Berlin. 123 Seiten Pläne, Politik und Positionen: Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag ist oft vage formuliert. Manches ist aber auch überraschend konkret. So will der Bund jedem Neugeborenen 150 Euro als Startguthaben schenken. Hier sind die wichtigsten, interessantesten und kuriosesten Punkte.
123 Seiten Pläne, Politik und Positionen: Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag ist oft vage formuliert. Viele Kann, Wenn, Aber. Antworten auf brisante Finanzierungs-Fragen werden gern auf später verschoben. Manches ist dann aber auch wieder überraschend konkret. So will der Bund jedem Neugeborenen 150 Euro als Startguthaben schenken - ein Kapitalstock für ein Bildungskonto. Hier sind die wichtigsten, interessantesten und kuriosesten Punkte.
Steuern. Zum 1. Januar 2010 bleibt es dabei, dass eine Steuerentlastung von 14 Milliarden Euro eintritt – u.a. durch die höhere Absetzbarkeit von Krankenkassenbeiträgen und die Absenkung beim Eingangssteuersatz. Mit einem Sofortprogramm für Familien (Kindergeld) addiert sich die Summe auf 21 Milliarden Euro. Im Lauf der Wahlperiode soll es dann zu einer weiteren Entlastung von 24 Milliarden vor allem bei der Lohn- und Einkommensteuer kommen.
Kinderfreibetrag und Kindergeld. Der Freibetrag steigt zum 1. Januar 2010 auf 7008 Euro, das Kindergeld (heute 164 Euro) klettert um 20 Euro. Die Koalition prüft, ob Kindergeld auch wieder während der Wehr- und Zivildienstzeit gezahlt wird.
Erben. Geschwister und Neffen/Nichten werden (mit Steuersätzen zwischen 15 und 43 Prozent) künftig weniger Erbschaftssteuer zahlen müssen.
Steuerberater-Honorare. Können bald wieder von der Steuer abgesetzt werden.
Mehrwertsteuer. Sie sinkt für Hotels und Gaststätten von 19 auf sieben Prozent. Wie weit sie auf Postleistungen (Briefe, Pakete) erhoben werden wird, wird geprüft. Auch geplant: Mehrwertsteuer für Müllentsorgung, soweit sie durch Kommunen erfolgt. Private Entsorgungsfirmen sind heute schon mit Mehrwertsteuer belegt.
Gewerbesteuer. Eine Kommission prüft, ob die Gewerbesteuer der Städte und Gemeinden abgeschafft und durch einen höheren Anteil der Rathäuser an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftssteuer ersetzt wird. Die Höhe des Zuschlags könnte dann jede Kommune selbst bestimmen.
Staatsbeteiligungen. Die Wirtschaftskrise hat zu Staatsbeteiligungen geführt. Die Koalition will nach der Beendigung der Krise den Ausstieg prüfen.
Krisen-Fonds und „Arbeitnehmer-Schutzschirm“. Durch die Krise kommen Arbeitslosenversicherung und Krankenversicherung in eine klamme Lage. Die Milliarden, die sie zusätzlich brauchen, werden aus Steuermitteln bezahlt. Die Bundesagentur für Arbeit erhält das Geld (voraussichtlich 16 Milliarden Euro 2010) als Zuschuss, nicht als Darlehen.
Mindestlohn. Es gibt keinen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn. Die heutigen Einzel-Mindestlohnregelungen werden im Herbst 2011 auf ihre Wirkung überprüft. Zum Beispiel: Vernichtet die Methode Arbeitsplätze? Sittenwidrige Löhne werden gesetzlich verboten.
Arbeitsamts-Organisation. Die Bundesagentur muss „effizienter“ werden, ihre Struktur wird einer Prüfung unterzogen. Die Zukunft der „Arge“ und eine mögliche Aufteilung der Aufgaben auf Arbeitsagentur und Kommunen sind noch nicht völlig geklärt. Angedacht ist: Die Aufgaben von Arbeitsagenturen und Kommunen bei der Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen werden wieder getrennt wahrgenommen, eine freiwillige Zusammenarbeit ist aufgrund eines „Mustervertrags“ aber möglich. Die bisherigen Optionskommunen, die alles zusammen erledigen, sollen unbefristet so weitermachen dürfen.
Gesundheit und Pflege. Beides wird für die Normalverdiener teurer. Arbeitgeber hingegen werden entlastet. Bei der Pflege wird ein pauschaler Beitrag der Arbeitnehmer zum Aufbau einer einschlägigen Versicherung nach Art der Riester-Rente kommen, diesmal aber nicht freiwillig, sondern verpflichtend. Bei der Gesundheit passiert erst einmal ein Jahr lang nichts. Eine Kommission bereitet aber vor, dass der Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung ab 2011 eingefroren wird, Kostensteigerungen müssen Arbeitnehmer dann alleine zahlen. Im Gespräch ist ein fester Versicherungsbetrag pro Kopf unabhängig vom Einkommen. Für Geringverdiener ist ein finanzieller Ausgleich geplant.
Mini-Jobs. Eine Erhöhung der sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisse über 400 Euro hinaus ist in der nächsten Wahlperiode denkbar.
Altersgrenzen. Die Debatte um die beschlossene Rente mit 67 wird nicht ausdrücklich erwähnt. Aber: „Wir wollen wegen des demografischen Wandels die Voraussetzungen für eine längere teilhabe Älterer am Erwerbsleben verbessern“.
Hartz-Gesetze. Bei Langzeitarbeitslosen wird das Schonvermögen erhöht, das zum Ansparen der Alterssicherung dient. Künftig liegt es bei 750 Euro pro Lebensjahr. Selbstgenutzte Immobilien werden vor dem Zugriff des Staates geschützt. Der mögliche Hinzuverdienst für Langzeitarbeitslose, der nicht auf das ALG II angerechnet wird, wird „deutlich verbessert“. Wohn-, Wohnnebenkosten und Energiekosten, die bislang in jedem Einzelfall berechnet werden, sollen künftig als Pauschale bezahlt werden.
Klima-Abgaben. Klimazölle und CO2-Abgaben werden abgelehnt.
Kohle und Kernkraft. Es bleibt beim beschlossenen Ausstiegsplan aus dem subventionierten Kohle-Bergbau an der Ruhr und an der Saar. Kernkraftwerken wird unter strengen Sicherheitsauflagen eine längere Laufzeit erlaubt. Neue Reaktoren gibt es nicht. Experten erkunden, ob Gorleben den Standards für sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle entspricht.
Raumfahrt. Die neue Bundesregierung prüft eine neue Raumfahrtstrategie. Offen: Ob das den Verzicht auf eine eigene Mond-Mission bedeutet.
Straßenverkehr. Eine Pkw-Maut wird auffälligerweise zumindest nicht strikt ausgeschlossen, eine City-Maut dafür umso mehr. Standstreifen der Autobahnen sollen zu Spitzenzeiten genutzt werden können. Es gibt kein Tempolimit. 60-Tonner-Lkw bleiben verboten, dennoch werden etwas größere Lkw als heute möglich sein. Das Punkte-System in Flensburg kommt auf den Prüfstand.
Bahn-Börsengang. Bei der Bahn werden Netz, Bahnhöfe und Energieversorgung nicht privatisiert, der Konzernverbund DB und damit der gemeinsame Arbeitsmarkt bleiben erhalten. Das Schienennetz soll aber unabhängiger betrieben werden. Geprüft wird die deutschlandweite Einführung des Taktverkehrs bei der Bahn.
Feinstaub. Die Umweltzonen werden auf Wirksamkeit überprüft. „Wir wollen Einfahrtverbote dort lockern, wo die Einschränkungen in keinem vernünftigen Verhältnis zu erzielten Feinstaubreduzierung stehen“, sagt die Koalition.
Verbraucherschutz. Es wird keine „Lebensmittel-Ampel“ geben, die Lebensmittel-Kennzeichnung wird aber transparenter. Und: „Zur Vermeidung zukünftiger Gammelfleisch-Skandale werden Schlachtabfälle eingefärbt.“
Bildung. Der Staat überweist Neugeborenen 150 Euro als Start für ein Zukunftskonto. Bis zur Volljährigkeit wird dieses auch mit Prämien gefüllt. Ab 2013 gibt es für Kinder unter drei Jahren ein Betreuungsgeld von 150 Euro, gegebenenfalls auch als Gutschein, wenn nicht sicher ist, dass das Geld dem Kind zugute kommt. Das Stipendiensystem wird erweitert. Es gibt jährlich insgesamt drei Milliarden Euro mehr für den Bereich Bildung.
Stammzellenforschung. Zunächst keine Rechtsänderungen geplant, dafür aber eine breitere Debatte.
Geburten. Die Koalition will Frauen in Notlagen mit dem Angebot einer „vertraulichen Geburt“ helfen. Dabei müssen Ärzte/Hebammen die Daten der entbundenen Mutter nicht an Meldebehörden weitergeben. Eine Adoption schließt sich an. Der Plan ist bisher erst ein Prüfauftrag.
Innere Sicherheit. Die Jugendstrafe wird bei Mord auf 15 Jahre Haft erhöht. Außerdem ist ein „Warnschuss-Arrest“ geplant. Viele Pläne der alten Koalition zur Inneren Sicherheit werden überprüft (BKA-Gesetz) oder ausgesetzt (Vorratsdaten-Speicherung). Der Datenschutzbeauftragte des Bundes bekommt eine bessere Ausstattung. Nach den Skandalen bei Bahn, Telekom usw. bekommt der Arbeitnehmerdatenschutz im Datenschutzgesetz ein eigenes Kapitel. Eine zentrale Visa-Warndatei wird geschaffen.
Online-Durchsuchung. Das Recht zu Online-Durchsuchungen für das Bundeskriminalamt (BKA) wird nicht auf andere Behörden wie den Verfassungsschutz oder den Bundesnachrichtendienst ausgedehnt. Zudem soll das Fahndungsinstrument künftig nur noch von einem Richter des Bundesgerichtshofs auf Antrag der Bundesanwaltschaft angeordnet werden dürfen, und nicht mehr von normalen Amtsrichtern. Auf Telefon- und Internet-Verbindungsdaten darf vorerst nur bei schwersten Straftaten zugegriffen werden.
Wehrpflicht/Zivildienst. Die Wehrpflicht wird von neun auf sechs Monate verkürzt. Auch die Zivildienstdauer soll angepasst werden.
Atomwaffen. Die neue Bundesregierung wird mit der Nato und den Amerikanern über einen Abzug der letzten Atomwaffen verhandeln, die in Büchel lagern sollen.
Olympia 2016. Schwarz-Gelb sagt Ja zur Bewerbung von München.