Witten. Albert Schäfer hat in seinem Garten alte Steine gefunden. Er glaubt, dass sie zu einer Burg gehören. An die erinnern sich wohl nur die wenigsten.
Albert Schäfer aus Witten ist leidenschaftlicher Gärtner. Als der 94-Jährige unlängst eines seiner Beete, in dem etwa Johannisbeersträucher und Bohnen wachsen, umgraben wollte, stieß er in geringer Tiefe auf einige große, schwere Steine. Der Rentner vermutet, dass sie zu einer ehemaligen Burg gehören und fragt sich: „Muss ich die jetzt liegen lassen?“
Schäfers Vermutung liegt nahe. Sein Haus steht in Rüdinghausen, an der Brunebecker Straße. Sie bildet hier zusammen mit der Kreisstraße und der Straße „Am Heisterkamp“ eine Art Kreis. Und innerhalb dieses Kreises stand bis ins 18. Jahrhundert hinein das „Haus Rüdinghausen“, die Burg der Herren von Witten zu Rüdinghausen. Doch diese ist bei Weitem nicht so bekannt wie etwa die Burgruine Hardenstein oder Haus Witten. Denn wirklich erhalten ist von dem ehemaligen Adelssitz fast nichts.
Alte Burg der Herren von Witten liegt heute in Privatgärten
„Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Burg nicht mehr genutzt und dem Verfall preisgegeben“, sagt Magnus Terbahl, Denkmalpfleger der Stadt Witten. Was heute noch von ihr übrig ist, ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Denn rund um die etwa 50 mal 50 Meter große ehemalige Burg sind Wohnhäuser entstanden. Teilweise sind sie auf dem verfüllten ehemaligen Burggraben gebaut worden, in den Gärten verteilen sich die wenigen noch sichtbaren Spuren des alten Gemäuers.
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Eine, die es ganz genau weiß, ist Dr. Henriette Brink-Gloke. Die Archäologin wohnt just in einem dieser Häuser. Will man von ihrer Terrasse in den Garten, muss man über eine kleine Brücke gehen. Denn hier fließt der Rüdinghauser Bach, der früher schon den rund 16 Meter breiten Graben der Burg, die Gräfte, mit Wasser versorgte. Die 70-jährige hat bis zu ihrem Ruhestand die Untere Denkmalbehörde der Stadt Dortmund geleitet.
Begrenzungsmauer stand auf Grenze zu Nachbargrundstück
„Wenn ich hier graben würde, würden wir irgendwann Bodenplatten aus Stein finden“, sagt die Expertin und zeigt auf ein Rasenstück etwa in der Mitte ihres langgezogenen Grundstücks. Auch sie habe beim Umgraben und Pflanzen schon regelmäßig alte Steine gefunden. Spuren in ihrem Garten lassen auch erahnen, wo die Gräfte und die Befestigungsmauern verlaufen sind.
Dort, wo heute ein Zaun ihr Grundstück von dem ihres Nachbarn Albert Schäfer abgrenzt, habe früher eine Mauer gestanden. Wo heute der Garten des Seniors liegt, sei der Burggraben verlaufen. Für die Archäologin ist damit klar, dass die alten Steine in Schäfers Garten von dem alten Herrenhaus stammen. „Nachdem die Burg aufgegeben war, haben die Nachbarn aus der Umgebung das hier als Steinbruch genutzt“, sagt Brink-Gloke. Schon 1827 war nur noch eine Ruine übrig - das geht aus einem alten Eintrag im Flurbuch der Stadt hervor.
Haus Rüdinghausen wurde 1249 erstmals urkundlich erwähnt
Die Burg selbst - urkundlich zum ersten Mal 1249 erwähnt - müsse man sich auch zu ihren Hochzeiten als „relativ bescheiden“ vorstellen, sagt die Archäologin. So habe das Haus nur zwei Stockwerke und einen kleinen Turm gehabt. Unten ein Ritter- oder Versammlungssaal und die Küche, oben die Schlafgemächer. Eine Visualisierung davon gibt es nicht. Lediglich die Lage der Burg wurde grob festgehalten. Aber: „Wer hier lebte, bestimmte, wie die anderen Menschen in der Umgebung lebten“, sagt die 70-jährige. Die Burgherren übten die Gerichtsbarkeit über nahe liegende Bauernschaften aus.
Bereits 1983 wurde das Haus Rüdinghausen in die Denkmalliste der Stadt aufgenommen, als sogenanntes Bodendenkmal. „1998 gab es archäologische Untersuchungen über mehrere Wochen“, sagt Denkmalpfleger Terbahl. Damals habe es auch Sondierungsgrabungen gegeben. Dadurch habe man „rudimentäre“ Kenntnisse über die Burg erhalten, etwa die genaue Lage und Größe. Doch auch Keramik und Knochen, also Speisereste, seien gefunden wurden, weiß Archäologin Brink-Gloke. Für umfangreichere Untersuchungen sei die Burg aber nicht bedeutend genug gewesen.
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Und was heißt das nun für Albert Schäfer und die Steine in seinem Gemüsebeet? Die Burg sei bereits im Wesentlichen erforscht, die Ausgrabungen getätigt, so Denkmalpfleger Magnus Terbahl. „Neue, für die Allgemeinheit relevante Funde sind dort nicht zu erwarten.“ Was der 94-Jährige nun mit den mutmaßlichen Mauerresten macht, ist also ihm selbst überlassen. „Kaputtmachen kann man da ja nichts mehr“, so Terbahl.
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