Velbert. Schüler gegen Politiker: Zumindest die Quizrunde vor der Diskussion zur Europawahl ging an die Erstwähler. Doch auf dem Podium ging es um mehr.

Sie finde es „herausragend“, dass sich Menschen noch ins „echte Gespräch“ mit jungen Erwachsenen begeben würden. Das sagt Antje Häusler, Schulleiterin der Gesamtschule Velbert-Mitte. Sie ist sichtlich erfreut, dass an ihrer Schule nahezu alle Kandidatinnen und Kandidaten für die anstehende Europawahl versammelt sind.

Warum das so besonders ist? Einmal, weil es zur Europawahl keine klassischen Wahlkreise gibt und die Kandidatinnen und Kandidaten der einzelnen Parteien riesige Gebiete vertreten. Schön also, dass bis auf Miriam Viehmann (CDU, vertreten durch Martin Sträßer, Landtagsabgeordneter) alle dabei sind.

Jugendparlament Velbert und Gesamtschule richten Diskussion aus

Und dann sitzen in der Aula jede Menge Erstwählerinnen und -wähler – und zwar mehr als sonst. Denn ab diesem Jahr darf abstimmen, wer 16 oder älter ist. Zumindest über die künftigen Abgeordneten für das Europaparlament. So sitzen dann neben Martin Sträßer noch Liliane Pollmann (Die Grünen), Sabrina Proschmann (SPD) und Richard Collings (FDP) auf der Bühne. Dazu kommt Titus Neumann-Mahlkau, der das Velberter Jugendparlament vertritt.

Volles Haus an der Gesamtschule Velbert: Drei Jahrgänge hatten sich in der Aula versammelt, um den Argumenten der Politikerinnen und Politiker zuzuhören.
Volles Haus an der Gesamtschule Velbert: Drei Jahrgänge hatten sich in der Aula versammelt, um den Argumenten der Politikerinnen und Politiker zuzuhören. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Letzteres hat gemeinsam mit der Gesamtschule die Diskussionsveranstaltung organisiert, zwei Stunden sollen die Politikerinnen und Politiker ihre Ansichten darlegen. Die beiden Moderatoren Paul Kober und Jason Bloch sind Schüler der Gesamtschule – und haben die Veranstaltung entspannt im Griff.

Lockerer Start mit einer Quizrunde

Nach der kurzen Vorstellungsrunde geht es aber noch nicht ans Eingemachte, eine Quizrunde soll das Eis brechen, die Atmosphäre auflockern. Neun Fragen gilt es zu beantworten, die Kandidatinnen und Kandidaten müssen dabei zusammenarbeiten. Im anderen Team: Vier Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule – und die gewinnen am Ende denkbar knapp.

Dann geht es los: Mehrere Fragen hat das Moderatoren-Duo vorbereitet, spricht ganz bewusst jeweils nicht das ganze Podium an. Da geht es um Vorteile der EU für Deutschland, ob und wie deutsche Interessen in Brüssel besser vertreten werden könnten oder um Umweltschutz und Nachhaltigkeit.

Bei den Vorteilen der EU sind sich alle einig

Wenig überraschend herrscht bei der Eingangsfrage Einigkeit: Reise- und Zollfreiheit seien großartige Errungenschaften der EU, sagt Titus Neumann-Mahlkau. Der Euro als starke Währung und der große Binnenmarkt innerhalb der Staatengemeinschaft müssten ebenfalls genannt werden. „Und natürlich“, schließt der Schüler, „dass es seit mehr als 70 Jahren keinen Krieg mehr gegeben hat“. Zustimmendes Nicken beim Rest der Diskutanten.

Noch einmal das Podium: Ganz rechts Martin Sträßer (CDU) und die beiden Moderatoren Paul Kober und Jason Bloch.
Noch einmal das Podium: Ganz rechts Martin Sträßer (CDU) und die beiden Moderatoren Paul Kober und Jason Bloch. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Wesentlich kontroverser geht es bei den Themen Umweltschutz und Energieversorgung zu. Während Martin Sträßer (CDU) anmahnt, dass demokratische, politische Prozesse Geduld erforderten, weist Sabrina Proschmann (SPD) darauf hin, „dass uns bei manchen Themen die Zeit wegläuft“. Geduld und Langsamkeit seien etwa angesichts des fortschreitenden Klimawandels nicht angesagt.

Kontroverse Diskussionen gibt es auch

Ziemlich unterschiedlich sind auch die Ansichten, was den Begriff „Technologieoffenheit“ anbelangt. Die FDP setze bei der Energiegewinnung darauf, sei gegen Verbote, etwa des Verbrennermotors, sagt deren Kandidat Richard Collings. Liliane Pollmann (Grüne) befürchtet wiederum, dass der Begriff nur verschleiern solle, dass die FDP an Altbewährtem festhalten wolle.

Hoch her geht es auf dem Podium auch, wenn es um Migration und deren Steuerung geht. Einig sind sich alle nur, dass „wir Migration brauchen“. Vor allem mit Blick auf den Arbeitsmarkt und Fachkräfte, fasst Richard Collings (FDP) zusammen. Liliane Pollmann mahnt „differenziertere Diskussionen“ an, denn die aktuellen seien geprägt von „Populismus und Rassismus.“

Publikum hat keinen klaren Favoriten

Ob die Diskussionen auf der Bühne beim jungen Publikum verfangen, ist schwierig einzuschätzen. Klare Präferenzen jedenfalls haben die Schülerinnen und Schüler nicht. Je nach Thema und Aussage gibt es mal mehr, mal weniger Applaus, unabhängig von der Partei.

Zum Schluss dürfen die jungen Wählerinnen und Wähler selber noch Fragen stellen. Was denn gegen Korruption unternommen werde, möchte ein junger Mann wissen: Hier kämen rechtsstaatliche Mittel zum Einsatz, sagt Richard Collings (FDP). Und Martin Sträßer (CDU) fügt an: „Wir müssen als Abgeordnete transparent sein und all unsere Einkünfte offen legen.“ Nur das fördere das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.

Gut zwei Stunden dauert die Diskussionsrunde in der Aula, gut zwei Stunden, in denen angehende Wählerinnen und Wähler aus erster Hand erfahren haben, was die selbst noch überwiegend jungen Politikerinnen und Politiker anstreben. Ob sie denn nun am 9. Juni ihre Kreuzchen setzen werden? „Ich weiß noch nicht“, sagt ein 16-Jähriger. „Ich wüsste gerade nicht, für wen ich mich entscheiden soll.“