Mülheim. Wir waren eine Schicht lang mit einem Streifenwagen der Polizei unterwegs in Mülheim. Gleich zu Beginn ging‘s im wilden Tempo zum Großeinsatz.

Einen Einblick in eine ganz normale Dienstschicht der Mülheimer Polizei sollte die Redaktion bekommen. Der Beginn dieses Spätdienstes war allerdings dann alles andere als normal.

„Großwohnanlage Kölner Straße. Mann will Schusswaffe besitzen und droht, Menschen zu erschießen“, so lautet die Einsatzinformation der Einsatzleitstelle an der Von-Bock-Straße an die Polizeibeamten, die gerade ihren Dienst angetreten und sich kurz zuvor von ihren Frühdienstkollegen verabschiedet haben.

Mit Blaulicht und im Eiltempo Richtung Mülheimer Innenstadt

Das Streifenteam des „Gruga“-Fahrzeugs, der 27-jährige Jul K. und sein 29-jähriger Kollege Martin L., hat gerade eine Streifenfahrt auf der Oberhausener Straße in Styrum aufgenommen, als sie der Funkspruch aus der Essener Leitstelle erreicht. Schnelles Wenden mitten auf der Straße - und es geht mit hoher Geschwindigkeit, Blaulicht und Martinshorn durch Styrum in Richtung Stadtmitte.

An der großen Kreuzung vor der Konrad-Adenauer-Brücke ist in allen Richtungen starker Verkehr. Beim Vernehmen der Polizeisirene wuseln sich die vielen Fahrzeugführer sichtlich irritiert links und rechts mit ihren Wagen zurecht, fahren teilweise bei „Rot“ auf die Kreuzung, um dem Einsatzwagen irgendwie Platz zu machen und die Durchfahrt auf die Brücke zu ermöglichen. Der Fahrer des Streifenwagens muss teilweise bis auf Schrittgeschwindigkeit herunterbremsen, um niemanden in der Kreuzung zu gefährden.

Mülheims Polizisten greifen zu schusssicheren Helmen und Maschinenpistolen

Bei der Auffahrt auf die Brücke jagt mittlerweile auch ein zweiter Streifenwagen mit Einsatzsignalen direkt hinter dem ersten her. Die rasante Fahrt geht hinter der Brücke über den Kassenberg, die Düsseldorfer Straße und rechts ab auf die Kölner Straße, wo sich überall überraschte Fahrzeugführer an den Straßenrand quetschen.

Beim Eintreffen der beiden Funkwagen sind bereits drei Streifenwagen vor Ort. Auf die fünf folgen in Sekundenabständen der sechste, der siebte, es werden immer mehr. Polizei kommt aus allen Richtungen. Vor Ort, auf einem großen Parkplatz neben der Wohnanlage, beginnt hektisches Treiben. Autotüren fliegen auf, Beamtinnen und Beamte steigen aus, verlassen sich bei diesem unberechenbaren Einsatz, der nicht gut ausgehen muss, nicht alleine auf ihre Schutzwesten, sondern greifen zu schusssicheren Helmen und Maschinenpistolen.

Alarm: Schwerbewaffnet rücken die Einsatzkräfte auf Haus in Mülheim-Selbeck vor

Schwerbewaffnet rücken die Kräfte auf die Straße zu, in der sich das Gebäude mit dem Mann befindet, der gedroht hat, Menschen zu erschießen. Vom auszubildenden Kommissaranwärter über junge Beamte mit wenigen Monaten Diensterfahrung bis hin zu alten Hasen, einer Kampfsporttrainerin und Beamten, die bereits SEK-Prüfungen bestanden haben, ist alles an diesem Tag in Saarn vertreten.

Doch dann kommt die erlösende Nachricht einer Streifenwagenbesatzung über Funk: „Person zu Boden gebracht!“

Mülheimer (24) als gefährlicher Gewalttäter und Drogenabhängiger bekannt

Ein Mann, der in Mülheim-Selbeck mit der Erschießung von Menschen gedroht hat, wird von der Polizei festgesetzt.
Ein Mann, der in Mülheim-Selbeck mit der Erschießung von Menschen gedroht hat, wird von der Polizei festgesetzt. © Frank Kawelovski

Der Dienstgruppenleiter des Spätdienstes, Erster Polizeihauptkommissar Marc Feldermann, der vor Ort erschienen ist, um persönlich die Leitung dieses gefährlichen Einsatzes zu übernehmen, gibt den Kräften Anweisung, weiter vorzurücken, damit klar wird, ob die Lage wirklich schon bereinigt ist. Vor Ort drängt sich eine größere Zahl von Polizisten um einen Mann, der von Beamten an eine Hauswand gedrückt und durchsucht worden ist. Eine Schusswaffe trägt der 24-jährige, als gefährlicher Gewalttäter und Drogenabhängiger bekannte Mann nicht am Körper.

Zumindest in der näheren Umgebung des Mannes wird auch nichts Entsprechendes gefunden. Der Mann wird festgehalten und nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz in eine Klinik eingewiesen. Die Gefahr für die zahlreichen Menschen in der Wohnanlage ist gebannt. Die Armada an Streifenwagen löst sich nach und nach auf.

Vom drohenden Gewaltausbruch zum angefahrenen Reh auf der Großenbaumer Straße

Weiter geht es mit den nächsten Wagen, in dem Robin K. und Robin M. unterwegs sind. Der nächste Einsatz nach dem verhinderten Gewaltausbruch ist nicht ganz so spektakulär wie der erste. Bürger haben gemeldet, dass ein Reh auf der Großenbaumer Straße mit einem Pkw aneinandergeraten ist. Als der Funkwagen eintrifft, sind schon ein Beamter vom Ordnungsamt und die Försterin Frau Schäfer vor Ort. Das Reh hat sich keine Zeit genommen, das Eintreffen der Polizei abzuwarten. Nach Auskunft der Forstbeamtin war das Tier von dem mäßigen Zusammenstoß etwas taumelig, aber offensichtlich nicht schwer verletzt und hatte es vorgezogen, in den sicheren Wald zurückzulaufen. Für die Polizei gibt es hier nichts mehr zu tun.

Nach einer kleineren, folgenlosen Rangelei in der Boverstraße in Dümpten zwischen zwei Schwägern, deren verwandtschaftliches Band offenbar gerissen war, trennen die Polizisten die noch etwas aggressiven Männer im Beisein weiterer Angehöriger und sprechen Platzverweise aus.

Auf nach Mülheim-Broich: „Eine junge Frau hat ihren Suizid angedroht“

Nach einer etwas ruhigeren Streifenfahrt durch die Stadt kommt von der Einsatzleitstelle der Auftrag, nach Broich zu fahren: „Eine junge Frau hat ihren Suizid angedroht.“ Solche Einsätze erlauben keine gemütliche Anfahrt. Wieder geht es mit Blaulicht und Sirene durch die mittlerweile dunklen Straßen.

In einem Mehrfamilienhaus werden in einer Wohnung eine junge Frau und ihre Schwester angetroffen. Die 19-Jährige hatte sich bei der Polizei gemeldet, dass sie sich das Leben nehmen wolle. Auch hier lässt Marc Feldermann seine Beamten mit einer schwierigen Lage nicht alleine und erscheint mit einem weiteren Beamten ebenfalls vor Ort.

Im Mülheimer Krankenhaus verfügt Richter Fixierung der Frau

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Nach einem zunächst eher ruhigen Gespräch, in dem deutlich wird, dass die Frau psychisch krank ist und dringend medizinische Hilfe braucht, wird es zur Überraschung der Einsatzkräfte etwas handfester, als das alarmierte Ordnungsamt und eine Notärztin eine Einweisung in eine psychiatrische Klinik verfügen.

Die junge Frau gebärdet sich auf dem Weg zum Rettungswagen und im Fahrzeug wie eine Wilde, muss festgehalten werden. Die Rettungssanitäter werden im Fahrzeug von einem Polizisten begleitet, während der gesamte Fahrzeugtross Richtung Marienhospital fährt. Im Krankenhaus verfügt ein Richter schließlich die Fixierung der Frau, da sie sich in keiner Weise bändigen lässt und Widerstand leistet.

Nach der Einlieferung einer psychisch Kranken: Streifenwagen vor Mülheims St. Marien-Hospital. 
Nach der Einlieferung einer psychisch Kranken: Streifenwagen vor Mülheims St. Marien-Hospital.  © Frank Kawelovski

Die Bilanz der einen von rund 1000 Mülheimer Dienstschichten im Jahr

Das Resümee dieser einen Schicht am Abend, auf alle Streifenwagen-Besatzungen umgelegt: Neben den vier beschriebenen Einsätzen werden mehrere Unfälle, Verkehrsbehinderungen und Randalierer-Einsätze erledigt, ein vermisster alter Mann kann per GPS-Tracker gefunden werden, ein Ladendieb mit offenem Haftbefehl wird festgenommen, ein Kind mit Suizidabsichten in Obhut gebracht, zahlreiche Anzeigen werden in der Wache aufgenommen.

Eine von rund 1000 Dienstschichten pro Jahr an der Von-Bock-Straße geht nach acht Stunden zu Ende.

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