Moskau/Berlin. Russland Staatspräsident Wladimir Putin hat sich überraschend gegen ein Unabhängigkeitsreferendum in der Ostukraine ausgesprochen. Der Westen reagiert darauf jedoch nur verhalten positiv. Für die Separatisten hat dies offenbar keine Bedeutung. Sie beraten am Donnerstag über einen Abstimmungstermin.

Russland will die am 25. Mai geplante Präsidentenwahl in der Ukraine anerkennen, falls die Führung in Kiew zuvor ihren Militäreinsatz im Osten beendet. Die prowestliche Regierung müsse zudem einen Dialog mit ihren prorussischen Gegnern beginnen, forderte der Sprecher von Kremlchef Wladimir Putin, Dmitri Peskow.

Die Wahl sei grundsätzlich eine "Bewegung in die richtige Richtung", sagte Peskow am Donnerstag der Agentur Interfax. Darauf hatte auch Putin hingewiesen. Peskow sagte zudem, die Separatisten in der Ostukraine hätten noch nicht auf Putins Aufforderung reagiert, ihr für Sonntag geplantes Referendum über eine Abspaltung von Kiew zu verschieben.

Der Vorstoß des russischen Präsidenten Wladimir Putin ist positiv, aber auch mit Skepsis aufgenommen worden. Die USA bezeichneten Putins Aufforderung an die Separatisten, das Referendum zur Abspaltung am Sonntag zu verschieben, als "hilfreichen Schritt", verlangten aber zugleich eine "konstruktive Rolle" bei der Beruhigung der Lage.

Die moskautreuen Separatisten in den Gebieten Donezk und Lugansk wollen am Donnerstag über eine Verschiebung des Termins beraten.

Steinmeier begrüßt Putins "konstruktive Tonlage"

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) begrüßt die "konstruktive Tonlage", die der Kremlchef nach dem Treffen mit dem OSZE-Vorsitzenden Didier Burkhalter angeschlagen habe. "Die Lage ist überaus kritisch, aber noch besteht eine Chance, dass es uns mit diplomatischen Mitteln gelingt, eine weitere Eskalation der Gewalt und völligen Kontrollverlust im Osten der Ukraine zu verhindern", sagte Steinmeier am Donnerstag in Berlin. "Wir sind jetzt an einem vielleicht entscheidenden Punkt."

Vorrangig gehe es jetzt darum, die für den 25. Mai geplanten Wahlen in der Ukraine zu ermöglichen und schnellstmöglichst die Grundlagen für eine neue Verfassung zu schaffen. "Einem nationalen Dialog unter Einbindung geeigneter Repräsentanten des Ostens der Ukraine kommt dafür sehr große Bedeutung zu", sagte Steinmeier laut Mitteilung des Auswärtigen Amtes.

USA wollen mehr von Putin sehen

Die Sprecherin im US-Außenamt, Jen Psaki, sagte am Mittwoch: "Wir müssen mehr von Präsident Putin sehen, als lediglich eine Verschiebung (des Referendums) zu fordern." Als Beispiel nannte sie eine stärkere Unterstützung des demokratischen Prozesses in der Ukraine. Der stellvertretende Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, forderte, das Referendum solle nicht verschoben, sondern abgesagt werden. Es sei "ungesetzlich". Washington wünsche eine "konstruktive Rolle" der Russen bei der Deeskalierung der Lage in der Ukraine.

Jedoch relativierte der ukrainische Übergangsministerpräsident Arseni Jazenjuk Putins Vorstoß: "Dazu, dass Russland bittet, irgendein Referendum vom 11. (Mai) zu verlegen: Dazu muss man wissen, dass am 11. in der Ukraine kein Referendum geplant war." Also im übertragenen Sinn: Putins Worte seien wertlos. Für die ukrainische Regierung existierten keine Pläne für ein Referendum an diesem Tag, sagte er nach Angaben der Agentur Interfax.

Ukraine sieht in Putins Äußerung Verbesserung der Lage in der Ostukraine 

Dagegen begrüßte Pjotr Poroschenko, der als aussichtsreichster Bewerber bei der Präsidentwahl in der Ukraine gilt, die Äußerungen Putins. Er sagte dem ZDF auf die Frage nach der Lage in der Ukraine: "Sie verbessert sich nach der Erklärung von Präsident Putin in Moskau sehr. Ich glaube, das ist eine großartige Nachricht für die Stabilisierung der Situation in der Ostukraine."

Nach einem Treffen in Moskau mit OSZE-Präsident Didier Burkhalter hatte Putin eine Verschiebung des umstrittenen Unabhängigkeitsreferendums gefordert. Es müssten erst die Bedingungen dafür geschaffen werden, sagte Putin am Mittwoch. Die moskautreuen Kräfte in den Gebieten Donezk und Lugansk wollten eigentlich am Sonntag in einer Volksabstimmung über eine Abspaltung von Kiew abstimmen lassen. Am Donnerstag wollen sie nun über ihr weiteres Vorgehen entscheiden.

Putin spricht vom Truppenabzug an der Ukraine-Grenze

Bundeskanzlerin Angela Merkel will nach russischen Angaben die moskautreuen Kräfte in der Ostukraine an Gesprächen über eine Friedenslösung beteiligen. Putin sagte der Agentur Interfax zufolge, er unterstütze einen Vorschlag Merkels zu einem "Runden Tisch" aller Konfliktparteien, also auch mit den prorussischen Separatisten. Eine solche Initiative war bislang nicht bekannt. Die Regierung in Kiew lehnt Gespräche mit den "Terroristen" bisher ab.

Putin fügte nach Angaben der Agentur hinzu, es befänden sich keine russischen Truppen mehr an der ukrainischen Grenze. Die Soldaten und Ausrüstung seien auf die Truppenübungsplätze zurückgezogen worden. Die Nato kann einen russischen Truppenabzug aus dem Grenzgebiet zur Ukraine nicht bestätigen. Dafür lägen bislang keine Anzeichen vor, sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Mittwoch bei einem Besuch in Polens Hauptstadt Warschau.

Die russischen Separatisten im Osten der Ukraine, die dort zahlreiche Behördengebäude besetzt halten, wollen als eigene Volksrepubliken fortbestehen, manche streben auch den Anschluss an Russland an. Wie die USA kündigte auch die Bundesregierung an, ein Referendum nicht anzuerkennen.

Merkel befürwortet Dialog am Runden Tisch

Merkel ließ nach einem Gespräch mit Poroschenko in Berlin mitteilen, sie habe sich mit Blick auf die am 25. Mai geplante Präsidentenwahl für "Gesprächsbereitschaft und Dialogfähigkeit" ausgesprochen. "Dabei sollte die OSZE eine starke Rolle spielen", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Von Merkel ist bekannt, dass sie im Ukraine-Konflikt für einen "Dialog in Runden Tischen" ist, an dem alle friedlich agierenden Kräfte teilnehmen sollen.

Konflikt um die Ukraine

Man kann es ihnen nicht ansehen, weil sie kein Hoheitsabzeichen tragen, aber faktisch hat Russland an vielen wichtigen Punkten auf der Krim Stellung bezogen.
Man kann es ihnen nicht ansehen, weil sie kein Hoheitsabzeichen tragen, aber faktisch hat Russland an vielen wichtigen Punkten auf der Krim Stellung bezogen. © REUTERS
Auch Panzer hat Moskau postiert - wie hier im Dorf Perevalnoye nahe Simferopol.
Auch Panzer hat Moskau postiert - wie hier im Dorf Perevalnoye nahe Simferopol. © REUTERS
Durch den Einsatz der Soldaten will Russland zeigen, dass es die neue Übergangsregierung der Ukraine nicht anerkennt.
Durch den Einsatz der Soldaten will Russland zeigen, dass es die neue Übergangsregierung der Ukraine nicht anerkennt. © REUTERS
Russische Soldaten halten Wache vor einer ukrainischen Militäreinheit in Perevalnoye.
Russische Soldaten halten Wache vor einer ukrainischen Militäreinheit in Perevalnoye. © REUTERS
Eine Frau fotografiert bewaffnete Soldaten in der ukrainischen Hafenstadt Feodosiya.
Eine Frau fotografiert bewaffnete Soldaten in der ukrainischen Hafenstadt Feodosiya. © AFP
Auf der Krim begegnen sich Ukrainer und Russen mit Argwohn: Ein ukrainischer Soldat beobachtet russische Militärs.
Auf der Krim begegnen sich Ukrainer und Russen mit Argwohn: Ein ukrainischer Soldat beobachtet russische Militärs. © REUTERS
In Simferopol sind russische Soldaten zurzeit ein alltägliches Bild.
In Simferopol sind russische Soldaten zurzeit ein alltägliches Bild. © REUTERS
Selbst die ganz Kleinen zeigen Flagge: In Simferopol trägt ein Junge eine Schleife in den Farben der russischen Flagge. Im Hintergrund sieht man einen ausgestellten T-34-Panzer.
Selbst die ganz Kleinen zeigen Flagge: In Simferopol trägt ein Junge eine Schleife in den Farben der russischen Flagge. Im Hintergrund sieht man einen ausgestellten T-34-Panzer. © AFP
Russische Marinemanöver im Schwarzen Meer als Drohgebärde.
Russische Marinemanöver im Schwarzen Meer als Drohgebärde. © dpa
Fotos vor Militärpanorama: Im Hafen von Sevastopol sieht man die Schiffe der russischen Marine.
Fotos vor Militärpanorama: Im Hafen von Sevastopol sieht man die Schiffe der russischen Marine. © dpa
Russland zeigt Zähne: Ein bewaffneter Mann steht in der Nähe der ukrainischen Militärbasis in Simferopol.
Russland zeigt Zähne: Ein bewaffneter Mann steht in der Nähe der ukrainischen Militärbasis in Simferopol. © Reuters
Mit kirchlichem Beistand blockieren Soldaten den Eingang eines ukrainischen Grenzpostens.
Mit kirchlichem Beistand blockieren Soldaten den Eingang eines ukrainischen Grenzpostens. © AFP
Rund 1000 Soldaten versammelten sich am Wochenende vor dem ukrainischen Grenzposten.
Rund 1000 Soldaten versammelten sich am Wochenende vor dem ukrainischen Grenzposten. © AFP
Moskau betont, mit dem Militär vor Ort wolle man die Interessen der russischsprechenden Minderheit auf der Krim verteidigen.
Moskau betont, mit dem Militär vor Ort wolle man die Interessen der russischsprechenden Minderheit auf der Krim verteidigen. © dpa
Selbstverteidigungseinheiten haben in Simferopol Stellung bezogen.
Selbstverteidigungseinheiten haben in Simferopol Stellung bezogen. © Reuters
Die prorussischen Milizen machen mit ihren blau-weiß-roten Schildern deutlich, dass die Krim russischer werden soll.
Die prorussischen Milizen machen mit ihren blau-weiß-roten Schildern deutlich, dass die Krim russischer werden soll. © REUTERS
Als das russische Parlament am Sonntag den Militäreinsatz genehmigte, demonstrierten viele Ukrainer dagegen auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew.
Als das russische Parlament am Sonntag den Militäreinsatz genehmigte, demonstrierten viele Ukrainer dagegen auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew. © AFP
Während der Demonstration hält ein Mann ein Schild hoch, auf dem Wladimir Putin und Viktor Janukowitsch neben Adolf Hitler zu sehen sind.
Während der Demonstration hält ein Mann ein Schild hoch, auf dem Wladimir Putin und Viktor Janukowitsch neben Adolf Hitler zu sehen sind. © AFP
"Verschwinde, Putin!" ist die Botschaft einer ukrainischen Frau bei derselben Demonstration. © dpa
In Donezk stellen Demonstranten eine russische Flagge auf.
In Donezk stellen Demonstranten eine russische Flagge auf. © dpa
In Odessa versammeln sich Menschen zu einer Anti-Kriegs-Demonstration.
In Odessa versammeln sich Menschen zu einer Anti-Kriegs-Demonstration. © AFP
Nicht nur in der Ukraine gibt es Demonstrationen. Auch in New York gehen die Leute auf die Straße, um gegen Russland zu protestieren.
Nicht nur in der Ukraine gibt es Demonstrationen. Auch in New York gehen die Leute auf die Straße, um gegen Russland zu protestieren. © AFP
Vor dem russischen Konsulat in Almaty zeigen Menschen ihre Solidarität mit der Ukraine. Ebenso wie in ...
Vor dem russischen Konsulat in Almaty zeigen Menschen ihre Solidarität mit der Ukraine. Ebenso wie in ... © REUTERS
... Warschau. Polnische Demonstranten halten Schilder hoch mit der Aufschrift
... Warschau. Polnische Demonstranten halten Schilder hoch mit der Aufschrift "Die Krim ist ukrainisch". © REUTERS
"Wir sind jetzt alle Ukrainer" - auch in Lettlands Hauptstadt Riga fühlt man mit den Ukrainern. © dpa
Gleiches gilt für die Menschen in Georgien. Auch in Tiflis gingen sie auf die Straße, um gegen Russland zu demonstrieren.
Gleiches gilt für die Menschen in Georgien. Auch in Tiflis gingen sie auf die Straße, um gegen Russland zu demonstrieren. © AFP
Türken, die ihre Wurzeln auf der Krim haben, protestieren mit Bannern. Ein Junge hält ein Schild, auf dem steht
Türken, die ihre Wurzeln auf der Krim haben, protestieren mit Bannern. Ein Junge hält ein Schild, auf dem steht "Wir sind keine Handvoll Menschen, sondern eine vereinte Nation!". © AFP
In St. Petersburg tragen Polizisten einen Demonstranten fort.
In St. Petersburg tragen Polizisten einen Demonstranten fort. © dpa
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In der Ostukraine kommt es seit Tagen zu heftigen Kämpfen mit zahlreichen Toten, viele sprechen von bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Regierungstruppen gehen gegen prorussische Kräfte vor - und setzten ihre "Anti-Terror-Operation" auch am Mittwoch fort.