Mülheim. Nach langer, frustrierender Suche konnte die Ahmadiyya-Gemeinde in Mülheim eine Immobilie kaufen. Die Moschee bekommt bald auch ein Minarett.

„Liebe für Alle - Hass für Keinen“ - was für eine Aufgabe, was für ein Wort. Ein Transparent mit diesem Slogan hängt am Zaun neben dem weiß-grauen Gebäude an der Alstadener Straße in Mülheim-Styrum. Es hat ein sanft abgeschrägtes Dach, ringsherum liegt kurz geschnittener Rasen. Auf der gläsernen Eingangstür klebt die Abbildung eines weißen Minaretts. Erkennungszeichen der Ahmaddiya Muslim Jamaat.

Die islamische Gemeinde war viele Jahre auf der Suche nach einem neuen Zentrum, behalf sich mit angemieteten Räumen am Hans-Böckler-Platz in der Mülheimer City. Bis sie dieses Gotteshaus weit im Norden der Stadt fand, die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage. Die ehemalige Mormonen-Kirche heißt jetzt Maryam Moschee. Der eigentliche Umbau soll bald folgen. Dann bekommt das Gebäude auch ein Minarett.

Mülheimer Maryam Moschee war früher Mormonen-Kirche

Auch im Inneren begegnet man dem Leitsatz „Liebe für Alle...“, er hängt im großen Gebetsraum. Das eigentliche Gotteshaus hat die Gemeinde bislang noch wenig verändert, es wirkt wie ein Konferenzsaal, mit faltbaren Wänden, funktionalen Möbeln, einer Rednertribüne. In der östlichen Ecke liegen farbige Gebetsteppiche, aufgeklebte, parallele Linien auf dem Boden markieren Positionen für das Gebet.

Die Maryam Moschee an der Alstadener Straße in Mülheim: Gebetsteppiche und Stühle sind in östlicher Richtung ausgerichtet.
Die Maryam Moschee an der Alstadener Straße in Mülheim: Gebetsteppiche und Stühle sind in östlicher Richtung ausgerichtet. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Im Jahr 2023, Anfang Februar, hätten sie die Kirche gekauft, berichtet Hamza Tahir Khan, Sprecher der Gemeinde. Inklusive aller Unkosten habe die Gemeinde 1,1 Mio. Euro gezahlt. Das Gebäude habe fast zwei Jahre leer gestanden. Die Moschee sei längst in Betrieb, der Umbau samt Modernisierung in Planung. „Es wird eine größere Baustelle.“ Eine Baugenehmigung liege bereits vor. Die Gemeindemitglieder müssen das Geld aufbringen - sie rechnen mit weiteren 300.000 Euro und hoffen, bis Ende 2025 das Meiste abschließen zu können. „Dann wird die Moschee auch als solche erkennbar sein.“

Mülheimer Gemeinde hat etwa 430 Mitglieder, auch aus Nachbarstädten

Nach Auskunft von Gemeindepräsident Khalid Rashid Jutt gehören etwa 430 Mitglieder zur Mülheimer Gemeinschaft. Auch Gläubige aus Oberhausen, Duisburg oder Essen beten hier. Ahmadiyya versteht sich als islamische Reformbewegung, die von einem - gewählten - Kalifen als geistlichem Oberhaupt angeführt wird und ihren Gründer, der Ende des 19. Jahrhunderts wirkte, als Propheten verehrt. In einigen Ländern, etwa in Pakistan, droht ihren Mitgliedern Verfolgung.

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Ahmadiyya möchte, so formulieren es auch die Mülheimer Gemeindevertreter, einen „friedfertigen Islam“ repräsentieren. Es gibt eine separate Organisation der Frauen, die gerade mit einer Info-Kampagne in Fußgängerzonen von sich reden machen. Alle sind ehrenamtlich tätig, mit Ausnahme des Geistlichen, Imam Mashhood Adeeb.

Kauf einer Neuapostolischen Kirche scheiterte am Widerstand einiger Anwohner

Mit dem Kauf der geräumigen Immobilie hat die Mülheimer Gemeinde ein wichtiges Ziel erreicht. Vor zehn Jahren waren sie schon einmal kurz davor. Auf der Heimaterde stand die Neuapostolische Kirche zum Verkauf. Die Ahmadiyya-Gemeinde hatte Interesse und begann konkret zu planen. Doch einige Anwohner liefen dagegen Sturm, und letztlich zogen sich die Neuapostolen aus den Verkaufsgesprächen zurück. Eine enttäuschende Erfahrung für die Ahmadiyya-Gemeinde. Die Stadt Mülheim bot damals Hilfe bei der erneuten Suche an. „Es war nicht einfach“, sagt Mansoor Tariq, Ansprechpartner bei Ahmadiyya für den interreligiösen Dialog.

„Nach dem Vorfall auf der Heimaterde haben wir uns auch selber kritisch hinterfragt“, berichtet Hamza Tahir Khan: „Warum haben uns die Leute nicht auf dem Schirm? Was müssen wir tun, um mit den Menschen in der Stadt in Kontakt zu kommen?“ Die Ahmadiyya-Gemeinde tritt in Mülheim bewusst durch gemeinnützige Aktionen in Erscheinung. Etwa die „Neujahrsputzaktion“, bundesweit organisiert, bei der Jugendliche Silvestermüll aufsammeln. Auch mit Info-Kampagnen gehen die Muslime seit Jahren immer wieder an die Öffentlichkeit. In Styrum seien sie seit Übernahme des Gebäudes fester Bestandteil der Stadtteilkonferenz, berichtet der Gemeindepräsident.

Neue Moschee mitten im Wohngebiet - kein „Hinterhofcharakter“ mehr

Ihre neue Moschee liegt mitten in einem Wohngebiet, offen an einem Kreisverkehr. Das frühere Gebetszentrum habe eher „Hinterhofcharakter“ gehabt, meint der Gemeindesprecher, „da sind wir jetzt raus und haben ein repräsentatives Gebäude“. Die Styrumer Nachbarschaft könne sehen, wie Muslime im Alltag leben, werde aber nicht durch laute Gebetsrufe gestört.

Repräsentanten der Ahmadiyya-Gemeinde im Gebetsraum der Mülheimer Moschee: (v.li.) Khalid Rashid Jutt (Gemeindepräsident), Hamza Tahir Khan (Kommunikation), Mansoor Tariq (interreligiöser Dialog) und Mashhood Adeeb Ahmed (Imam).
Repräsentanten der Ahmadiyya-Gemeinde im Gebetsraum der Mülheimer Moschee: (v.li.) Khalid Rashid Jutt (Gemeindepräsident), Hamza Tahir Khan (Kommunikation), Mansoor Tariq (interreligiöser Dialog) und Mashhood Adeeb Ahmed (Imam). © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Als sie in Styrum ankamen, hätten sie sich mit einer Flyer-Aktion den Nachbarinnen und Nachbarn vorgestellt und überwiegend positive Reaktionen erlebt, ergänzt Mansoor Tariq. Abgesehen von einer Schmiererei am Gebäude, die man bewusst nicht bei der Polizei angezeigt habe. „Wir wollten uns auf keinen Fall in die Opferrolle bewegen, sondern das Signal senden, dass uns so leicht nichts aus der Ruhe bringt.“ Sie hätten die Schmierereien abgewischt - „seitdem war Ruhe“. Ihnen sei an einem freundschaftlichen Verhältnis zur Nachbarschaft sehr gelegen. „Unsere Tür ist jederzeit geöffnet.“

Mülheimer Bündnis der Religionen wieder aktiviert

Gläubige Menschen in Mülheim haben es an der Zeit gesehen, wieder näher zusammenzurücken. Das „Mülheimer Bündnis der Religionen/ Glaubensgemeinschaften für den Frieden“, das 2007 erstmals mit einer gemeinsamen Erklärung in Erscheinung trat und auch in späteren Jahren gegenseitige Begegnungen initiierte, wird jetzt wieder aktiv. Vom 6. August 2024 datiert eine neue gemeinsame Erklärung, die acht Unterschriften trägt, auch die eines Vertreters der Gemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat.

Der „Frieden“, für den sich das Bündnis gemeinsam einsetzen will, wird dort breit definiert als: „Abwesenheit von Gewalt, auch von struktureller Gewalt (globale Ungerechtigkeit, Armut, Hunger, Obdachlosigkeit, fehlende Gesundheitsversorgung, Recht auf Bildung, Gleichstellung der Geschlechter)“. Man wolle beitragen zum gegenseitigen Verständnis und gemeinsame Aktionen durchführen.

„Möchten uns in die Augen schauen können“

Unterzeichnet haben auch Repräsentanten der katholischen, evangelischen und evangelisch-methodistischen Kirche in Mülheim, der jüdischen und der alevitischen Gemeinde, der Bahai-Gemeinde und der Ditib Fatih Moschee. Die Wiederbelebung des Bündnisses sei maßgeblich auf Initiative von OB Marc Buchholz zustande gekommen, sagen die Vertreter von Ahmaddiya. Buchholz hebt auf Anfrage dieser Redaktion das Engagement von Hasan Tuncer hervor, dem Vorsitzenden des Mülheimer Integrationsrates.

Angesichts der weltpolitischen Lage sei das Bündnis wieder von erhöhter Bedeutung, meint Mansoor Tariq. „Wir möchten eine Atmosphäre schaffen, in der wir uns untereinander in die Augen schauen können, die Hand reichen und zu humanitären Zwecken zusammenarbeiten.“ Nach dem Eindruck der Ahmadiyya-Vertreter habe sich das Klima in Deutschland in den vergangenen Jahren verändert. „Sehr besorgniserregend“, so Gemeindepräsident Khalid Jutt, „ist das Aufkommen der AfD.“ Die rechte Szene sei stärker geworden, „aber in Mülheim haben wir bisher keine Zunahme erlebt - Gott sei Dank.“

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