Düsseldorf. Nach der Entschuldigung der Partei im Landtag für antisemitische Äußerungen im Internet folgt ein weiterer peinlicher Online-Eintrag eines nordrhein-westfälischen Abgeordneten. Im Ältestenrat wurde am Mittwoch hinter verschlossenen Türen Klartext geredet.
Kein Twitterverbot, keine Sanktionen: Die anstößigen Tweets der Piraten im Düsseldorfer Landtag bleiben erstmal folgenlos. Präsidentin Carina Gödecke (SPD) nahm für den Ältestenrat am Mittwoch die zweite, eindeutige Entschuldigung des Abgeordneten Dietmar Schulz offiziell an.
Die Piraten zeigten sich reumütig, die Zeichen standen auf Deeskalation. Doch hinter verschlossenen Sitzungstüren ging es zur Sache.
Schulz, von Beruf Jurist, hatte Gedenkveranstaltungen zur Erinnerung an die Opfer von Gewaltherrschaft auf jüdischen Friedhöfen vor dem Hintergrund israelischer Angriffe im Gazastreifen als „grotesk“ kritisiert und sich Antisemitismus-Vorwürfe eingehandelt. Mehrere Redner anderer Fraktionen warfen im Ältestenrat die Frage auf, ob die Piratenfraktion ihr Verhältnis zum Holocaust und der deutschen Verantwortung geklärt habe. Gödecke stellte hinterher klar, man werde keine „Relativierung“ zulassen.
„Mal eine Minute nachdenken, bevor man etwas schreibt“
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„Vielleicht sollte jeder mal eine Minute drüber nachdenken, bevor man etwas schreibt“, riet auch Daniel Düngel, Landtagsvizepräsident der Piraten, seinen Kollegen in der Fraktion.
Doch da hatte der Abgeordnete Hanns-Jörg Rohwedder bereits für die nächste Entgleisung gesorgt. In der Fraktions-internen Debatte über die Äußerungen von Dietmar Schulz hatte der Pirat am Dienstag laut Protokoll gesagt: „Allerdings ist das, was da die Presse und die Antifaschisten von SPD, FDP, Grüne usw. machen, eine Unverschämtheit. Sie instrumentalisieren 7 Mio. von den Nazis ermordete Juden für eine Kampagne gegen uns, das ist schäbig.“
Angriff von Lindner
Peinliche Twitter-Einträge der Piratin Birgit Rydlewski über ermüdende und langweilige Landtags-Sitzungen hatten gestern ebenfalls ein Nachspiel. Ohnehin sind die anderen Fraktionen schlecht zu sprechen auf die Parlamentsneulinge; die hatten öffentlich beklagt, dass die Fraktionsreihen allzu oft nur spärlich besetzt seien.
„Die Piraten sind nicht der Aufsichtsrat des Landtags“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Marc Herter dieser Zeitung, „sie erzeugen ein Bild des Parlamentarismus, das schief ist.“
Frage der politischen Reife
In der Sache ähnlich, aber härter im Ton griff FDP-Fraktionschef Christian Lindner die Piraten an. „Sie surfen auf einer Welle der Politikverdrossenheit, bedienen aber schlimme Rollen von Politikern, die sich nur mit sich selbst beschäftigen“, schimpfte er. Das sei „nicht der Grad der politischen Reife, um als Demokratie-Erzieher aufzutreten“. Vergleichsweise präsidial verlangte Gödecke, das Ansehen des Parlaments dürfe nicht beschädigt werden.
Ob das gelingt, erscheint allerdings fraglich. Denn das Vertrauen in getroffene Absprachen und „Verlässlichkeit“ der 20 Piraten ist nicht groß. Vor allem Fraktionschef Joachim Paul wird immer offener aus den anderen Fraktionen vorgeworfen, er lasse die Dinge treiben.
Lob von den Grünen für eine, die Ordnung in den Laden bringen will
„Zurzeit ist die Geschäftsführerin die einzige, die versucht, Ordnung in den Laden zu bringen“, lobt Sigrid Beer, die bei den Grünen die Fraktionsgeschäfte führt, demonstrativ ihre Kollegin Monika Pieper. Die Piratin hatte kürzlich in einem Internet-Beitrag sinngemäß geschrieben, wenn ihre Fraktion keine Führung akzeptieren wolle, könne sie sich auch auflösen.
So weit ist es aber noch nicht. Zunächst geht es heute im Innenausschuss des Landtags um Markus Barenhoff, den stellvertretenden Parteichef der Bundes-Piraten. In seiner Münsteraner Wohnung hatte die Polizei Mitte Oktober bei einer Durchsuchung zwei Gramm Marihuana und neun Cannabis-Pflanzen beschlagnahmt.
Jetzt will die Landtagsfraktion wissen, wie die „Bagatelle“ des „kiffenden Piraten“ („Spiegel“) Eingang finden konnte in den vertraulichen Lagebericht des Bundesinnenministers.
Fortsetzung folgt.