Bochum. . Die Piratenpartei will auf dem Parteitag in Bochum das Profil für die Bundestagswahl 2013 schärfen. Partei-Chef Bernd Schlömer und der politische Geschäftsführer Johannes Ponader zelebrieren nach ihren Auseinandersetzungen demonstrative Kollegialität, die Basis diskutiert kontrovers über Wirtschaftspolitik.

Ein bisschen mea culpa kann nicht schaden. Also streut Bernd Schlömer artig Asche aufs eigene Haupt. „Auch ich habe Fehler gemacht und dafür möchte ich mich bei euch entschuldigen“, ruft der Chef der Piratenpartei in den Saal. Dann fordert er die 1800 Freibeuter auf, sich endlich am Riemen zu reißen. „Es ist an der Zeit, sich zu besinnen, dass wir gemeinsam Politik machen wollen, ohne einander zu beschimpfen.“

Ja, die Stimmung war schon einmal deutlich besser bei den Piraten als auf dem Parteitag im Bochumer Ruhr-Congress. Noch im Frühjahr segelten die Polit-Neulinge auf einer Welle des Erfolgs, die sie bis auf 13 Prozent in den Umfragen spülte. Doch seitdem bohren die Freibeuter unermüdlich Löcher in den eigenen Schiffsrumpf. Ex-)Vorstandsmitglied Julia Schramm kassierte Prügel, weil der Verlag ihres Buches „klick mich“ eine Gratiskopie im Netz sperren ließ. Bei Vize-Chef Markus Barenhoff fand die Polizei Drogen. Der politische Geschäftsführer Johannes Ponader bereicherte TV-Shows um Jesuslatschenauftritte, knutschte Moderatoren ab und wollte bei der Piratenbasis Almosen für sein Grundeinkommen sammeln lassen. Erbost keilte Schlömer Richtung Ponader, dieser möge doch mal arbeiten. Schließlich eskalierte der Streit in dem Rückzug von Schramm und Partei-Vize Matthias Schrade. Auch in den Ländern tüftelten Freibeuter an der Selbstdemontage: In NRW durch antisemitische Äußerungen und in Niedersachsen durch monatelanges Scheitern bei der Aufstellung einer Kandidatenliste für die Landtagswahl.

Schlömer und Ponader - wie öffentliche Paartherapie

Inzwischen haben zumindest Schlömer und Ponader einen Burgfrieden geschlossen. Den tragen sie am Vorabend des Parteitags beim „Vorstandsgrillen“, also dem Treffen mit der Basis, demonstrativ zur Schau. „Wir haben uns abgestimmt“, sagt Ponader. „Wir haben festgestellt, dass wir zusammen arbeiten können und wollen“, meint Schlömer und attestiert dem Spitzenduo ein „kollegiales Arbeitsverhältnis“. Es wirkt wie eine öffentliche Paartherapie, die die beiden Oberpiraten auf dem Podium zelebrieren, um die Basis zu besänftigen. Immerhin verzichten die Freibeuter auf eine Generalabrechnung. Nur einzelne Piraten attackieren die Führung direkt: „Das war Scheiße“, faucht ein Mitglied Richtung Schlömer wegen dessen Arbeitsaufforderung an Ponader.

Momentan dümpeln die Piraten bei fünf Prozent in den Umfragen und müssen um den Einzug in den Bundestag bibbern. So geht es in Bochum nicht nur um ein Signal der Geschlossenheit, sondern um „Inhalte, Inhalte, Inhalte“, wie Ponader vor wenigen Tagen forderte. Denn nach wie vor klaffen eklatante Löcher in der Programmatik. Diese wollen die Piraten in der Wirtschafts- Außen und Europa- und Energiepolitik zumindest etwas zuschütten. Rund 800 Anträge sind im Vorfeld eingegangen, von denen die Piraten mit zum Ende des Parteitags am Sonntag 129 abarbeiten wollen.

Furcht vor ellenlangen Diskussionen ohne Ergebnisse

Johannes Ponader, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei.
Johannes Ponader, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei. © Getty Images

Wie das klappen soll, ist völlig schleierhaft. Bereits zum Auftakt verhaken sich die Mitglieder stundenlang in Ergänzungen im Grundsatzprogramm zur Wirtschaftspolitik. „Lasst uns das wenigstens als Grundstock nehmen“, mahnt ein Mitglied die Delegierten aus Furcht vor ellenlangen Diskussionen ohne Ergebnisse. „Das sind keine Leitlinien, das ist Politik bis in die tiefste Ebene“, kontert eine Piratin, die zu detaillierte Vorgaben in der Wirtschaftspolitik fürchtet. Schließlich stimmen die Freibeuter Punkt für Punkt ab und stutzen den Antrag fast bis zur Unkenntlichkeit zusammen. Immerhin bekennen sie sich zur Umstellung auf alternative Energien, zu einem stärkeren Verbraucherschutz, dem gesetzlichen Mindestlohn als Brücke zum bedingungslosen Grundeinkommen und mehr betrieblicher Mitbestimmung. Die Pläne zur Steuerpolitik, zum Abbau von Subventionen und zu mehr staatlicher Regulierung fallen weg.

In einem weiteren Antrag bekennen sich die Freibeuter zu einer freiheitlichen, gerechten und nachhaltigen Wirtschaftsordnung. Zu einer detaillierten Langfassung können sie sich aber nicht durchringen. Nicht umsonst fordert Schlömer von dem Mitgliedern mehr Mut, um wirtschaftliche Grundsätze auf den Weg zu bringen. Vize-Chef Sebastian Nerz zeigt sich allen Lücken zum Trotz dennoch optimistisch: „Ich finde es gut, dass wir nun Grundsätze zur Wirtschaftspolitik auf den Weg gebracht haben“, sagt Nerz der WAZ Mediengruppe. Nun könne man daran weiter arbeiten.