Berlin. Die Kritik an den bezahlten Vorträgen von SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück wächst, auch innerhalb der eigenen Partei. Der Kanzlerkandidat soll offenlegen, wie viel genau er mit Vorträgen bei Banken und Unternehmen verdient habe, heißt es. Laut Abgeordnetengesetz muss er aber keine genauen Summen veröffentlichen.
Liebling der Spekulanten, Mann ohne Sicherungen: Die Kritik an den bezahlten Vorträgen von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wird immer heftiger. Auch in seiner eigenen Partei hält sie an. Die Linkspartei verlangte derweil parlamentarische und juristische Aufklärung. Die Generalsekretäre von CSU und FDP griffen Steinbrück direkt an. Der Grünen-Europaabgeordnete Werner Schulz sagte, Steinbrücks Verhalten wirke unanständig.
Der frühere Finanzminister hat nach eigenen Angaben eine Reihe von Vorträgen bei Banken, Versicherungen und Unternehmen gehalten, unter anderem 2011 einen Vortrag bei der Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, und dafür jeweils mindestens 7000 Euro erhalten. Wie viel genau, muss er nach dem Abgeordnetengesetz nicht offenlegen. Nach Schätzungen soll sich die Honorarsumme auf mehrere 100.000 Euro belaufen.
Die Kanzlei Freshfields hat unter anderem den Entwurf für das Finanzmarktstabilisierungsgesetz maßgeblich formuliert, das in Steinbrücks Amtszeit als Bundesfinanzminister beschlossen wurde. Dies ist allerdings seit mehr als drei Jahren bekannt.
SPD-Politiker will Gesetzesänderung
Bei den Sozialdemokraten rumort es wenige Tage nach der Ausrufung ihres Kanzlerkandidaten. Nach dem Vorsitzenden des SPD-Arbeitnehmerflügels, Klaus Barthel, forderten nun weitere Parteifreunde Transparenz bei den Nebenverdiensten. "Ich bin dagegen, mit zweierlei Maß zu messen: Ein Gesetz für normale Abgeordnete und Sonderregelungen für Kanzlerkandidaten. Deshalb bin ich nicht für eine Sonderregelung 'Steinbrück', sondern ich bin dafür, das Gesetz an sich zu ändern, um mehr Transparenz an sich herzustellen", sagte der Sprecher der parlamentarischen Linken der SPD-Bundestagsfraktion, Ernst-Dieter Rossmann, am Donnerstag dem "Tagesspiegel".
Ebenso plädierte Swen Schulz, der Mitglied des SPD-Fraktionsvorstands ist, in dem Blatt für eine Gesetzesnovelle: "Unabhängig von Peer Steinbrück müssen wir die gesetzlichen Vorschriften ändern." Es müsse künftig klar sein, "wer hat von wem wofür wie viel Geld bekommen", verlangte Schulz.
Linken-Bundestagsfraktionsvize Ulrich Maurer forderte, Steinbrück müsse erklären, "warum er ein milliardenschweres Bankenrettungsgesetz ausgerechnet von einer Lobbykanzlei der Finanzbranche schreiben ließ". Auch müsse unabhängig untersucht werden, ob durch die Vorgehensweise "vermeidbarer Schaden" entstanden sei. "Der ganze Vorgang muss von A bis Z parlamentarisch untersucht und aufgeklärt werden", sagte Maurer dem "Hamburger Abendblatt". Zudem "müssen wir juristisch prüfen lassen, ob es mit den Verhaltensregeln für ehemalige Minister vereinbar ist, wenn sie für ein Fantasiehonorar bei einem früheren Großauftragnehmer reden".
Kritik von CSU, FDP und Grünen
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte, Steinbrück stehe in Verdacht, ein "Produkt der Finanzindustrie" zu sein. "Es kann der Eindruck entstehen, als sei Steinbrück der Liebling der Spekulanten. Er täte gut daran, volle Transparenz walten zu lassen", sagte Dobrindt der "Welt". Steinbrück solle sagen, wie viel Geld er von der Finanzindustrie bekommen habe, seit er nicht mehr Minister ist. "Dann kann sich jeder ein objektives Urteil bilden, ob da Abhängigkeiten entstanden sind oder nicht", sagte Dobrindt. Dass Steinbrück eine strengere Bankenregulierung fordert, sei ein "Feigenblatt".
FDP-Generalsekretär Patrick Döring warf Steinbrück Gier vor. "Die SPD muss damit klarkommen, dass Steinbrück offenbar immer wieder alle Sicherungen durchbrennen, wenn es um den eigenen Vorteil geht", sagte Döring der "Bild"-Zeitung. "Mit dem Gen des ehrbaren Kaufmanns ist dieser Hanseat nur dürftig gesegnet."
Der Grünen-Europaabgeordnete Werner Schulz sagte dem Blatt: "Anständig wirkt das Ganze nicht. Deshalb erwarte ich eine völlige Offenlegung."
Steinbrück will seinen Einkommensteuerbescheid nicht veröffentlichen. Er sei "von Unternehmen gebeten worden, die Gewinne erzielt haben". Von Vereinen, von ehrenamtlichen Organisationen, Schulen und Universitäten nehme er für seine Vorträge kein Geld. "Und was ich spende von dem Honorar, geht niemanden etwas an", hatte Steinbrück bereits am Montagabend im ZDF gesagt. (dapd)