Mülheim. Jede Religion hat ihre eigenen Traditionen, auch über den Tod hinaus. Wo aber liegen Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten zum Christentum?

Wer einen Gang über den jüdischen Friedhof an der Gracht oder das muslimische Gräberfeld auf dem Hauptfriedhof an der Zeppelinstraße macht, wird schnell einige augenfällige Unterschiede zu christlichen Begräbnisstätten erkennen. Inwieweit aber unterscheidet sich die Bestattungs- und Friedhofskultur zwischen den Religionen möglicherweise und von welchen grundlegenden Vorstellungen?

In einem Gespräch klärt der Oberrabbiner der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen, David Geballe, über Besonderheiten des jüdischen Bestattungswesens auf. So ist bei Juden etwa die sarglose Bestattung üblich. Anders als im Christentum werden die Körper der Toten üblicherweise in Tücher gehüllt und ohne Sarg beigesetzt. Da die Bestattungsgesetze der Bundesländer bis vor einigen Jahren aber keine Bestattung ohne Sarg beziehungsweise Urne zuließen, wurden jüdische Verstorbene in ganz schlichte Holzsärge gelegt. Zur Beschleunigung der Verwesung wurden Löcher in die Särge gebohrt und den Toten noch Säckchen mit Erde in den Sarg beigegeben.

Jüdischer Friedhof in Mülheim: nur Erdgräber

Auf dem jüdischen Friedhof, der 1777 erstmalig urkundlich erwähnt ist, wahrscheinlich aber schon seit 1730 Bestattungsort, fällt die Nüchternheit der Gräber auf. Anders als bei christlichen Gräbern wird hier fast vollständig auf Blumenschmuck und sonstige Dekorationen verzichtet. Auffallend sind kleine Kieselsteine auf den Grabsteinen sowie Inschriften, teils in deutscher Sprache, teils in hebräischen Schriftzeichen. Auch gibt es keinerlei Urnen-, sondern nur Erdgräber.

Kleine Steine liegen am Mittwoch, 15.05.2024, auf einem Grabstein des Jüdischen Friedhofs an der Gracht in Mülheim an der Ruhr. Damit zeigen die Hinterbliebenen, dass der/die Verstorbene nicht vergessen ist.Foto: Martin Möller /Funke Foto Services
Kleine Steine liegen am Mittwoch, 15.05.2024, auf einem Grabstein des Jüdischen Friedhofs an der Gracht in Mülheim an der Ruhr. Damit zeigen die Hinterbliebenen, dass der/die Verstorbene nicht vergessen ist.Foto: Martin Möller /Funke Foto Services © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Eine Einäscherung eines Toten ist aus jüdischer Sicht allerdings nicht gewollt, da der Körper zu Lebzeiten als Wohnung der Seele betrachtet wird, die nicht durch Feuer zerstört werden darf. „Eine Feuerbestattung kommt aber auch mit Blick auf den Nationalsozialismus nicht infrage. Damals wurden jüdische Menschen gleichfalls verbrannt“, erklärt David Geballe. Bei der Beerdigung haben die Trauernden Kopfbedeckungen zu tragen. Die Trauerfeiern seien eher kurz. Es werden ein paar Gebete gesprochen und die guten Eigenschaften des Verstorbenen genannt, ob er im Leben nun besonders gastfreundlich war, häufig gebetet hat oder anderes Gutes an den Tag gelegt hat.

Rabbiner David Geballe von der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen erklärt die jüdischen Bestattungsbräuche.
Rabbiner David Geballe von der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen erklärt die jüdischen Bestattungsbräuche. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Mülheimer Hauptfriedhof hat 200-300 muslimische Gräber

Auf den Gräbern werde zwar hier oder da Blumensträuße abgestellt, aber grundsätzlich seien sie nach dem Religionsgesetz verpönt, da sie eher für Vergänglichkeit und nicht für die Ewigkeit Sinnbild seien. Aus diesem Grund werden von Besuchern kleine Steine auf den Grabplatten abgelegt, da sie die Ewigkeit symbolisierten. Grabstätten sind auf jüdischen Friedhöfen auf die Ewigkeit ausgerichtet, sie werden nicht eingeebnet und nicht neu belegt. Die bei Christen übliche Raue, bei der die Trauergemeinde oft in einem Café des Toten gedenkt und sich unterhält, ist in der jüdischen Kultur unüblich. Hier bleiben die engsten Angehörigen sieben Tage lang zu Hause und sind von allen Pflichten wie der Arbeit, dem Gang zur Synagoge und selbst von der Hausarbeit befreit. Andere Verwandte, Freunde und Nachbarn bringen ihnen Essen nach Hause und kümmern sich um sie.

Wie sieht es in der muslimischen Kultur aus? Bei einem Besuch auf dem muslimischen Gräberfeld auf dem Hauptfriedhof fällt die ausnahmslose Ausrichtung der Gräber in eine Richtung auf. Alle Grabstätten weisen in Richtung Mekka. Die Namen der Verstorbenen auf den Grabmälern deuten auf deren Herkunft aus der Türkei, aus arabischen Ländern und vom Balkan hin. Ein Grab gibt einen Hinweis auf eine vermutlich konvertierte Frau: Zwei eindeutig deutsche Vornamen, aber ein türkischer Nachname. Auch die muslimischen Gräber sind nüchterner als die christlichen Gräber, wenngleich nicht in solchem Maße wie auf dem jüdischen Friedhof.

Die Gräber auf dem kleinen muslimischen Teil des Hauptfriedhofs in Mülheim sind alle gen Mekka ausgerichtet.
Die Gräber auf dem kleinen muslimischen Teil des Hauptfriedhofs in Mülheim sind alle gen Mekka ausgerichtet. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Mülheimer Imam klärt über die Bräuche auf

Über die islamische Bestattungskultur geben der Vorsitzende der Hamza Moschee-Gemeinde an der Friedrichstraße, Najim Elmokaddem, und der Imam der Gemeinde, Mohammed Mansour, Aufschluss. Wenn ein Mensch stirbt, berichten die beiden, versammeln sich nahestehende Menschen um ihn und sprechen in seinen letzten Stunden mit ihm über die Hoffnung auf das Paradies. Soweit möglich, werde noch der Imam ans Sterbebett gerufen, was aber nicht immer zu schaffen sei. Ist der Betroffene verstorben, werden ihm die Augen geschlossen. Danach erfolge die rituelle Waschung des Körpers, die einem festgelegten Ablauf folgt. Wurde die Waschung früher regelmäßig durch die Familie durchgeführt, sei sie mittlerweile oft in die Hände des Bestatters gelegt.

Danach werde der Tote in ein weißes Leichentuch gehüllt. Männern werde zudem noch ein Turban, Frauen ein Kopftuch angelegt. Die Leiche werde dann in die Moschee oder auf einen Friedhof gebracht. Die schwache Belegung des islamischen Grabfelds auf dem hiesigen Hauptfriedhof hat nach Auskunft von Najim Elmokaddem damit zu tun, dass viele ältere Muslime den Wunsch haben, in ihre Herkunftsländer überführt und dort beigesetzt zu werden. Erst jüngere Generationen lassen sich aber vermehrt auch in Deutschland bestatten.

Die Inschrift „rahmetli“ bedeutet auf Deutsch so viel wie „selig“ oder „verstorben“.
Die Inschrift „rahmetli“ bedeutet auf Deutsch so viel wie „selig“ oder „verstorben“. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Die Menschlichkeit endet nicht mit dem Tod“

Genauso wie bei den Juden kommt für Muslime eine Feuerbestattung nicht infrage, denn – so Imam Mohammed Mansour: „Die Menschlichkeit endet nicht mit dem Tod“. Die Verbrennung seines Körpers würde als respektlos empfunden. Anders als im Judentum gibt es für islamische Gräber aber keine Ewigkeitsgarantie. Die Belegung erfolge häufig auf 40 Jahre. Der Geistliche räumt im Gespräch mit der verbreiteten Annahme auf, dass ein Muslim innerhalb von 24 Stunden beerdigt sein muss.

Abgesehen davon, dass die deutschen Bestattungsgesetze dies gar nicht zulassen würden, gebe es solch eine starre Regel im Islam auch nicht. Es gelte nur, die Toten so schnell wie möglich zu beerdigen. Die Anforderung einer schnellen Bestattung habe aus althergebrachter Zeit noch Gründe, die in der Hygiene und der Vermeidung von Seuchen liegen.

Bei allen Unterschieden - eines eint die christlichen, islamischen und jüdischen Bestattungen: Die Würde des Verstorbenen steht an erster Stelle.

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