Mülheim. Erneut vermeldet die Stadt Mülheim neue Denkmäler. Neben zwei Kirchen ist wieder eine Tankstelle dabei. Ein Politiker runzelt mit der Stirn.
Mülheims Denkmalschutzbehörde bleibt rege bei der Unterschutzstellung von Gebäuden. Neu in die Denkmalliste eingetragen sind zwei weitere Kirchen und erneut eine Tankstelle. Was bei einem CDU-Politiker dafür sorgte, nach dem Sinn zu fragen.
Der Leiter der Mülheimer Denkmalschutzbehörde, Axel Booß, präsentierte die neuen Denkmäler dieser Tage den Mitgliedern des Planungsausschusses. Unter Schutz gestellt sind nun die katholische Kirche Heilig Geist und die Pauluskirche als evangelisches Pendant in Holthausen. Im Stadtteil ist auch das dritte neue Baudenkmal verortet: die Aral-Tankstelle an der B1/Röntgenstraße.
Gerade mal 30 Jahre alt: Auch Kirchturm von Heilig Geist steht unter Denkmalschutz
Zunächst aber zu den Kirchen. Die Kirche Heilig Geist mit Sakristei und Kirchturm (Adresse: Marienburger Weg 5) ist 1966/67 errichtet und 1993 durch einen markant schmalen Kirchturm ergänzt worden. Verantwortlich zeichneten dafür die Architekten Emil Steffann und später Gisberth Hülsmann.
Als denkmalwert eingestuft sind nun das Äußere und Innere der Kirche, mitsamt Sakristei, alles in bauzeitlicher Substanz und historischer Ausstattung erhalten. Aufgrund substanzieller Veränderungen sind das Pfarrhaus, das Pfarr- und Jugendheim und der Kindergarten nicht als Denkmal eingestuft. Dafür aber der Glockenturm, weil er, so Booß, aus denkmalfachlicher Sicht „eine weithin sichtbare Landmarke darstellt und hierüber zur Identifikation des kirchlichen Standortes innerhalb des städtischen Gefüges beiträgt“.
Auch berkenswert sei, dass Architekt Hülsmann hier die gestalterische und architektonische Handschrift Steffanns aufgegriffen habe. Bekanntlich sucht das Bistum einen Käufer für die Kirche und anderen Gebäude; dieser müsste nun den Denkmalschutz mitbedenken.
Mülheims Pauluskirche: „Anschauliches Beispiel für den modernen Kirchenbau der 1970er Jahre“
Unter Schutz gestellt ist auch die evangelische Pauluskirche an der Sauerbruchstraße 33. Wie der Kirchturm von Heilig Geist ist auch sie ein Bauwerk jüngeren Datums. Errichtet wurde sie zwischen 1974 und 1975 nach Plänen des Mülheimer Architekten Aribert Riege. „Es handelt sich um einen modernen, streng geometrischen Zentralbau von ausgesuchter Materialität. Das äußere Erscheinungsbild wird maßgeblich von den Stahlbetonstützen, dem Wechsel zwischen großzügig durchfensterten Bereichen und den mit Betonsteinen verkleideten, geschlossenen Wandflächen, dem bekrönenden Fensterband und den aufgekanteten Dachecken geprägt“, so beschrieb Booß den Bau.
Im Innenraum setze sich die Materialität fort. Einzig die gekrümmten, geschwungenen Treppenhäuser brächen das sonst streng rechtwinklige System auf. Der Bau sei ein „anschauliches und gut erhaltenes Beispiel für den modernen Kirchenbau der 1970er Jahre“, heißt es.
Mülheimer Tankstelle an der B1 war einst die größte im Ruhrgebiet
Und dann wäre da noch die Aral-Tankstelle an der B1 in Holthausen, die nun denkmalgeschützt ist. Vor einiger Zeit erst hatte die Stadt eine ehemalige Tankstelle an der Kalkstraße unter Schutz gestellt, nun also eine weitere. Die Tankstelle ist 1951/52 im Auftrag des ältesten Mülheimer Tankstellen-Unternehmens Pierburg & Wolke entstanden. Der Architekt hieß auch Pierburg, mit Vornamen Rudolf.
Die Tankstelle galt laut Booß Anfang der 1950er-Jahre als größte Tankstelle im Ruhrgebiet. „Der Neubau zeichnete sich durch zahlreiche Innovationen, wie etwa die überdachte Wagenwäsche und den überdachten Abschmierdienst für Lkw und Pkw, aus.“ Trotz einiger, überwiegend reversibler Veränderungen (Verkleidung der Wagenwaschhalle und des einst filigranen Flachdaches) sei die Tankstelle in ihren wesentlichen charakteristischen Merkmalen gut erhalten. Den Denkmalwert begründet die Tankstelle als frühes wie seltenes Zeugnis innovativer Tankstellen-Architektur und der Massenmotorisierung in der Wirtschaftswunder-Zeit.
Mülheimer CDU-Politik stößt sich am Denkmalschutz für manche Kirche
Im Ratsaal runzelte einer bei der Präsentation die Stirn: Eckart Capitain von der CDU. Wo bitteschön sei „der Nutzen, alles aus den 1960ern unter Denkmalschutz zu stellen“, was als Landmarke erachtet werde wie der Kirchturm von Heilig Geist? Sei jetzt auch jeder Wasserturm, etwa auf der Heimaterde, seien die Iduna-Hochhäuser in der Innenstadt die nächsten Denkmäler?
Capitain erklärte seine Ablehnung, die Stadt möge „nicht alles unter Denkmalschutz stellen“, und äußerte seinen Spott zu der einen oder anderen Formulierung in den Begründungen des Denkmalwerts der Kirchen. Ginge es nach Capitain, würden weniger Kirchen unter Schutz gestellt. „Ja, die Kirchen verschwinden“, sagte er mit Blick auf den Trend, dass Gemeinden ihre Gotteshäuser aufgeben. „Gemeinden bestehen nicht aus Gebäuden, sondern aus Menschen“, erklärte er seine Haltung, dass manch eine aufgegebene Kirche offenbar ruhig dem Abrissbagger zum Opfer fallen dürfte.
„Gemeinden bestehen nicht aus Gebäuden, sondern aus Menschen.“
Baudezernent: Nicht alle Mülheimer Kirchen kommen unter Denkmalschutz
Widerspruch erntete Capitain von Architekt Klaus Ruppin, der als sachkundiger Bürger im Planungsausschuss aktiv ist. Man möge sich doch einmal vorstellen, wenn sämtliche aufgegebenen Kirchengebäude aus Mülheims Stadtteilen verschwinden würden. „Wir hätten ein deutlich uniformeres Stadtbild“, das wäre „bedauerlich“, so Ruppin.
Baudezernent Felix Blasch erläuterte die zunehmende Unterschutzstellung von Kirchen. Die Obere Denkmalbehörde beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) habe in ihrem Bezirk sämtliche Nachkriegskirchen auf ihren Denkmalwert geprüft. Er verwies darauf, dass sich etwa in Essen ein Streit darüber entfacht habe, weil dort tatsächlich für alle Kirchen gutachterlich ein Denkmalwert festgestellt worden sei. „Hier in Mülheim sollen nicht alle Kirchen unter Schutz gestellt werden“, so Blasch. „Da schaut der LVR schon genau hin.“
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