Berlin. Der Koalitionsvertrag ist noch nicht unterschrieben, da entbrennt der Streit zwischen Union und FDP zum Thema Gesundheit erneut. Unions-Politiker wie NRW-Ministerpräsident Rüttgers wollen keinen schnellen Systemwechsel. Die FDP beharrt dagegen auf einem radikalen Umbau.
Noch vor Unterzeichnung des Koalitionsvertrags streiten sich Union und FDP über die Zukunft des Gesundheitswesens: Während die Vertreter von CDU und CSU einen Kurswechsel ausschließen, bestehen die Liberalen auf einem Systemwechsel.
«Der Gesundheitsfonds bleibt», sagte der künftige Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) in der ARD. Der Fonds sei eine «bürokratiearme Instanz», die weiter verbessert werden solle. In der «Passauer Neuen Presse» fügte Pofalla hinzu: «Für die Union gilt grundsätzlich: Der Gesundheitsfonds steht nicht zur Disposition.»
Auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt widersprach FDP-Forderungen nach einer Umkehr in der Gesundheitspolitik. Das System werde neu geordnet, aber es stehe kein Systemwechsel an, sagte Dobrindt im Bayerischen Rundfunk. «Auch zukünftig sollen Kassenbeiträge aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Beträgen bestritten werden.» Eine Kopfpauschale werde es nicht geben, stellte der CSU-Politiker klar.
Rüttgers bremst Gesundheitsreformer
Gesundheit und Pflege im Koalitionsvertrag
Beides wird für die Normalverdiener teurer. Arbeitgeber hingegen werden entlastet. Bei der Pflege wird ein pauschaler Beitrag der Arbeitnehmer zum Aufbau einer einschlägigen Versicherung nach Art der Riester-Rente kommen, diesmal aber nicht freiwillig, sondern verpflichtend. Bei der Gesundheit passiert erst einmal ein Jahr lang nichts. Eine Kommission bereitet aber vor, dass der Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung ab 2011 eingefroren wird, Kostensteigerungen müssen Arbeitnehmer dann alleine zahlen. Im Gespräch ist ein fester Versicherungsbetrag pro Kopf unabhängig vom Einkommen. Für Geringverdiener ist ein finanzieller Ausgleich geplant.
NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) schloss ebenfalls eine schnelle Reform des Krankenversicherungssystems aus. «Es bleibt erst einmal so, wie es ist», sagte der CDU-Vize dem «Kölner Stadt-Anzeiger». Die schwarz-gelbe Koalition habe «mit viel Mühe dafür gesorgt, dass es einen Milliarden-Zuschuss für die Krankenkassen gibt», damit keine Beitrags- und Arbeitskostenerhöhungen erforderlich seien. «Danach werden wir über Weiterentwicklungen des jetzigen Systems diskutieren», erklärte Rüttgers. "Davor braucht aber keiner Angst zu haben.» Es werde einen Sozialausgleich geben, damit Geringverdiener nicht über Gebühr belastet würden.
Kritik an den Koalitionsplänen zur gesetzlichen Krankenversicherung übten auch die Sozialausschüsse der CDU. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Gerald Weiß, sagte im Südwestrundfunk, die Passage zur künftigen Finanzierung steigender Gesundheitskosten sei die «problematischste» im ganzen Koalitionsvertrag. Es sei «nicht akzeptabel», dass Rentner und Arbeitnehmer die «volle Zukunftslast der wachsenden Gesundheitskosten" alleine tragen müssten.
Die Arbeitgeberseite dürfe bei der Finanzierung «nicht außen vorbleiben», mahnte er. Die Regierungskommission, die nun die Einzelheiten berate, müsse auf soziale «Symmetrie achten».
FDP beharrt auf grundlegender Änderung des Systems
Die FDP hält hingegen an ihrer Forderung nach grundlegenden Änderungen im Gesundheitssystem fest. Der designierte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) sagte der «Bild"-Zeitung: «Die Gesundheitsreform muss ein Markenzeichen von Schwarz-Gelb werden.» Es solle ein Gesundheitssystem kommen, «das für über 80 Millionen Menschen in Deutschland robust und gerecht ist».
Röslers Parteikollegin und künftige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kündigte im Bayerischen Rundfunk an, es werde «langfristig ein anderes Gesundheitssystem» geben. Die mit der Union vereinbarte Regierungskommission werde mit dem «ganz klaren Ziel» eingesetzt, dass es «ab 2011 einen deutlichen Ausstieg aus dem derzeitigen Gesundheitsfonds geben soll».
Auch die designierte Fraktionschefin der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit Homburger, bekräftigte im ARD-Morgenmagazin: «Wir sind der Auffassung, dass wir im Gesundheitssystem eine Veränderung brauchen und der Gesundheitsfonds so nicht bleiben kann.» Änderungen seien «ganz klar vereinbart».
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Union und FDP haben sich in den Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt, dass das bisherige System des Gesundheitsfonds mit dem Einheitsbeitrag von derzeit 14,9 Prozent zunächst erhalten bleibt. Voraussichtlich ab 2011 wird es aber grundsätzliche Änderungen geben: Der Arbeitgeberanteil wird wohl eingefroren, womit Ausgabensteigerungen durch Einsparungen oder allein durch die Arbeitnehmer finanziert werden müssten. Für die Versicherten wird es dann einen einkommensunabhängigen Beitrag geben, was dem umstrittenen Modell einer Kopfpauschale nahe käme. Eine Kommission soll das genaue Modell ab 2011 erarbeiten. (afp/ddp)