Mülheim/Essen/Oberhausen/Duisburg. Muslimische Frauen bauen Infostände in der City auf und beantworten Fragen. Was hinter der Kampagne steckt, und was sie zu hören bekommen.

Langärmlige Tuniken oder Mäntel über weit geschnittenen Hosen. Große Tücher, die um den Kopf und die Schultern geschlungen sind, sodass man den Haaransatz gerade noch sieht. Das ist die Alltagskleidung von Nidda-Ul-Fateh Malik (35), Marwah Usman (18) und Farrah Mubeen Malik (40) in der Öffentlichkeit und in Gegenwart von Männern.

So postieren sich die Frauen gelegentlich auch in Fußgängerzonen, in der City, mitten im Geschehen, mit einem Infostand. Blickfang ist dann ein hohes Schild, das sie aufs Straßenpflaster stellen: „Ich bin eine Muslima. Haben Sie Fragen?“ Mitte Juli standen sie auf dem Kurt-Schumacher-Platz in der Mülheimer Innenstadt, am 7. August werden sie in Oberhausen vertreten sein, am 14. August in Duisburg.

Info-Kampagne: Muslimische Frauen aus Mülheim stellen sich in die City

Die Schwestern Nidda-Ul-Fateh und Farrah Mubeen Malik sind Mülheimerinnen und beide Mütter von vier Kindern. Marwah Usman lebt in Oberhausen, sie hat gerade Abitur gemacht und möchte Medizin studieren. Die Info-Kampagne ist keine Privataktion, sondern wird von der „Lajna Imaillah“ getragen, Frauenorganisation der islamischen Gemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat. Die Religionsgemeinschaft hat ihre Wurzeln in Indien, viele deutsche Mitglieder - auch die drei Frauen - sind aus Pakistan zugewandert, wo Ahmadiyya-Anhänger verfolgt werden.

Nidda-Ul-Fateh und Farrah Mubeen Malik kamen schon als kleine Kinder nach Deutschland, Marwah Usman vor acht Jahren. Bei der Info-Kampagne engagieren sie sich gemeinsam mit weiteren Frauen, nicht nur aus Mülheim. „Lajna Imaillah“ habe hier und in den Nachbarstädten etwa 140 weibliche Mitglieder, berichten die Frauen. Der Einzugsbereich der Ahmadiyya-Gemeinde, die in der Styrumer Maryam Moschee zusammenkommt, umfasst auch Essen, Duisburg, Oberhausen. Die Aktion „Ich bin eine Muslima“ läuft allerdings bundesweit, seit nunmehr sechs Jahren.

Hemmschwelle der Passanten scheint größer als vor fünf Jahren

Die Frauen bauen morgens ihren Stand auf, zwischen Passantinnen und Passanten, installieren das Schild. Einige haben ihre Kinder dabei. „Dann warten wir erst einmal ab“, sagt Farrah Mubeen Malik. „Interessant ist, wie die Leute gucken, wenn sich kopftuchtragende Frauen dort hinstellen.“ Unsicherheit nehmen sie wahr, Scheu, eigene Fragen persönlich zu formulieren.

Vor fünf Jahren hätten sie schon einmal in der Mülheimer City gestanden, berichtet Nidda-Ul-Fateh Malik. „Dieses Mal haben uns noch weniger Menschen angesprochen. Wir haben das Gefühl, die Hemmschwelle ist größer geworden.“ Immerhin seien sie an dem Vormittag mit 20 bis 25 Menschen ins Gespräch gekommen. Manchmal nach längerer Anlaufphase.

„Wer hat Sie gezwungen, das Kopftuch zu tragen?“

Die Muslimas schildern ein Beispiel: Ein älteres Paar kommt an ihrem Stand vorbei, beide mit Fahrrädern. Erst laufen sie vorüber, halten an, beobachten aus der Ferne. Dann kehren sie zurück. Der Herr sagt: „Ich habe doch eine Frage: Wer hat Sie gezwungen, das Kopftuch zu tragen?“ Er spricht aus, was die meisten, die sich zu fragen wagen, wissen möchten.

Das Kopftuch ist für viele Menschen in Deutschland zum Symbol für den Islam geworden. „Wir leugnen nicht, dass es Frauen gibt, die gezwungen werden, es zu tragen“, sagt Farrah Mubeen Malik. Für die Mitglieder ihrer Gemeinschaft, die sich als Reformbewegung versteht und den Islam von „Verkrustungen“ befreien will, gelte das nicht. Sie betonen, „dass der Islam die Frau eben nicht unterdrückt, sondern im Gegenteil dazu anspornt, sich zu entfalten“. Nicht alle Frauen aus ihrem Kreis trügen ein Kopftuch. „Einige tragen es im Beruf nicht, einige auch im Alltag nicht.“ Eben, weil es freiwillig geschehe, so die Vertreterinnen der „Lajna Imaillah“.

Muslima: Islam wird immer mehr zu politischen Zwecken missbraucht

Sie wollen es den Menschen plakativ nahebringen. Ihre Aufsteller tragen eine Parole, unterlegt in Schwarz-Rot-Gold: „Mein Kopftuch - meine Wahl. Deutschland - meine Heimat.“ Im Gespräch betonen die Frauen die Bedeutung von Bildung und Berufstätigkeit, gerade auch für Mädchen. Und es sei selbstverständlich, die deutsche Sprache zu beherrschen. Sie seien in Mülheim gut vernetzt, sagt Farrah Mubeen Malik. Sie selber studiere, neben Familienarbeit und Ehrenamt, Soziologie an der Universität Duisburg/Essen mit dem Ziel eines Masterabschlusses.

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„Der Islam wird immer mehr zu politischen Zwecken missbraucht“, sagt Nidda-Ul-Fateh Malik, „die Menschen sollten differenzieren zwischen der Religion und der Handlung des Einzelnen - das ist eine große Herausforderung“. Die Frauen nehmen sie an und wollen weiterhin auf die Straße gehen, beflügelt von freundlichen Kommentaren, die sie letztens auf dem Kurt-Schumacher-Platz mehrfach gehört hätten: „Toll, dass ihr hier steht!“

Es gebe allerdings auch die andere Seite, räumt Nidda-Ul-Fateh Malik ein. Jemand läuft vorbei, liest das Plakat und zischt: „Ihr seid Scheiße!“ Die 35-Jährige sagt: „Da steht man drüber. Die positiven Reaktionen gleichen das aus.“

Die Info-Kampagne „Ich bin eine Muslima – haben Sie Fragen?“ macht am 7. August auf der Marktstraße in Oberhausen Station, am 14. August auf der Königstraße in der Duisburger City, jeweils von 9 bis 13 Uhr.

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