Berlin. Nach der scharfen Kritik der Regierungsparteien an SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und dessen Umgang mit Nebeneinkünften geht die SPD in die Gegenoffensive. „Die Kritik der Koalition ist scheinheilig und unehrlich“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann.
Die Debatte über die Nebeneinkünfte von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wird allmählich zur politischen Schlammschlacht: Während immer mehr pikante Details zu den Redeauftritten des Ex-Finanzministers bekannt werden, holt seine Partei nun zum Gegenschlag aus. So fordert Generalsekretärin Andrea Nahles ihren FDP-Kollegen Patrick Döring auf, seine eigenen Nebenverdienste offenzulegen. Ein weiterer SPD-Politiker bezeichnet die Regierungsparteien als „eine verlogene Bande“.
Der FDP-Politiker Döring hat dem Bundestag mehrere Posten in verschiedenen Unternehmen und ehrenamtliche Tätigkeiten angezeigt. Dazu gehört etwa die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG, für die Döring eine jährliche Entlohnung der sogenannten Stufe 3 - also mehr als 7000 Euro - erhält. Den genauen Betrag muss er nach dem gültigen Reglement nicht angeben. Zudem ist der Liberale Mitglied des Vorstandes der Agila Haustierkrankenversicherung AG. Die Firma überweist ihm monatlich einen Lohn der Stufe 2. Dieses Entgelt liegt zwischen 3500 Euro und 7500 Euro.
Steinbrück verteidigt Auftritt in der Schweiz
Steinbrück hat inzwischen angekündigt, alle Informationen zu seinen Honoraren so schnell und umfassend wie möglich offen zu legen. Der SPD-Politiker hat in der laufenden Legislaturperiode mehr als 80 Vorträge gehalten, für die er Honorare der höchsten Stufe bekommen hat. Die „Welt am Sonntag“ spekulierte über eine Gesamthöhe der Nebeneinkünfte von über einer Million Euro.
Der „Spiegel“ berichtet, in der Ministerzeit von Steinbrück habe die Lobbyorganisation Initiative Finanzstandort Deutschland 2007 das Konzept für die halbstaatliche Beratungsfirma ÖPP Deutschland AG erarbeitet, für die die Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer ein Rechtsgutachten geliefert habe. Nach seinem Ausscheiden als Minister sei Steinbrück dann bei der Kanzlei und beteiligten Finanzinstituten als Redner aufgetreten - vergütet mit jeweils mindestens 7000 Euro. Zudem soll der SPD-Politiker 2010 bei der Automatenwirtschaft, die Lobbyarbeit für Spielcasinos betreibe, aufgetreten sein.
Dem Nachrichtenmagazin „Focus“ zufolge sind unter den Honorarzahlern auch Finanzinstitute aus der Schweiz und Liechtenstein. Solche Auftritte verteidigte Steinbrück im Deutschlandfunk. Zudem betonte der frühere Minister, er habe „kein schlechtes Gewissen“. Auch sei er kein „Knecht des Kapitals“. Er könne nichts „Ehrenrühriges“ daran finden, dass er von Unternehmen, Banken, Versicherungen und Anwaltskanzleien, die gewinnorientiert seien, für eine erbrachte Leistung ein Honorar genommen habe. Bei Schulen, Vereinen und ehrenamtlichen Institutionen habe er keine Bezahlungen für Redeauftritte verlangt. Er habe seine Nebeneinkünfte beim Bundestag auch stets „lupenrein“ angezeigt. Die Vorwürfe gegen ihn bezeichnete der SPD-Politiker als „dämlich“ und „absurd“.
Union erhöht den Druck
Die Union erhöht derweil den Druck auf Steinbrück: „Wer als Kanzlerkandidat verspricht, alles offen zu legen, der muss dann auch absolute Klarheit schaffen“, sagte der Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU), der „Bild am Sonntag“. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt kritisierte den SPD-Kanzlerkandidaten in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ erneut scharf: „Dass ausgerechnet Herr Steinbrück sich jetzt zum Transparenz-Helden aufschwingen möchte, hat schon eine besondere Komik. Da ruft jemand laut nach der Kehrmaschine, anstatt vor der eigenen Tür zu kehren.“
In seiner Partei erhielt Steinbrück Rückendeckung. SPD-Generalsekretärin Nahles sagte der „Bild am Sonntag“, dieser lege seine Nebentätigkeiten „jetzt weit mehr offen, als es die geltenden Regeln des deutschen Bundestages verlangen“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, nannte die Vorwürfe gegen den Ex-Finanzminister „scheinheilig und unehrlich“. Der Sprecher des Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, nannte Schwarz-Gelb eine „verlogene Bande“.
Linke-Parteichef Bernd Riexinger behauptete hingegen, Steinbrück leiste sich durch seine bezahlten Vorträge eine Verquickung von Politik und Geschäft, die nicht erlaubt sei.
Steinbrück weist Vorwürfe als „dämlich“ zurück
Steinbrück hat die Vorwürfe einer zu großen Nähe zur Finanzindustrie als dämlich zurückgewiesen. Gleichzeitig warf er seinen Kritikern in Union und FDP am Wochenende Scheinheiligkeit vor, weil diese eine Verschärfung der Richtlinien über Nebeneinkünfte für Bundestagsabgeordnete verhindert hätten. „Ich habe mich allen Regeln entsprechend, steuerrechtlich sowieso, korrekt verhalten“, sagte er im Deutschlandfunk zu den umstrittenen Honoraren, die er für Reden erhalten hatte. SPD-Vertreter forderten von Politikern der Union und der FDP, sie sollten Steinbrücks Beispiel folgen und ihre Nebeneinkünfte vollständig offenlegen.
Die Bundestagsverwaltung hat laut „Spiegel“ nun einen Vorschlag erarbeitet, wonach die dreistufige Anzeigepflicht um sieben Stufen ergänzt werden soll. Abgeordnete müssten demnach auch Honorare von mehr als 100.000 oder 150.000 Euro ausweisen. (dapd/rtr)