Heiligenhaus. Die Jagdausbildung verändert sich: Wie immer mehr Frauen und Familien die Jagd als nachhaltigen Lebensstil in Velbert und Heiligenhaus entdecken.

Die Jagd – ein Bild von tiefen Wäldern, ein Mann oder eine Gruppe von Männern in uniformer Kleidung, auf der Pirsch nach dem Hirsch, der oft schon viele Male entkommen ist, aber nun endlich erlegt werden soll. Dieses Bild prägt oft unsere Vorstellung von der Jagd. Doch in einer Zeit, in der der Veganismus boomt, erlebt auch der Jagdschein einen Aufschwung. Und das selbst bei Menschen, die nicht aus einer traditionellen Jagdfamilie stammen. Was steckt hinter diesem Phänomen?

Förster Hannes Johannsen hat selbst mit 17 Jahren seine Jagdausbildung im Kreis Niederberg absolviert, als Spross einer Försterfamilie war das selbstverständlich, auch die anderen Teilnehmer seien Enkel und Söhne von Jägern gewesen. Das Jagd-Wissen war meist durch den Ausbilder und die Försterfamilie geprägt, hier wurde klar gesagt, was richtig und was falsch ist.

Inzwischen habe sich alles drastisch verändert. Beim Jagdkurs Niederberg trat kürzlich eine Teilnehmerin zur Schießprüfung an – statt der üblichen grünen Kleidung trug sie knallenge Jeans und hatte ihre Patronen in der Gesäßtasche verstaut. Flinte geladen, sauber geschossen und Flinte wieder entladen. „Die fand ich total cool“, sagt Johannsen, der inzwischen selbst Ausbilder ist. Deutlich mehr Frauen machen heute den Jagdschein, in der Jagdschule Niederberg wurde schon ein Kurs mit mehr Frauen als Männern durchgeführt. Früher wäre das undenkbar gewesen. Überhaupt kommen die meisten Teilnehmenden nicht mehr aus Jägerfamilien, denn Jagen liegt im Trend. Das spiegelt sich nicht nur in den sozialen Netzwerken wider.

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Die Hauptgründe, sich für eine Jagdausbildung anzumelden, seien heute vor allem der Wunsch nach eigenem Fleisch, Naturwissen oder die Anschaffung von Jagdhunden, die eine eigene Ausbildung durchlaufen. „Meine Tochter zum Beispiel lebt vegan, aber sie isst das Fleisch, das ich gejagt habe“, erklärt Johannsen. Diese Ernährungsgewohnheit scheint bei vielen jungen Menschen, den sogenannten „Jeganern“, Anklang zu finden. „Als Jäger muss man mindestens zwei gute Gründe haben, um ein Tier zu erlegen. Essen ist einer, der zweite oft, den Bestand zu regulieren – oder damit wir den Wald natürlich verjüngen können. Wenn mein Grund ist, dass ich eine besonders große Trophäe haben will, dann ist das kein Grund, sondern nur eklig“, so Johannsen.

Denn bei der Jagdausbildung gehe es nicht nur um die Jagd an sich, sondern „vor allem darum, das zu retten, was der Mensch verhunzt hat“, meint der Förster. Viele Teilnehmende seien einfach naturbegeistert, ihnen gehe es um die ganzheitliche Betrachtung der Natur. „Oft versteht man das nicht, wenn man selbst kein Jäger ist. Aber nach der Ausbildung sieht man seine Umwelt anders, man nimmt viel mehr wahr“, betont Sylvia Weidinger, die selbst erst seit sechs Jahren Jägerin ist und nun ebenfalls zum Ausbilderteam gehört. Ihre Ausbildung absolvierte sie auch in Niederberg, konnte sich damals aber kaum vorstellen, selbst zu jagen. Vielmehr wollte sie mehr über die Natur lernen: „Ich habe überhaupt keinen jagdlichen Hintergrund. Ich konnte damals einen Rehbock nicht von einem Hirsch unterscheiden und wollte einfach mehr lernen. Ob ich jemals jagen würde, war überhaupt nicht klar.“

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In ihrer jagdlichen Ethik, der „Waidgerechtigkeit“, unterscheide sich das gesamte Ausbilderteam nicht, auch wenn alle aus unterschiedlichen Bereichen kommen. So unterrichtet ein Rechtsanwalt das Jagdrecht, ein Tierarzt die Wildtierkunde und Förster Johannsen den Wald- und Naturschutz. So viele Perspektiven in einer Jagdausbildung seien nicht üblich, meint Weidinger, aber das mache die Ausbildung in Niederberg so einzigartig. „Ich habe manchmal eine etwas altbackene Sichtweise“, gibt Johannsen lachend zu. „Als ich gelernt habe, war die Zeit eben so, wie sie war. Aber was die Gesellschaft wertschätzt, das spiegelt sich auch in der Jagdausbildung wider.“

„Es gibt Menschen, die sich draußen so verhalten, als hätten sie den Wandel der Zeit nicht mitbekommen. Aber das sind nur wenige“, sagt Johannsen. Dennoch betont er, dass die meisten Jäger heute nicht weit von den Naturschutzverbänden entfernt seien. „Es ist erstaunlich, dass Naturschützer heute sagen, die Bäume müssen geschützt werden, deshalb muss Rehwild geschossen werden. Das wäre vor zehn bis 20 Jahren undenkbar gewesen“, erklärt Weidinger. Wildfleisch sei ein ökologisch hochwertiges Naturprodukt, das würden viele Naturschützer heute auch so sehen.

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„Das Töten von Wildtieren ist eine ethische Frage, die jeder für sich beantworten muss“, betont Johannsen. Im Jagdkurs Niederberg sollen die Teilnehmenden durch die verschiedenen Perspektiven der Ausbilder, die umfangreiche sachliche und fachliche Ausbildung, die rund 250 Unterrichtsstunden in acht bis neun Monaten umfasst, und die eigenen Erfahrungen für sich selbst herausfinden, ob oder warum sie töten. „Das hilft den Teilnehmenden, auch zu merken: Ich muss nicht einem bestimmten Bild entsprechen“, sagt Johannsen.

Hannes Johannsen, Jagdausbilder in Heiligenhaus, kritisiert die Trophäenjagd.

„Stolz auf die Beute zu sein, ist etwas Natürliches. Man kann etwas nach Hause bringen, die Familie ernähren. Was ich ablehne, ist Angeberei, Trophäenjagd.“

Hannes Johannsen

Die Ausbilder vertreten dennoch klare Standpunkte. „Man muss das Gleichgewicht finden. Es funktioniert nicht, zu sagen: Alles Wild kann und darf leben. Dafür ist zu wenig Platz. Wenn es zu viele Füchse gibt, überleben bestimmte Vogelarten nicht. Manche Tiere werden zu stark. Das regelt sich nicht mehr von selbst, weil der Mensch so viel eingegriffen hat“, erklärt Weidinger. Der natürliche Kreislauf sei unterbrochen und müsse künstlich hergestellt werden. „Das Gleiche gilt für Tiere, die man nicht jagen kann. Auch da ist die Regulation nicht mehr da. Die können nicht mehr in einem Kreislauf leben, weil etwas fehlt. Was müssen wir jetzt machen? Den Kreis künstlich schließen, indem wir den Bestand so regulieren oder künstliche Strukturen schaffen, damit die Arten sich vermehren und überleben können“, so Johannsen.

Jagd-Influencer: Darum stellen die Ausbilder in Heiligenhaus keine Erlegefotos ins Netz

Vitrinen mit präparierten Vögeln dienen als Anschauungsmaterial für Auszubildende in Heiligenhaus.
Vitrinen mit präparierten Vögeln dienen als Anschauungsmaterial für Auszubildende in Heiligenhaus. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Fotos von erlegtem Wild werden auch von Jägern in sozialen Netzwerken gepostet, die der Ästhetik des Jägerlebens einen neuen, modischen Anstrich geben. Die Fotos von erlegtem Wild werden jedoch oft kritisiert. „Man muss die Jagdkultur historisch einordnen. Stolz auf die Beute zu sein, ist etwas Natürliches. Man kann etwas nach Hause bringen, die Familie ernähren. Was ich ablehne, ist Angeberei, Trophäenjagd“, betont Johannsen. Weidinger stellt auch keine Abschussbilder ins Internet: „Es gibt viele Leute, die das sehen, die nicht jagen und das nicht einordnen können.“ Wichtig sei daher: Wenn man sich entscheidet, ein Erlegefoto zu posten, dann mit Respekt zum Tier und Aufklärung. Ein längerer Text zum Foto bleibt den Verfassern der Posts deshalb nicht erspart.