Mülheim. . Die Alevitische Gemeinde machte am Sonntag den Auftakt zu einer neuen religiösen Begegnungsreihe. Ziel ist es, Verständnis füreinander zu gewinnen.

Der gegenseitige Gottesdienstbesuch bei sieben unterschiedlichen Religionsgemeinschaften steht im Fokus der Begegnungen, die das „Mülheimer Bündnis der Religionen / Glaubensgemeinschaften für den Frieden“ bis Anfang 2016 veranstalten möchte. Die Besucher sollen erfahren, was andere Religionen ausmacht, sich willkommen fühlen und, wie der Titel der Reihe wünscht, „sich einander ins Herz schauen“.

Den Auftakt machten am Sonntag die Aleviten. Die Gäste werden herzlich von den Gemeindemitgliedern begrüßt, Gespräche entwickeln sich schnell. Vor der Versammlung („Cem“) gibt Selahattin Erkan, der „Dede“ -- sinngemäß übersetzt der geistliche Wegbegleiter -- Erklärungen zur alevitischen Religionsgemeinschaft. Nehmen die Gäste erst noch zögerlich auf Stühlen Platz, folgen die meisten der freundlichen Einladung des Dede, sich zu den Gemeindemitgliedern auf den mit Teppichen ausgelegten Boden zu setzen.

Inamaria Wronka von der Mülheimer Initiative für Toleranz und Ulrike Beckermann ist der interreligiöse Dialog in ihrer Stadt wichtig, deswegen sind sie interessiert gekommen. Die Oberbürgermeister-Kandidaten Werner Oesterwind und Ulrich Scholten lassen es sich nicht nehmen, mit ihrem Besuch ein Zeichen zu setzen.

Jeder trägt einen Teil von Gott in sich

Aber auch das alevitische Gemeindemitglied Sevil Elbüstü erhofft sich neue Informationen von der Veranstaltung, denn „heute wird die Cem auf deutsch abgehalten“, erklärt sie und gibt zu: Da sie besser deutsch als türkisch spreche, verstehe sie sonst nicht immer alles. Zur Frage, ob die Anzahl der anwesenden Gemeindemitglieder für eine Cem üblich sei, verneint sie vehement. Sehr viele, vor allem ältere Mitglieder, seien noch im Sommerurlaub in der Türkei. Normalerweise sei der Raum rappelvoll, und wenn die Versammlung, die leicht zwei bis drei Stunden dauern könne, begonnen habe, blieben alle bis zum Schluss dabei. Von den 2000 bis 3000 Aleviten in Mülheim seien 60 Familien Mitglieder beim alevitischen Verein, so Dede Selahattin Erkan

Nachdem alle ein Glas Tee getrunken und sich gesetzt haben, beginnt Erkan, als geistlicher Führer im ganz NRW unterwegs, mit seinen Erläuterungen. Sein Amt werde vererbt und sei kein bezahlter Beruf, sondern eine Berufung. Die Inhalte würden mündlich vom Vater auf den Sohn oder manchmal auch auf die Tochter überliefert. „Im Mittelpunkt unseres Glaubens steht der Mensch, und jeder trägt einen Teil von Gott in sich. Das nennt man „Can“, Seele“, erklärt Erkan. „Deshalb gibt es bei den Aleviten, die zum großen Teil aus Anatolien stammen, keine Geschlechtertrennung, und alle Menschen sind gleichberechtigt“, betont der IT-Experte aus Moers. Sie versuchten, mit jedem Menschen gut zurechtzukommen. Das spiegele sich in ihrer Versammlung wider, die erst dann richtig beginne, wenn eventuelle Streitigkeiten unter allen Anwesenden geklärt seien.