Islamabad. . Der Chef des Terrornetzwerks El Kaida versteckte sich nicht etwa in den pakistanischen Bergen - sondern in einem Millionen-Anwesen bei Islamabad. Seine Nachbarn sagen, sie wussten nicht, wer hinter den Mauern mit Stacheldraht wohnte.
Seine Gefolgsleute nannten ihn den „Sheikh“ und sein Wort war Gesetz, obwohl er sich bereits seit dem Jahr 2001 hinter einem ausgeklügelten Sicherheitskordon versteckte. Als Osama bin Laden, der Mann, dessen Terroraktionen die Politik von drei US-Präsidenten bestimmten, das mächtige Militärbündnis NATO in den Zermürbungs-Krieg in Afghanistan verwickelten und der in der ganzen Welt eine junge Generation islamistisch gesonnener Kämpfer inspirierte, am frühen Montagmorgen bei der Überraschungsattacke einer US-Sondereinheit starb, verblüffte sein Tod er Freund und Feind.
Osama bin Laden ist tot
1/24
Denn der Sheikh hielt sich nicht, wie seit Jahren bei unzähligen Spekulationen vermutet, in den unzugänglichen Bergen des Grenzgebiets zu Afghanistan versteckt. Er lebte gemütlich inmitten einer millionenteuren Villa im Schatten der pakistanischen Kakul Militärakademie, dem West Point von Islamabads Streitkräften rund 62 Kilometer nördlich der Hauptstadt Islamabad in dem 200 000 Einwohner zählenden Ausflugsort Abottabad.
Kein Telefon, kein Internet
Das etwa ein Hektar große Grundstück war ausgebaut wie eine kleine Festung. Drei bis sechs Meter hohe Mauern umgaben das Areal mit dem Haus, das laut Anwohnern vor etwa mehr als zehn Jahren gebaut worden war - zu einer Zeit, als Osama bin Laden noch als Ehrengast der radikalislamischen Talibanmilizen nächstens in einem Zelt in der Wüste Südafghanistans Delegationen extremistische Untergrundkämpfer aus der ganzen Welt empfing und mit ihnen über Strategien der islamischen Weltrevolution beriet.
Die Nachbarn behaupteten am Montag, sie hätten nicht gewusst, dass hinter den hohen, mit Stacheldraht bewehrten Mauern der Mann wohnte, auf den die USA ein Kopfgeld von 25 Millionen US-Dollar ausgesetzt hatten. Osama bin Laden besaß keine Telefon- und Internetverbindung. Doch es wimmelte offensichtlich von Leibwächtern. Denn als um 1.30 morgens ein Chinook-Helikopter und zwei Apache-Kampfhubschrauber über dem Anwesen auftauchten, antworteten die Bewohner sofort mit Gewehrfeuer.
Die Schießerei dauerte eine halbe Stunde
Ein Hubschrauber musste notlanden - wegen technischer Probleme, wie es am Montag offiziell hieß. Nachbarn sind aber überzeugt, dass der Hubschrauber getroffen wurde. Eine halbe Stunde dauerte laut Nachbarn die Schießerei. Dann war der meistgesuchte Mann der Welt tot. Einige Frauen und Kinder sowie andere Gefangene wurden abtransportiert. Die Leiche Osama bin Ladens im Chinook weggeflogen.
Zurück blieb ein von Pakistans Militär im Umkreis von einem Kilometer hermetisch abgeriegeltes Grundstück. Journalisten, die Fotos und Filmaufnahmen vom Abtransport des beschädigten Hubschraubers gemacht hatten, wurden vorübergehend festgenommen. Die Aufnahmen gelöscht. Die Bewohner Abottabads konnten immer noch nicht glauben, dass der Welt meistgesuchter Mann ihr Nachbar war. „Das ist unmöglich“, sagte ein Mann. Doch der Inhaber eines Teeshops glaubte: „Ein besseres Versteck als hier ab es nicht.“
„Ein großer Sieg“
„Der Tod Osamas ist ein großer Sieg“, verkündete währenddessen Pakistans Premierminister Yousuf Raza Gilani und fügte hinzu: „Wir werden nicht erlauben, dass unser Territorium für Aktionen gegen andere Länder genutzt wird.“ Ahmand Shuja Pasha, der Chef des pakistanischen Geheimdienstes ISI beschrieb die Aktion als „gemeinsame Operation“. Aus den USA dagegen hieß es, man habe Islamabad nicht von der Aktion informiert.
Erst in der vorletzten Woche hatte der US-Generalstabschef Admiral Mike Mullen Pakistan vorgeworfen, Teile der radikalislamischen Talibanmilizen zu unterstützen. US-Außenministerin Hillary Clinton moserte im Juli des vergangenen Jahres: „Teile der pakistanischen Bürokratie müssen Osama schützen, anderes ist nicht möglich.“ Die Lage Verstecks von Osama bin Laden in Abottabad in der Nähe der Militärakademie und der aufwendige Ausbau seines Verstecks werden das Misstrauen nun erneut schüren.
Beliebtes Ziel für Wochenendausflüge
Seit August des vergangenen Jahres haben die USA, so jedenfalls US-Präsident Barack Obama, die Spur des meistgesuchten Mannes verfolgt, die schließlich nach Abottabad führte - tief in das Herz Pakistans und nur einen Steinwurf von der Militärakademie entfernt, in der das Land die Offiziere ausbildet, die später einmal an die Spitze der Streitkräfte rücken werden.
Terror in Europa seit 2001
1/30
Bei den Pakistanern steht Abottabad als Wochenendsausflugsziel hoch im Kurs, weil dort im Sommer etwas niedrigere Temperaturen herrschen als in der Hauptstadt Islamabad. Im vergangenen Jahr griffen die Behörden ein Al Kaida Mitglied in dem Ausflugsort auf. Ein „kleiner Fisch“, hieß es damals, der sich eher zufällig nach Abottabad verirrt haben soll.
Behörden tappen im Dunklen
„Das ist ein toller Erfolg“, glaubt die 32-jährige Pakistanerin Humeera Farooq in Islamabad, „aber wie kann es sein, dass er dort lebte.“ Pakistans Regierung blieb bislang eine schlüssige Antwort schuldig. Jahrelang hatte die Regierung energisch bestritten, dass der Sheikh Zuflucht am Indus gesucht hätte und behauptet, Osama sei in Afghanistan untergetaucht.
Zumindest offiziell erweckte Islamabad den Eindruck, dass die Behörden ebenso im Dunkeln tappen würde wie alle anderen Fahnder der Welt. Auch die USA mussten vor einiger Zeit zugeben, dass die Spur kalt geworden war, nachdem Osama bin Laden ihnen im Jahr 2001 in den Tora Bora Bergen am Hindukusch entwischt war.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.