Hempstead/Long Island. Die zweite Fernseh-Debatte zwischen US-Präsident Barack Obama und Herausforderer Mitt Romney ist nach ersten Umfragen mit einem klarem Sieg des Amtsinhabers geendet. Obama zeigte sich angriffslustig und schlagfertig, Romney dagegen oft ungehalten und arrogant.
Mit dem Rücken zur Wand hat sich US-Präsident Barack Obama am Dienstagabend in der zweiten Fernseh-Debatte im Wettstreit um das Weiße Haus voller Angriffslust und Schlagfertigkeit gegen seinen Herausforderer Mitt Romney aus dem Tief gekämpft.
In ersten Umfragen erhielt der Amtsinhaber bessere Noten als sein Kontrahent von den Republikanern. Vor allem bei den so genannten „independents“, den Wechselwählern, die bei der Wahl am 6. November den Ausschlag geben dürften, hat er gepunktet: 46 Prozent sahen ausweislich einer Blitzumfrage des Kabelsenders CNN in ihm den Gewinner, 39 Prozent hielten Romney für besser.
Viele hätten Obama nicht so stark erwartet
Bemerkenswert: Über 70 Prozent der Befragten sagten, sie hätten Obama keinesfalls so stark erwartet. Die Premiere vor zwei Wochen in Denver hatte Romney noch für sich entschieden. Dem dritten und letzten Aufeinandertreffen am nächsten Montag in Boca Raton/Florida kommt damit entscheidende Bedeutung zu. Dann geht es ausschließlich um Außenpolitik - Obamas Domäne.
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Experten hatten Obama vor dem an der Hofstra Universität in Hempstead im Bundesstaat New York ausgetragenen Rededuell in der Zwickmühle gesehen. Einerseits wurde der Amtsinhaber gedrängt, deutlich aktiver und leidenschaftlicher gegen seinen Herausforderer vorzugehen. Andererseits galt das diesmal gewählte „Townhall-Format“, bei dem 80 handverlesene, noch unentschiedene Wahlberechtigte vorsortierte Fragen an die Kandidaten stellen durften, unter Wahlkampf-Strategen als ungeeignet, um allzu bissige Atttacken gegen den ehemaligen Gouverneur von Massachusetts zu reiten. Obama tat es trotzdem. Und zwar von der ersten Minute an.
Mitt Romney war in der zu einem Fernsehstudio mit Livepublikum umgebauten Turnhalle der Universität auf Long Island noch gar nicht richtig in Redefluss gekommen, da hatte Obama ihm - es ging um die Energieförderung im eigenen Land - zum ersten Mal die „reine Unwahrheit unterstellt“. „Obamas roter Faden war diesmal stark und fest“, bilanzierte nach 90 Minuten ein weder den Demokraten noch den Republikanern verpflichteter Lobbyist, „lege die Widersprüche deines Gegner frei, zeige allen, wie geschmeidig sich Mitt Romney in seinen Überzeugungen an die jeweiligen Erfordernisse angepasst hat.“
Obama gegen Romney
Romney wirft Obama-Regierung Verschleierung in Libyen-Frage vor
Beispiel China. Romney rühmt sich seit Monaten, China auf dem Parkett der Welthandelsorganisation als „Währungs-Manipulator“, „Patente-Abstauber“ und „Arbeitsplatzräuber“ anzuschwärzen. Obama konterte kühl, dass Romney privat Geld in chinesische Firmen gesteckt habe und daher allenfalls bellen, aber nie beißen werde. „Sie sind der Letzte, der hart gegen China auftreten wird“, sagte Obama.
Auch in der innenpolitisch heftig debattierten Libyen-Frage, die ein Bürger aufbrachte, ließ sich der Amtsinhaber den Schneid nicht abkaufen. Romney hielt der Obama-Regierung vor, verschleiert zu haben, dass es sich bei den tödlichen Angriffen auf das US-Konsulat in Bengasi am 11. September um einen Terroranschlag gehandelt hätte. Dabei verhaspelte sich Romney und verbog die Tatsachen. Obama, sonst meist gelassen lächelnd auf dem roten Teppich der Studio-Arena unterwegs, wurde scharf und kurz angebunden. „Die Andeutung, dass jemand in meinem Team irreführend gehandelt hat, als wir vier unserer Landsleute verloren haben, ist eine Beleidigung.“ Als Romney nachsetzte, beschied Obama ihn mit: „Lesen Sie die Redeprotokolle.“ Moderatorin Candy Crowley pflichtete Obama bei. Ein Raunen ging durch den Saal. Romney wirkte ab diesem Moment verunsichert. „Wie konnte er das nur vermasseln?“, twitterte die bekannte republikanische Propagandistin Laura Ingraham.
Mitt Romney wirkte im TV-Duell unentspannt, feindselig und arrogant
Romney präsentierte sich in den gesamten neunzig Minuten erneut als radikaler Marktwirtschafter und nutzte jede Gelegenheit, um Obama als staatsgläubigen Interventionisten zu brandmarken, der jedes Problem mit Steuererhöhungen, noch mehr öffentlichem Geld und noch tieferen Eingriffen von Behörden lösen wolle. Anders als am 3. Oktober im Denver wirkte Romney jedoch unentspannt, teilweise feindselig und arrogant. Das Saal-Publikum stöhnte hörbar verärgert auf, als der Kandidat herablassend den Präsidenten in den Senkel stellte: „Sie sind gleich dran, jetzt rede ich.“ Candy Crowley, die erfahrene Nachrichtenfrau von CNN, dagegen wurde mit unübersehbarem Schmunzeln unterstützt, als sie Romneys dauerndes Drängeln und Nörgeln kurz so beschied: „So läuft das hier nicht.“
Obama bastelte weiter an Romneys Image (durch die Demokraten-Brille betrachtet...) als untauglichem Erbfolger des Kriegs- und Schulden-Präsidenten George W. Bush, der die gewaltige Finanzmisere angerichtet hat, an der Amerika trotz guter Fortschritte immer noch laboriert. Auf die Frage einer Bürgerin, was ihn von Bush unterscheide, ging Romney auf Total-Distanz zu dem Texaner, der bis 2008 das Weiße Haus führte. Bush habe wahrlich die „schreckliche Verschuldung“ zu verantworten, sagte Romney. Ein Angriff aufs eigene Camp, der Romney noch wehtun könnte, vermuten Lobbyisten, denn der Bush-Clan wird unter konservativen Republikanern noch immer verehrt. Romney warf Obama durch die Bank Totalversagen in den den Feldern Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Finanzen vor. Anstatt die Staatsschulden zu halbieren, habe Obama das Defizit verdoppelt. Amerika sei auf dem „Weg Richtung Griechenland“.
Obama zeigte sich „beschlagener und fokussierter“ als sein Herausforderer
Augenkontakt, Zuwendung, Eingehen auf die gestellten Fragen, präzise und doch verdaubare Antworten liefern: In fast jedem Punkt - von Arztkosten und Klimaschutz über Frauen und Gleichberechtigung bis Waffenbesitz – zeigte sich Obama „beschlagener und fokussierter“ als der Herausforderer, war das Urteil von Hofstra-Politikprofessor Larry Levi. Und sein gutes Verhältnis zum Publikum im Saal übertrug sich laut Meinungsforschern, die der Debatte minütlich den Puls fühlten, ziemlich schnell auf die geschätzt 65 Millionen Fernsehzuschauer.
Obama hielt seine Schlagfertigkeit fast ohne Schwächeperioden durch. Beste Szene: Auf die inquisitorische Frage Romneys, ob er mal in seine Rücklagen für Alter geschaut hat in den vergangenen Jahren, ließ der Präsident zur Erheiterung vieler im Saal den Multi-Millionär eiskalt abblitzen: "Sie sind sicher nicht so dick wie Ihre. Das ist mal klar.“
Blogger bescheinigt Romney etwas „unangenehm Rumpelstilzchenhaftes“
Für Obama war der beeindruckende Campus in Hempstead, etwa eine Stunde Fahrzeit von Manhattan entfernt, keine neue Adresse. Bereits vor vier Jahren kreuzte er hier mit Romney-Vorgänger John McCain die Klingen. Obamas Taktik damals: den Gegner kommen lassen, ihm nicht ins Messer laufen und den Vietnam-Veteranen als untauglichen Kandidaten dastehen lassen. Eine Strategie, die seinerzeit gelang. Obama ließ sich nicht provozieren und erläuterte prägnant seine Politik. McCain wirkte dagegen wie ein überforderter Wutbürger bei einer Kleingärtnerversammlung. Auch Romney hatte nach Ansicht eines Newsweek-Bloggers am Dienstag etwas „unangenehm Rumpelstilzchenhaftes“ an sich.
Mit Spannung werden die Wahl-Kampagnen beider Lager nun die anstehenden Tiefen-Umfragen in den so genannten Swing-States beobachten, in der Wechselwähler am Ende den Ausschlag geben könnten. Vor dem ersten Wortgefecht in Hempstead versprach der Mittelwert aller seriösen Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Werten um die 46 bis 48 Prozent für beide Seiten. Romney war in einigen Umfragen sogar deutlich im Vorteil. „Dieses Bild hat der Präsident heute nachhaltig korrigiert“, sagte sein Berater David Axelrod zufrieden und erleichtert.