In den USA gibt bei der Präsidentenkür die gefühlte Persönlichkeit den Ausschlag, nicht die Richtigkeit und Überzeugungskraft der Konzepte der Kandidaten. Leider. Wie sich einer im Gladiatorenkampf der TV-Debatten schlägt, ist darum wichtig. Mag der Schönheitswettbewerb, der die Dinge in der Sache fast zwangsläufig verunklart, aus europäischer Sicht mitunter bizarr wirken. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, ist Denver für Barack Obama in die Hose gegangen.
Erstklassiger Verstand reicht nicht, wenn die Reflexe zweitklassig ausfallen und Gestik wie Mimik Verzagtheit bis Unlust verströmen. Der Commander-in-Chief wollte seinen Widersacher präsidial auflaufen lassen. Er hat zu spät gemerkt, dass sich ein Angstbeißer am Hosenbein nicht mit links abschütteln lässt. Romney hatte Angst vor dem politischen Frühtod im Rennen um das Weiße Haus. Obamas Taktik, den Multimillionär nur als netten Vertreter einer gescheiterten Denkschule erscheinen zu lassen, hat sich nicht bewährt. Romney ist nicht nett. Er will Amerika „entkernen“. Man nehme nur seine auf Video festgehaltene Sozialschmarotzer-Suada gegen mindestens 47 Prozent der Bevölkerung. Warum Obama den wahren Romney nicht dezent demaskiert hat? Rätselhaft.
Mitt Romney hat die Chance genutzt, die er unbedingt nutzen musste. Aber das war’s dann auch schon. Wer die Reformer-Rhetorik des Ex-Managers unters Mikroskop legt, bei dem verfliegt die Euphorie schnell. Seine biegsame Politik wird den Geruch einer verborgenen Agenda nicht los. Seine Ankündigungen in punkto Steuern, Staatsausgaben und Sanierung der Sozialsysteme sind mit den Grundrechenarten nicht in Einklang zu bringen. Von sozialer Ausgewogenheit ganz zu schweigen.
Wie viele Republikaner vor ihm setzt Romney auf die Furcht der Bürger vor der Zentralregierung, dem „Big State“. Am Ende haben sie alle, von Reagan bis Bush, die Steuern erhöht, das Staatsdefizit vergrößert und die Mittelklasse gepiesackt. Obama wird seinen Herausforderer beim nächsten Mal daran erinnern. Noch ist Zeit genug. Die Wahl ist weiter offen.