Brüssel. . Der Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen gilt als „Falke“. Er sieht Russland als Bedrohung und rät dem Westen, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Plötzlich ist, nach Jahren der Diskussion um Abrüstungsverhandlungen, von Aufrüsten die Rede. In Berlin kommt dieser harte Ton nicht gut an.
Für die Nato wie für den Westen insgesamt ist es eine unerfreuliche Entwicklung. Der vermeintliche „strategische Partner“ Russland entpuppt sich unter der Führung von Wladimir Putin wieder als aggressiver Rivale und potenzieller Feind.
Für den Top-Bediensteten des westlichen Verteidigungsbündnisses hat die Verdüsterung der geostrategischen Landschaft infolge der Ukraine-Krise indes auch eine befriedigende Seite: Anders Fogh Rasmussen, der scheidende Nato-Generalsekretär, hat es schon lange gewusst und gesagt: Die Allianz muss die Landesverteidigung ernster, und vor allem dafür mehr Geld in die Hand nehmen.
Der „General“ aus Dänemark ist schneidig, barsch und herrisch
Die Deutschen sehen das schneidige Auftreten des Dänen Rasmussen mit gemischten Gefühlen. Nicht, dass man seine Linie für rundheraus falsch hielte. In der Sache gibt es in der Brüsseler Nato-Zentrale keinen deutschen Widerspruch zu den Hauptpunkten der fälligen Neujustierung gegenüber Putins Russland: Die Verbündeten an der Ostflanke brauchen Rückenstärkung.
Die Allianz muss daher – dem eigenen Lager zur Vergewisserung, jedem Widersacher zur Abschreckung – zeigen, dass sie auch im Baltikum oder in Polen für jeden Eventualfall gerüstet ist. Sie muss sich überdies darauf besinnen, dass die kollektive Verteidigung des Bündnisgebiets oberster Nato-Auftrag bleibt. Woraus wiederum folgt, dass in Zeiten knapper Kassen der Wert des Bündnisses vor allem darin liegt, militärische und strategische Anstrengungen zu bündeln und so mehr Verteidigung für weniger Geld auf die Beine stellen zu können.
Aggressive Tonlage
Wie gesagt: All das ist auch aus Berliner Sicht unstrittig. Doch Rasmussens Tonlage scheint den Deutschen übertrieben aggressiv. „Dass der sich so weit aus dem Fenster lehnt“, falle unangenehm auf, berichtet ein Nato-Insider. Wobei der Unmut leiser wird – Putins stures und uneinsichtiges Vorgehen in der Ukraine-Krise macht den Vertretern einer diplomatisch-flexibleren Linie das Argumentieren zunehmend schwer. Die Falken haben Aufwind.
Rasmussen, der nach dem Nato-Gipfel im Herbst sein Amt an den Norweger Jens Stoltenberg abgibt, hat mit den herben Tönen aus Moskau keine Schwierigkeiten. Im Gegenteil: „Das ist Musik in seinen Ohren“, meint Brooks Tigner, Brüsseler Experte des britische Fach-Magazins Jane’s Defence. „Er hat es schon immer gesagt: Ihr müsst mehr ausgeben! Seine Vorgänger haben das auch gesagt – jetzt gibt es die handfeste Begründung.“
Vorfreude über sein Dienstende
Beim Vorzeigen der klaren Kante fühlt sich der frühere dänische Premier sichtlich wohl. Nach deutscher Lesart ist die Nato als Organisation in der Ukraine-Krise nur „drittzuständig“ (nach den Mitgliedstaaten des Bündnisses und der EU). Rasmussen hingegen versteht sich prinzipiell als Mann der ersten Reihe.
Dass er nach den Gepflogenheiten der Nordatlantischen Allianz mehr „Sekretär“ als „General“ ist, hat er nie wirklich akzeptiert. In der Nato-Zentrale im Brüsseler Vorort Evere hat er bei vielen mit seinem barschen und autoritären Stil für Vorfreude auf seinen Abgang gesorgt. Ein Falke? Jedenfalls ein unverbrüchlicher Freund der USA, meint Tigner, „eher Mitte-Rechts als Mitte – und ziemlich herrisch.“