Charlotte. Präsident Barack Obama verspricht auf dem Parteitag der Demokraten in Charlotte/North Carolina konkrete und erreichbare Verbesserungen bei Bildung, Energie, Arbeit und Schuldenabbau in der nächsten Amtsperiode. „Der Weg wird nicht leicht, aber er führt uns am Ende zu einem besseren Platz.“

Weniger hehre Visionen, dafür dicke Bretter im politischen Alltag bohren und überschaubare Ziele anstreben: US-Präsident Barack Obama hat das amerikanische Volk gestern in einer betont bescheideneren Tonlage um mehr Geduld zur Bewältigung der 2008 von den Republikanern hinterlassenen Wirtschafts- und Finanzkrise gebeten.

„Der Weg, den wir anbieten wird nicht leicht, aber er führt uns am Ende zu einem besseren Ort“, sagt Obama in seiner mit Spannung erwarteten Abschlussrede in Charlotte/North Carolina, mit der er offiziell die Nominierung der demokratischen Partei für eine erneute Kandidatur um das Weiße Haus annahm.

Vor 25 000 Delegierten, Gästen und Medienvertretern stellte der 51-Jährige bis 5 Uhr mitteleuropäischer Zeit eine Reihe konkreter politischer Versprechen vor, die er im Falle eines Sieges am 6. November in einer zweiten und letzten Amtsperiode für einlösbar hält. Sie setzen sich bewusst ab von weitaus ambitionierteren Zahlen des republikanischen Herausforderers Mitt Romney. Der hatte vorher angekündigt, sich die Rede des Amtsinhabers nicht anzutun.

Die politischen Versprechen Obamas

Arbeit: Nach Obamas Vorstellungen sollen bis 2016 eine Million zusätzliche Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe entstehen. Die Export-Quote für amerikanische Güter soll bereits Ende 2014 verdoppelt werden.

Energie: Im Energiebereich stellt Obama in Aussicht, die Öl-Importe aus dem Ausland bis 2020 zu halbieren und bis 2010 rund 600 000 neue Arbeitsplätze in der boomenden Erdgas-Förderung aus Schiefergestein („Fracking“) zu schaffen.

Bildung: Die Studiengebühren für den College-Besuch sollen binnen eines Jahrzehnts halbiert werden. Um Defizite im internationalen Vergleich zu beheben, sollen bis 2012 zusätzlich 100 000 Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften eingestellt werden. An staatlichen Colleges will Obama zwei Millionen Arbeitnehmer für gesuchte Berufe in der Industrie qualifizieren lassen.

Finanzen: Das derzeit bei 16 000 Milliarden Dollar liegende Staats-Defizit soll während des kommenden Jahrzehnts um 4000 Milliarden gesenkt werden. Geld, dass durch die Beendigung der Kriege im Irak und in Afghanistan frei wird, soll in den Ausbau der nationalen Infrastruktur investiert werden.

Obama wirft Romney vor, mit falschen Karten zu spielen

Obama bezeichnete mit Blick auf seinen für Sozialabbau und Steuersenkungen für Reiche plädierenden Herausforderer Mitt Romney die kommende Wahl im November als Wegscheide zwischen „zwei fundamental unterschiedlichen Visionen für die Zukunft“ des Landes. Die Republikaner wollten auf dem Rücken der Mittelschicht die oberen Zehntausend gegen alle Vernunft mit Steuergeschenken bedienen und die Krankenversicherung zu einem privat finanzierten Glücksspiel umbauen. Diesem „Weg zurück“ werde er sich „niemals fügen“. Obama warf seinem Herausforderer Mitt Romney vor, mit falschen Karten zu spielen. „Sie wollen eure Stimmen. Aber ihre Pläne legen sie nicht offen.“

Anders als die Republikaner skizzierte Obama ein Amerika, in dem „Bürgersinn“ und „Solidarität“ keine Fremdwörter seien dürften. Bewusst lieh er sich bei John F. Kennedy einen Leitspruch aus und wandelte in um: „Amerika - das bedeutet nicht, was kann das Land für uns tun, sondern: Was können wir in diesem Land tun.“

Was den Zeitrahmen der gesellschaftlichen Groß-Reparatur angeht, gab der Präsident diesmal bescheidenere Ziele vor: „Ich werde nicht so tun, als wäre der Weg, den ich anbiete, schnell oder einfach. Die Wahrheit ist, es wird mehr als ein paar Jahre brauchen, um den Herausforderungen gerecht zu werden, die sich über Jahrzehnte aufgebaut haben.“ Aber: „Wir können es gemeinsam schaffen.“

Führungsqualitäten und diplomatisches Geschick

Barack Obama im Kreise seiner Familie auf dem Parteitag der Demokraten in Charlotte.
Barack Obama im Kreise seiner Familie auf dem Parteitag der Demokraten in Charlotte. © Reuters

In seiner Rede nahm Obama Anleihen bei Präsident Franklin Delano Roosevelt, der zur Zeit der Großen Depression der 1930er Jahre die Krise mit einer unter dem Slogan „New Deal“ bekannten Reformpolitik bekämpfte. „FDR“, ebenfalls ein Demokrat, setzte gewaltige Staatsinterventionen und die Sozial- und Arbeitslosenversicherung durch.

Obama sagte, die heutige Situation erfordere „gemeinsame Anstrengungen“, „geteilte Verantwortung“ und „die gleiche Art stolzer, verwegener und beharrlicher Experimente“ wie damals. Um dem Vorwurf der Staatsgläubigkeit zu begegnen, riet Obama seinen Parteifreunden jedoch sich daran zu erinnern, „dass nicht jedes Problem mit einem staatlichen Hilfsprogramm geheilt und aus Washington gelöst werden kann.“

Obama kritisiert Romneys Haltung gegenüber Russland

Im Ton getragener, weniger selbstverliebt und von vier Jahren harter Blockade- und Realpolitik geprägt, machte Obama in zwei Aspekten einen deutlichen Unterschied zu Romney klar, dem er außenpolitisch jede Kompetenz abspricht. Obama beansprucht für sich - Siehe Osama Bin Laden, Siehe Truppenabzug Irak/Afghanistan – Führungsqualitäten und diplomatisches Geschick in einer sich stetig wandelnden Welt unter Beweis gestellt zu haben.

Romney dagegen bringe es nicht mal fertig, eine vergleichsweise harmlose Europa-Visite (gemeint waren die Olympischen Spiele in London) zu absolvieren, ohne eine „engen Verbündeten zu beleidigen“. Romneys Haltung gegenüber Russland, das er als Amerikas geopolitischen Feind Nr. 1 bezeichnet hatte, belege, dass der Republikaner „mental in den Kategorien des Kalten Krieges feststeckt“.

Scarlett Johansson und Eva Longoria bringen Glamour 

Vor Obama hatten bekannte Künstler wie der Sänger James Taylor, die Rockband Foo Fighters , die R&B-Queen Mary J. Blidge und die Hollywood-Schauspielerinnen Scarlett Johansson und Eva Longoria („Desperate Housewives“) eine Lanze für den Präsidenten gebrochen und teils leidenschaftlich dazu aufgerufen, das Land vor einem Rückfall zu bewahren. Longoria sagte, die Republikaner wollten für Reiche - wie sie selbst - die Steuern senken, während Mittelschichtsfamilien zusätzlich belastet würden. „Die Schauspielerin Eva Longoria hat das nicht nötig.“

Hollywood-Star Scarlett Johansson sprach auf dem Parteitag der Demokraten für Präsident Barack Obama.
Hollywood-Star Scarlett Johansson sprach auf dem Parteitag der Demokraten für Präsident Barack Obama. © Reuters

Vize-Präsident Joe Biden, als Redner wegen seiner Impulsivität oft unberechenbar, hielt sein emotionales Plädoyer auf den viel jüngeren Obama über weitere Strecken mit leiser, eindringlicher Stimme. Obama, sagte er, habe es unter schwierigsten Umständen geschafft, Amerika wieder auf den richtigen Kurs zu bringen. 4,5 Millionen Arbeitsplätze in 29 Monaten – die Bilanz lasse sich gemessen an der von George W. Bush hinterlassenen Trümmerlandschaft durchaus sehen. „Zusammen befinden wir uns auf einer Mission, dieses Land vorwärts zu bewegen“, sagte Biden, „ich garantiere, dass wir diese Mission erfüllen werden.“

Kerry ging Romney mehrfach frontal an

Der als künftiger Außenminister in der Nachfolge von Hillary Clinton gehandelte ehemalige Präsidentschafts-Kandidat vom 2004, John Kerry, ging Herausforderer Romney mehrfach frontal an und zeichnete dessen rasante Meinungswechsel etwa in der Irak-, Afghanistan und Libyen-Frage nach. In allen Fällen war Romney für und gegen den Truppen-Abzug, für und gegen einen militärische Intervention. „Mr. Romney“, rief Kerry unter dem Jubel der Delegierten, „bevor Sie sich demnächst in eine Fernsehdebatte mit dem Präsidenten begeben, beenden Sie erst einmal die Debatte mit sich selbst.“

Weil Romney wie auch seinem Vize-Kandidaten Paul Ryan außenpolitisches Urteilsvermögen fehle, so Kerry, sei im Falle ihrer Wahl mit einer Verschlechterung der Beziehungen zu Russland zu rechnen. Obama dagegen stehe für einen Kurs, der das einst ramponierte Ansehen Amerikas in der Welt nach und nach wieder in Ordnung bringe.

Obama-Euphorie in den USA ist verflogen 

Der dreitägige Parteitag der Demokraten in North Carolina spielte sich vor dem Hintergrund einer für Obama unvorteilhaften Gesamtsituation ab. Die Euphorie, die seine Wahl 2008 auslöste, ist weitgehend verflogen. Die Zustimmungsraten des Amtsinhabers liegen seit Monaten konstant unter 50 %. Vor allem die hohe Arbeitslosigkeit von im Schnitt 8,3 % (heute früh komme die aktuellen Zahlen für August) und die nur im Schneckentempo aufholende Wirtschaft liegt Millionen Amerikanern bei massiv steigenden Verbraucherpreisen (Benzin etc.) schwer im Magen.

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Obama hatte von seinem Vorgänger George W. Bush die größte Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg geerbt. In seiner Amtszeit steuerte Obama mit einem 800 Milliarden Dollar umfassenden Konjunkturprogramm dagegen, bewahrte die Autoindustrie vor dem Totalschaden und setzte beispiellose Reformen im Gesundheits- und Finanzwesen durch. Er machte zudem dem Krieg im Irak ein Ende und leitete den Truppen-Abzug aus Afghanistan ein. Durch die von ihm autorisierte Tötung von Osama Bin Laden brachte er dem Terror-Netzwerk El Kaida eine substanzielle Niederlage bei.

Wetter stoppt Auftritt im Football-Stadion

Die Abschlussrede Obamas musste kurzfristig wetterbedingt von einem nicht überdachten Football-Stadion, in dem zunächst 65 000 Gäste erwartet wurden, in die Parteitagshalle „Time Warner Cable Arena“ (Fassungsvermögen: maximal 25 000) verlegt werden. Viele Besucher reagierten enttäuscht. Vor allem viele ehrenamtliche Helfer, die zu Hunderten die Parteitagsleitung seit Wochen unterstützt hatten und Eintrittskarten für das Football-Stadion erhielten, gingen leer aus. Obama selbst versucht bereits am Nachmittag die Wogen zu glätten. „Ich weiß, das ist bitter für euch“, sagte er im Gespräch mit Anhängern. Aber das Risiko schwerer Gewitter und heftiger Regenfälle, die am Donnerstag über der Stadt angekündigt waren, „sei einfach zu groß gewesen“.