Velbert/Neviges. Gesamtschule Velbert-Neviges: Schüler debattieren Pistorius‘ Wehrpflichtpläne mit gemischten Gefühlen. Diese Bedingungen fordern sie.

„Seid ihr für oder gegen eine Wehrpflicht?“ Diese Frage geht an eine Runde von 15- bis 16-jährigen Schülerinnen und Schülern der Gesamtschule Velbert-Neviges. Stille, Blicke kreuzen sich. Viele der befragten Schülerinnen und Schüler empfinden die Wehrpflicht als notwendig, aber nur wenige sind motiviert, einen Wehrdienst abzuleisten. Doch sollte Verteidigungsminister Boris Pistorius‘ Modell für eine neue Wehrpflicht wie bisher vorgestellt umgesetzt werden, werden diese Schülerinnen und Schüler in zwei bis drei Jahren einen Fragebogen zum Wehrdienst erhalten.

Die Schülerinnen und Schüler haben eine allgemeine Vorstellung davon, was der Verteidigungsminister plant, aber es gibt noch viele Fragezeichen und Unsicherheiten. Sie erklären, wie sie zu Pistorius‘ Plänen stehen und wie sie sich die Verteidigung des Landes vorstellen. Zur Wahrung der Anonymität wurden die Namen der Schüler geändert.

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Im schwedischen Modell können die Befragten im Fragebogen angeben, wie motiviert sie für den Wehrdienst wären. Auch für Deutschland soll es so etwas geben, denn nur die geeignetsten und motiviertesten sollen nach Vorstellung des Verteidigungsministeriums zur Musterung eingeladen werden. Tom (15) würde auf einer Skala von eins bis zehn (eins steht für am wenigsten motiviert, zehn für hochmotiviert) eine klare acht angeben: „Ich kann mir das für mich gut vorstellen, wollte aber sowieso vielleicht zum Bund, von daher würde das gut in meinen Zukunftsplan passen.“ Die restlichen Jungen bewegen sich zwischen vier und fünf. Sie sind nicht besonders motiviert, aber wenn es nötig wäre, wäre es für sie nicht so schlimm.

Schülerin Leo (15) würde sich auf eine sieben einschätzen: „Ich mache gerne Sport und finde es schon interessant. Ich glaube, ich würde da reinpassen. Ich finde die Abläufe, wie das Land verteidigt wird, ganz cool. Aber ich würde in einem Kriegsfall auf niemanden schießen wollen.“ Die anderen Mädchen liegen zwischen vier und drei. „Für mich ist das gar nichts, ich mag es einfach nicht,“ sagt Gina (15).

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Ob die Wehrpflicht auch für Frauen gelten sein soll, darüber sind die Meinungen zwischen Jungen und Mädchen gespalten. „Ich finde es nicht gerecht, dass Männer das alleine machen müssen“, meint Leo. „Aber Frauen könnten ja auch mitmachen, nur sie müssen den Bogen nicht ausfüllen“, ergänzt Kevin (15). Die Mehrheit der Jungen wäre dafür, dass der Wehrdienst auch für Frauen verpflichtend ist, während die Mehrheit der Mädchen das nicht so prickelnd finden würde. Was die Mädchen abschreckt, sind der Umgang mit Waffen und das allgemeine Umfeld im Bund. „Da wird man bestimmt getriezt“, sagt Lisa (15). „Aber dafür bieten die Psychiater an, das geht“, meint Kevin, woraufhin die Schüler lachen müssen.

Die Schülerinnen und Schüler, die mittelmäßig motiviert sind, nennen ähnliche Gründe, warum sie dem Wehrdienst eher abgeneigt sind, aber die größte Angst bestehe darin sein Privatleben zu verlieren: „So eine Vier-Tage-Woche wäre gut, man könnte zur Familie oder auch seinem Hobby nachgehen“, meint Peter (16). Dass die Wehrpflicht mit den eigentlichen Zukunftsplänen wie Studium oder Auslandsjahr in Konflikt geraten könnte, stört viele. Dennoch sind die Schüler vom Prinzip der Wehrpflicht nicht ganz abgeneigt.

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„Vor allem junge Menschen haben viel Quatsch im Kopf“, sagt Peter. „In den Nachrichten hört man ja von Messerstechereien unter Jugendlichen. Ich glaube, die Wehrpflicht könnte manchen jungen Menschen eine neue Perspektive bieten, damit sie sich als Mensch wiederfinden und sich selbst neu aufbauen.“ Was den Schülerinnen und Schülern wichtig wäre, ist die Möglichkeit, auf eine Alternative ausweichen zu können, um trotzdem die Verteidigung zu unterstützen, ähnlich dem schwedischen Modell. Dieses betrachtet unter anderem die Aufrechterhaltung wichtiger gesellschaftlicher Funktionen wie Gesundheitswesen, Transport oder Kinderbetreuung als wichtigen Bestandteil der Gesamtverteidigung.

„Ich finde, dass es Menschen im Militär geben muss und Menschen, die hier vor Ort sind. Wenn alle weg sind, wer macht dann den Netto?“, fragt Gina. Die Schülerinnen und Schüler brechen in Lachen aus. Gina könnte sich den Wehrdienst gar nicht für sich vorstellen, aber sich durch eine andere gesellschaftliche Funktion in einer Krisensituation zu verpflichten, das wäre okay. Viele der Schülerinnen und Schüler stimmen zu. „Ich glaube, wenn eine Krisensituation kommt und das Land Hilfe braucht, würden sich die meisten momentan nicht verantwortlich fühlen“, meint Leo. Man müsse wissen, welche Funktion man habe und dass es eine Pflicht sei, etwas für sein Land zu tun, betont sie.

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Auf die Frage, ob Deutschland, nach Pistorius‘ Wortwahl, wieder „kriegstüchtig“ werden sollte, verziehen einige Gesichter. Viele finden die Wortwahl unangenehm. Grundsätzlich stimmen sie doch zu. „Vorsicht ist besser als Nachsicht“, betont Peter. „Ich finde, dass so etwas schnell ausarten kann. Davor hätte ich Angst“, sagt Lisa.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat den Schülern jedoch klargemacht, dass Frieden in Europa keine Selbstverständlichkeit ist: „Uns trennt eigentlich nur Polen von der Ukraine. Da überlegt man schon mal, wie Deutschland bei einem Angriff dastehen würde“, sagt Kevin. Die Schüler sind der Meinung: nicht gut. Deshalb sind sie sich sicher, dass das Land Unterstützung bei der Verteidigung braucht. Ob Pistorius‘ Wehrpflicht Modell einen wesentlichen Beitrag dazu leisten kann, bezweifeln die Schülerinnen und Schüler jedoch.