Düsseldorf. Mit der neuen Regierung hat NRW deutlich an Einfluss im Bund gewonnen. Das Land ist durch die Posten des Vizekanzlers, Kanzleramtschefs und des Umweltministers gut vertreten. Damit könnten auch die Chancen für längst totgeglaubte Projekte steigen. Beispiel: Rhein-Ruhr-Express.

Der 9. November wird für NRW-Verkehrsminister Lutz Lienenkämper (CDU) ein besonderer Tag. Er wird mit einem Regionalzug von Köln nach Dortmund reisen, der äußerlich das Design des künftigen Rhein-Ruhr-Express (RRX) trägt. Die Fahrt ist eine Demonstration: Die Landesregierung setzt darauf, dass es diese Super-S-Bahn spätestens 2018 geben wird.

Das Projekt ist ein Dauerbrenner auf den Kabinettstischen in Düsseldorf und Berlin. Zwei Vorgänger-Pläne, darunter eine Magnetschwebebahn, sind geplatzt. Auch beim RRX ist erst ein kleiner Teil der drei bis vier Milliarden Euro, die der schwierige Streckenausbau im dicht besiedelten Ruhrgebiet kosten wird, wasserfest in die Etats eingeplant.

Beschwerdepapier

Vor zwei Wochen forderten deshalb Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und sein Vize Andreas Pinkwart (FDP) „höhere Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur in NRW“. Vorrangig: Der Rhein-Ruhr-Express, die Güterzugstrecken vom Niederrhein an die Benelux-Küsten, aber auch der Straßenbau: „Das Land erhält seit langem nur unterdurchschnittliche Bundesmittel für den Fernstraßenbau“.

Adressaten des NRW-Beschwerdepapiers waren die Berliner Koalitions-Unterhändler. Das größte Bundesland fühlt sich seit Jahren schlecht bedient vom Bund. Personell, weil Angela Merkel nach dem Regierungswechsel 2005 kaum Spitzenleute aus Düsseldorf an die Spree holte. In der Sache, weil die fehlende Verkehrsfinanzierung nicht das einzige Indiz für mangelnde Zusammenarbeit zwischen Bund und Land war. Zuletzt brüskierte die große Koalition die Landesregierung mit der Entscheidung, den Plan des Baus einer Kohlendioxid-Pipeline von Hürth bei Köln über das Ruhrgebiet nach Norddeutschland nicht durch ein Gesetz zu unterstützen.

Seit Montagabend gibt es zumindest die Chance, dass das Klima umschlägt. Nach drei Wochen schwarz-gelber Gespräche steht der neue Koalitionsvertrag - ausgehandelt und unterschrieben in der Vertretung von NRW in der Berliner Hiroshima-Straße. Alleine das ist ein Zeichen, und schon die Unterschrifts-Zeremonie geriet zum gewaltigen Dankeschön an das größte Bundesland als Gastgeber. Die Kanzlerin schwärmte: „Die Verpflegung war wunderbar. Wir wurden verwöhnt“. Selbst CSU-Mann Seehofer, der in den Koalitionsrunden der letzten Jahre die Tütensuppen-Verpflegung beklagte, zeigt jetzt einen Hang zur nordrhein-westfälischen Cuisine.

Projekte, mit neuen Chancen

Was das für die 18 Millionen Bürger an Rhein und Ruhr bringt? Einige Zusagen enthält der Koalitionsvertrag, die direkte Auswirkungen auf die Landesebene haben könnten.

  • Das Gesetz zum Transport und zur Lagerung von CO2-Abgasen kommt und damit neue Möglichkeiten für den Bau modernerer, sauberer Kohlekraftwerke.
  • Bonn bleibt definitiv Bundesstadt. Die Verlagerung der dort verbliebenen Ministerien nach Berlin ist vom Tisch.
  • Die Wasserstraßen sollen ausgebaut werden, was dem „Kanalland“ NRW zugute kommt.
  • Erstmals werden auch „fortgesetzte Unterfinanzierungen“ der Verkehrswege eingeräumt und als „entscheidende Schwäche“ der deutschen Infrastruktur bezeichnet. Da kann NRW den Finger heben: Ein Drittel aller Stau- und Engpass-Stellen an deutschen Autobahnen liegen auf nordrhein-westfälischem Boden.

Für die Erledigung der übrigen, politischen, Baustellen – dazu gehört auch eine ausreichende Finanzausstattung der Kommunen für die Betreuung der Langzeitarbeitslosen - muss die Landesregierung jetzt ihre neue personelle Kraft an der Spree nutzen. Immerhin: Bundestagspräsident, Vizekanzler, Kanzleramtschef und Umweltminister haben ihre Wurzeln tief im Westen, dazu acht Staatssekretäre.

Vielleicht gelingt dann auch der Durchbruch für den Rhein-Ruhr-Express. Insider erzählen: Baden-Württemberg hat für sein Milliarden-Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 „in Berlin alle drei Tage auf der Matte gestanden“. Die aus NRW hätten in Sachen RRX nicht mal gewusst, wo die Matte liegt…