Tripolis. In Libyen sind am Donnerstag die Mitglieder der verfassungsgebenden Versammlung gewählt worden. Im Osten des Landes zündeten Islamisten Sprengsätze und verhinderten so die Öffnung von fünf Wahllokalen. Insgesamt war die Zahl der Wähler wesentlich geringer als bei der Parlamentswahl von 2012.

Von der anfänglichen Begeisterung der Libyer für die Demokratie ist nicht mehr viel übrig. Bei der Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung war der Andrang am Donnerstag gering. Die Wahl wurde von Störversuchen radikaler Islamisten überschattet.

Der Vorsitzende des Kommunalrates der östlichen Stadt Derna, Awad Lairadsch, sagte, am Morgen seien fünf Wahllokale angegriffen worden. Die Explosionen hätten Sachschaden verursacht. Die Stadt gilt als Hochburg radikaler Islamisten und Terroristen. Aus einem Wahllokal in der Küstenstadt Bengasi wurden Stimmzettel gestohlen.

Auch in der Hauptstadt Tripolis bildeten sich - anders als bei der Parlamentswahl vom Juli 2012 - keine langen Warteschlangen vor den Wahllokalen. Für die Wahl hatte sich ohnehin nur etwa ein Drittel der Wahlberechtigten registrieren lassen.

Fast täglich Attentate auf Beamte und Soldaten

"Die Bürger habe irgendwie das Vertrauen in den Wahlprozess verloren. Das liegt an den schlechten Erfahrungen, die wir mit dem Parlament gemacht haben", sagte Ahmed al-Hawat, der seine Stimme im Stadtviertel Al-Andalus in Tripolis abgab. Viele Nichtwähler erklärten, das Parlament habe die Sicherheitsprobleme nicht gelöst und "nichts für die einfachen Bürger getan". Deshalb seien sie diesmal zu Hause geblieben.

Viele Libyer klagen über das selbstherrliche Gebaren der Ex-Revolutionäre, die sich nach dem Sieg über die Truppen von Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi geweigert hatten, ihre Waffen abzugeben. Erst zwei Tage vor der Wahl hatten zwei Brigaden aus der Stadt Al-Sintan gedroht, das Parlament mit Gewalt aufzulösen. In Bengasi werden fast täglich Attentate auf Beamte und Soldaten verübt.

Ringen um Termin für Neuwahlen

Um die 60 Sitze in der Versammlung, die bis Mai eine Verfassung formulieren soll, bewerben sich 649 Kandidaten. Die drei historischen Regionen - Tripolitanien, Cyrenaica und Fezzan - sind mit jeweils 20 Mitgliedern in dem Gremium vertreten. 15 Sitze sind für Frauen reserviert. Die Berber und Angehörige der Minderheit der Tebu boykottierten den Urnengang. In einigen südlichen Städten verhinderten sie die Verteilung der Stimmzettel an die Wahllokale.

Unter Gaddafi, der im Oktober 2011 von Rebellen getötet worden war, hatte Libyen keine Verfassung. Über den Verfassungsentwurf sollen die Bürger per Referendum entscheiden. Was aus dem Parlament wird, ist noch ungewiss. Um einen Termin für Neuwahlen wird derzeit gerungen. Islamistische Abgeordneten haben gefordert, das Parlament solle den Präsidenten wählen. Der liberale Block ist für eine Direktwahl. (dpa)