab September die afrikanischen Friedenstruppen ablösen sollen. Die zurzeit dort stationierten Militärs werden von westlichen Experten als ineffizient und parteilich kritisiert. Zudem soll es auf Druck der Afrikanischen Union bald offizielle Friedensgespräche geben. Hoffnungen der UN, dass sich die ZAR rasch stabilisieren lasse und es im Februar schon Wahlen geben könnte, schwinden. "Die Chancen sind gering", resümiert EU-Botschafter Jean-Pierre Reymondet-Commoy. (dpa)