Odessa/Moskau. . In der ukrainischen Millionenstadt Odessa haben moskautreue Aktivisten den örtlichen Sitz der Miliz gestürmt, berichteten Medien am Sonntag. Die 46 Todesopfer in Odessa bilden einen neuen Höhepunkt der Gewalt. Eine Analyse.

Eine der ersten Leichen lag unter einer blau-gelben ukrainischen Flagge auf der Schukowksi-Straße in Odessa. „Ein junger Bursche“, schreibt der ukrainische Blogger Poll Lenec. „Jemand kam dazu, er fand in der Hosentasche des Toten dessen Handy, rief seinen Vater an und sagte: „,Ihr Sohn ist erschossen worden. Kommen Sie in abholen’.“

In Odessa am Schwarzen Meer starben am Samstag bei Straßenschlachten zwischen ukrainischen Patrioten und pro-russischen Kämpfern 46 Menschen, 31 von ihnen kamen im brennenden Haus der Gewerkschaften um, in dem sich die Separatisten verschanzten. Über 200 Menschen wurden verletzt.

Blutbad in Odessa

Das Blutbad von Odessa hat zu offenen Hassausbrüchen geführt. „Mögen die Teufel in der Hölle schmoren“, schrieb Irina Faraon, Lemberger Gebietsabgeordnete der nationalistischen Freiheits-Partei auf Facebook, während die russische Zeitung „Komsomolskaja Prawda“ die Ereignisse mit der Verbrennung 149 Bewohner des weißrussischen Dorfes Chatyn durch „faschistische Ukrainer“ 1943 verglich.

Es gibt Videos und Fotos, die zeigen, wie proukrainische Aktivisten ein Baugerüst heranschleppen und aufstellen, um vom Feuer bedrohte Menschen aus dem Gewerkschaftshaus zu retten; in Russland werden sie ignoriert. Der russische Parlaments-Abgeordnete Michail Markelow forderte gestern, die gesamte „illegale Führung“ Kiews vor das Haager Menschenrechtsgericht zu stellen.

Pro-russische Aktivisten mit Sturmgewehren

Der ukrainische Interimspremier Arseni Jazenjuk dagegen erklärte, er habe die Staatsanwaltschaft angewiesen, alle „Aufrührer und Organisatoren zu ermitteln, die unter russischer Führung die tödliche Attacke gegen die Ukraine und Odessa starteten“.

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Z ahlreiche Augenzeugenberichte und Videos sprechen zumindest dafür, dass die ukrainische Behauptung der Realität näher kommt, die Separatisten, zum Teil mit Sturmgewehren bewaffnet, hätten in Odessa eine nach einem Fußballspiel geplante pro-ukrainische De­monstration attackiert. Außerdem ist offensichtlich, dass die pro-russischen Angreifer massiv von der örtlichen Einsatzpolizei unterstützt wurden.

Eduard Gurwiz, Bürgermeisterkandidat von Odessa, sagte Radio Echo Moskwy, Provokateure und Bewaffnete aus Russland und der benachbarten moldawischen Rebellenrepublik Transnistrien hätten die Gewalttätigkeiten angezettelt.

Moskauer Propaganda

Tatsächlich erinnern Bewaffnung und Aggressivität der pro-russischen Straßenkämpfer an die blutigen Attacken auf ukrainisch-patriotische Kundgebungen, die in Charkow und Donezk den Besetzungen von Rathäusern und Polizeiwachen vorausgingen. Auch dort kollaborierten die Sicherheitsorgane klammheimlich mit den Separatisten.

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Nach Ansicht vieler Beobachter gehört Odessa zu den ostukrainischen Regionen, die Russland nach Donezk und dessen Nachbarregion Lugansk unter seine Kontrolle bringen möchte. Allerdings stießen die pro-russischen Separatisten bisher nirgendwo auf so heftige Gegenwehr wie in der Schwarzmeerstadt. Maidan-Anhänger und Fußballfans schlugen sie mit einem Hagel aus Pflastersteinen und Molotowcocktails in die Flucht. Die Gewalt eskalierte auf beiden Seiten.

Bankgebäude niedergebrannt

Bisher reagierte Moskau nur propagandistisch. Obwohl der Kreml seit Monaten droht, die russischsprachige Bevölkerung mit einem militärischen Einmarsch zu schützen, scheint er weiter auf Kleinkrieg zu setzen.

In Lugansk stürmten schwerbewaffnete Separatisten ein Kreiswehrersatzamt, in Konstantinowka attackierten sie den Fernsehturm. In Mariupol wurde ein Bankgebäude niedergebrannt. Nach den Ereignissen in Odessa habe Russland jeden Einfluss auf die Rebellen in der Ukraine verloren, versicherte Wladimir Putins Pressesprecher Dmitri Peskow. „Niemand wird sie überreden können, angesichts der unmittelbaren Lebensgefahr ihre Waffen abzugeben.“

Heißt: Das Blutvergießen geht weiter.