Langenberg. Rita und Berthold Hesse aus Langenberg feiern 65 Jahre Ehe mit Humor, Nostalgie und Ehrlichkeit. Warum es wichtig ist, dass manche Dinge bleiben.
Personalisierte Tischkarten, prächtige Schlossgärten und spektakuläre Feuerwerksshows: So inszenieren viele Brautpaare heute ihre Hochzeit in den sozialen Medien. „Meine Tante wohnte gegenüber und räumte ihr Schlafzimmer leer. Dann haben wir Tische aufgestellt, und es wurde gekocht“, erzählt Rita Hesse (83), während sie über ihr eingerahmte Hochzeitsfoto streicht. Ihre Cousine nähte damals das Hochzeitskleid, „leider ohne Schleier“, fügt sie mit einem Schmunzeln hinzu. „Trotzdem war es ein schöner Tag.“
Sie steht vor dem Küchentisch, Ehemann Berthold Hesse (85) an ihrer Seite. Die Pendeluhr tickt laut im Takt. Inmitten der holzgetäfelten Küche der Urgroßeltern thront eine kleine, bunte Kinderküche. „Der Kleine spielt immer noch damit. Wir haben vier Kinder, vier Enkel und drei Urenkel“, erzählt sie stolz. Berthold macht große Augen: „Vier Kinder?“ Eine kurze Stille. „Was, habe ich vier gesagt? Ich meinte drei“, korrigiert sich Rita. Beide brechen in schallendes Gelächter aus. Seit 65 Jahren sind sie verheiratet, letzte Woche feierten sie groß ihre Eiserne Hochzeit. „Wir sind eigentlich immer zusammen“, sagt die 83-Jährige.
Leben in der Nachkriegszeit: „Ausgebombt und nichts zu essen“
Bundespräsident Steinmeier, Ministerpräsident Wüst und Landrat Hendele haben den beiden bereits gratuliert. „Wahnsinn“, sagt Berthold mit einem verlegenen Lächeln. Dann steht er auch schon auf, um die Briefe zu holen. Seit Juli 1972 lebt das Ehepaar in Langenberg. Sie ist gelernte Friseurin aus Dilldorf, er Heizungs- und Sanitär-Meister aus Nierenhof. Gemeinsam führten sie sogar einen Betrieb – die heutige Berthold Hesse GmbH, die nun von ihren Kindern weitergeführt wird. Und obwohl sie schon so lange zusammen sind, haben sie sich immer noch viel zu erzählen. Oft verlieren sie den Faden in ihren Gesprächen: Weißt du noch der? Und der war doch auch da! Und das war ja dann so!
„Das war eine ganz andere Zeit“, beginnt Berthold und schiebt seinen Teller beiseite, als wolle er auf dem Tisch Platz für seine Geschichte schaffen. „Ausgebombt und nichts zu essen.“ Besonders prägend war der frühe Tod seiner Mutter. 1942, mit nur 37 Jahren, starb sie während einer Gallenoperation. Berthold war damals erst drei Jahre alt. Im Krankenhaus habe sie immer wieder drei Finger in die Luft gestreckt – drei Kinder. „Mein Onkel wollte mich anziehen, aber ich habe mich geweigert. ‚Meine Mama soll kommen,‘ habe ich gesagt,“ erinnert er sich und blickt auf seine Hände. „Er hat dann so komisch gesagt: ‚Berthold, die kann nicht mehr kommen, die ist im Himmel.‘ Und ich fragte nur: ‚Ja, was macht die dann da?‘“ Als Kind habe er oft gehungert. Er denkt an den Nachbarn zurück, der für die Hühner Brotkrumen im Stall verstreute. „Die habe ich dann weggefressen,“ erzählt er.
Ein Leben lang in Langenberg: „Viel hat sich verändert“
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„Berthold, du hast noch gar nichts gegessen!“, sagt Rita erschrocken und steht auf, um ihm einen Teller zu bringen. Der Tisch ist liebevoll gedeckt mit Mettbrötchen, kleinen Sahnerollen und Schnittchen. Für Rita sei es früher einfacher gewesen. „Ich wurde von meiner Großmutter verwöhnt. Mein Opa arbeitete in der Kaserne, da hat er uns immer Essen mitgebracht.“
Neben der Familie erzählen sie am liebsten von ihren Urlauben an der Nordsee oder Ostsee, und von Bertholds Leidenschaft für Geschichte. Nochmals steht Berthold auf, dieses Mal holt einen großen, prall gefüllten Ordner hervor. Langsam blättert er durch Zeitungsartikel und Fotos von Langenberg, wie es früher war. „Viel hat sich verändert“, sagen Rita und Berthold einstimmig. „Früher gab es so viele Geschäfte, man konnte hier alles bekommen“, erinnert sich Rita und greift zur Tasse. Umso schöner sei es, wenn etwas bleibt. Die beiden sind sich einig, dass das Wichtigste für eine lange Beziehung Verlässlichkeit ist.