Mülheim. Ein Gastwirt aus Heißen wird 1963 Opfer eines Verbrechens. Warum der Mord zunächst unentdeckt blieb und was die Polizei schließlich auf die Spur brachte.

Wer am 11. Oktober 1963 die Mülheimer Tageszeitungen aufschlug, fand dort keinen spektakulären Lesestoff, obwohl am Vortag in Heißen ein Mann umgebracht und die Leiche gefunden worden war. Der Grund dafür war einfach. Ein Arzt, der zu dem Toten gerufen worden war und die Leiche nicht sonderlich intensiv in Augenschein genommen hatte, diagnostizierte einen profanen Herzinfarkt als Todesursache. Tatsächlich war das Opfer, der 58-jährige Gastwirt Fritz Oehler, wie sich erst danach herausstellte, aber von einem Unbekannten erschossen worden.

Oehler betrieb in einer gemauerten Nachkriegsbaracke an der Kruppstraße 234 eine Gaststätte. Im Haus nebenan wohnte er. Am Abend des 10. Oktober hörte man in der Umgebung des Lokals Hilferufe. Gäste der Wirtschaft und Angehörige eilten nach draußen und fanden Oehler an der Treppe eines Lokaleingangs liegen. Man rief einen Arzt, trug Oehler ins Haus und der Mediziner nahm Einreibungen gegen Herzanfälle vor. Doch es half nicht. Der Wirt starb eine Viertelstunde später, der Totenschein lautete auf „natürlicher Tod“.

Die Spur der Beretta: Warum Fritz Oehlers Mord zunächst unentdeckt blieb

Als sich die Angehörigen des Toten einige Stunden später in der Wohnung zu schaffen machten, stellten sie fest, dass dort offensichtlich jemand eingebrochen war. Die daraufhin verständigte Kriminalpolizei sah sich nach der Anzeigenaufnahme die Leiche Oehlers nun genauer an. Dabei wurde festgestellt, dass der tote Wirt eine Schussverletzung hatte. Die Leber und eine Hauptschlagader waren durchschossen worden, der Mann war an seinen inneren Verletzungen verblutet.

Ein Projektil des Kalibers 7,65 mm steckte noch in der Leiche und wurde bei der Obduktion in der Rechtsmedizin heraus präpariert. In einer Nische zwischen Badezimmer und Küche wurde bei einer genauen Nachschau durch die inzwischen eingerichtete Mordkommission auch noch eine komplette Patrone gefunden, die dem Täter wohl aus der Waffe gefallen war.

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In dem Zeitungsartikel von 19. Oktober 1963 geht es um die illegale Schusswaffe, die für den Mord an Fritz Oehlers benutzt wurde. Die Mülheimer Kriminalpolizei befragte dazu die Bevölkerung. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Die Mülheimer Kriminalpolizei konnte durch Befragung der Kneipengäste in Erfahrung bringen, dass Oehler das Lokal vor seinem Tod kurz verlassen hatte, weil er in seiner Wohnung nach dem Rechten schauen oder etwas suchen wollte. Dabei musste er wohl auf den Einbrecher, seinen Mörder, gestoßen sein.

Die Ermittler tappten zunächst im Dunkeln. In öffentlichen Fahndungsaufrufen wurde die Bevölkerung gefragt, wer innerhalb des Tatzeitraums im Bereich Kruppstraße/Louis-Ferdinand-Straße möglicherweise eine verdächtige Person gesehen hatte. Auch wollte die Polizei wissen, ob jemand Hinweise auf Personen geben kann, die illegal Schusswaffen besitzen. Möglicherweise sei jemandem auch eine Person aufgefallen, die zahlreiche kleinere Verletzungen tragen könnte, die der Täter sich bei seiner Flucht durch eine Weißdornhecke am Tatort zugezogen haben könnte.

Mülheim sucht den Mörder: Wie die Bevölkerung bei den Ermittlungen half

In den Folgetagen gingen zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung bei der Polizei ein. Ein verdächtiger Mann wurde festgenommen, er musste aber schließlich wieder freigelassen werden. Mehrere Besitzer illegaler Waffen gingen durch Tipps von Hinweisgebern ins Netz und nach einem verdächtigen Mann mit einer Schlägermütze, der in der Nacht nach der Tat auf dem Gelände der Zeche Humboldt gesehen worden war, wurde fieberhaft gefahndet.

3.000 Mark Belohnung, die vom Düsseldorfer Regierungspräsidenten als Belohnung zur Ergreifung des Täters ausgelobt worden waren, motivierten offensichtlich viele Mülheimer zur Unterstützung der Mordkommission. Auch konnte festgestellt werden, dass der Schuss auf den Kneipier aus einer Pistole der italienischen Marke „Beretta“ abgegeben worden sein musste.

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Die Ermittlungen der Kripo führten schließlich auf die Spur eines jungen Mannes – Ulrich Hirschfeld. Kriminalbeamte konnten Hirschfeld nicht nur den Mord an Oehler, sondern auch einen grausam ausgeführten Raubmord in Essen-Dellwig nachweisen, bei dem er einen Mann erschossen und dessen Ehefrau ins Gesicht geschossen und lebensgefährlich verletzt hatte. Die Beretta-Pistole, mit der er gefeuert hatte, hatte Hirschfeld zuvor bei einem Einbruch in eine Bürobaracke in Essen-Frintrop erbeutet.

Gerichtsurteil in Duisburg: Ein Mülheimer Mordfall findet sein Ende

Mitte Mai 1965, rund eineinhalb Jahre nach den Morden, wurde Hirschfeld vor dem Schwurgericht in Duisburg zu dreimal lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Ihm hatte weder geholfen, dass er sein anfänglich abgegebenes Geständnis widerrufen hatte, noch der Versuch seiner Mutter, seiner Schwester und seines Bruders, ihm für die Tatzeiten ein Alibi zu geben. Zu erdrückend fand das Gericht die Beweise, die auf Hirschfeld als Mörder hinwiesen.

Die angebliche Anwesenheit des Angeklagten im Familienkreis während des Oehler-Tatabends sah das Gericht als widerlegt an. Als der Bruder des Angeklagten seine Aussage, sein Bruder sei zuhause gewesen, unter Eid wiederholen sollte, lehnte er dies ohne Begründung ab.

Was die neun Berufsrichter und Schöffen auch in ihrer Überzeugung bestärkt hatte: Hirschfeld hatte in seiner Aussage bei der Polizei zu viele Details der Taten genannt, die nur der Täter wissen konnte. Der Vorsitzende Richter begründete das Urteil: „Hier sind drei Menschen niedergeschossen worden (…), von denen zwei sterben mussten, nur weil es dem Angeklagten um Geld ging.“ Als das Urteil gesprochen war, wurde es im Gerichtssaal laut. Die „Bravo-Rufe“ der zahlreichen Prozessbesucher wurden vom Schluchzen und von den Schreien der Mutter Anna Hirschfeld übertönt: „Mein Sohn ist kein Mörder, mein Sohn ist kein Mörder!“

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