Mülheim. Ein aufregendes Jahr mit der ZUE für bis zu 650 Flüchtlinge in Mülheim-Raadt ist vorüber. Ein Jahr steht noch bevor. Zeit für die Halbzeitbilanz.
Die Tage der umstrittenen Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) für geflüchtete Menschen inmitten der beschaulichen Wohnsiedlung im Mülheimer Ortsteil Raadt sind gezählt. Nachdem der Stadtrat sein Vetorecht gegen eine Verlängerung des Mietvertrages über den Sommer 2025 hinaus geltend gemacht hat, ziehen die Bezirksregierung als Betreiberin und Anwohner „Halbzeitbilanz“.
Derzeit leben 545 Menschen in der ZUE in Raadt, gab die Bezirksregierung am Freitag Auskunft. Zuletzt hatte es wieder ein paar Feueralarme gegeben, den vorerst letzten am 24. Juni. Auch hatten sich Anwohner aus Raadt an die Bezirksregierung gewendet und beklagt, dass die Sommerzeit wieder zu „spürbar mehr Unruhe, auch zu später Stunde“, führe.
Bezirksregierung sucht in Mülheim keine Alternative für die ZUE
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Altbekannte Themen seit Inbetriebnahme der ZUE im Juni 2023. Die ganz große Aufregung gibt es aber nicht mehr. Routiniert ist der Austausch zwischen Landesbehörde, Einrichtungsleitung und Anwohnern. „Das eine Jahr schaffen wir jetzt auch noch irgendwie“, sagt ein Familienvater, der nur wenige Meter entfernt von der großen Geflüchtetenunterkunft in einem Eigenheim der Theodor-Wüllenkemper-Siedlung wohnt.
Wie andere im Umfeld atmet er auf angesichts der Entscheidung am Donnerstag im Stadtrat, das Veto gegen eine Mietvertragsverlängerung für die ZUE zu ziehen. Der Mietvertrag endet laut Bezirksregierung am 14. Juni 2025. Das Gebäude sei an diesem Tag „besenrein“ zu übergeben, so eine Sprecherin. „Das bedeutet, dass bereits einige Zeit vorher keine neuen Bewohnerinnen und Bewohner mehr aufgenommen werden und die in der ZUE wohnenden Menschen entweder einer Kommune zugewiesen oder in andere Landesunterkünfte umziehen werden.“ Die Sprecherin wies darauf hin, dass das Land weiterhin gefordert sei, ausreichend Unterbringungsplätze in Landeseinrichtungen vorzuhalten. Derzeit würden aber keine Alternativ-Standorte im Mülheimer Stadtgebiet geprüft.
ZUE: „Alle Beteiligte hätten sich wahrscheinlich einen geschmeidigeren Start gewünscht“
Nach gut einem Jahr des Betriebs zog die Bezirksregierung eine Halbzeitbilanz: „Alle Beteiligte hätten sich wahrscheinlich einen geschmeidigeren Start gewünscht, inzwischen sind die Arbeitsabläufe eingespielt und verlaufen routinemäßig. Von den in der Einrichtung lebenden Menschen wird der Standort durchaus als angenehme Unterkunft wahrgenommen“, äußerte sich Sprecherin Beatrix Van Vlodrop auf Anfrage dieser Redaktion.
Nachbarn der ZUE geben sich ebenfalls versöhnlich, nachdem anfangs der Ärger groß war angesichts der vielen Fehlalarme, von Lärm oder auch des Betretens von Privatgrundstücken durch Bewohner der ZUE. Ein 34-jähriger Nachbar ist mit der Entwicklung zufrieden. „Es hat sich alles ganz gut eingespielt.“ Der Austausch in den Bürgersprechstunden sei „gut und wertvoll“, loben er und ein weiterer Nachbar aus der Siedlung die fortwährende Bereitschaft zum Dialog seitens der ZUE-Leitung, aber auch von OB Marc Buchholz und Sozialdezernentin Daniele Grobe, die sich hier sehr engagiert zeigten. „Es war ein schwieriges Jahr, aber mit den gemeinsamen Anstrengungen von Bezirksregierung, Stadt und Anwohnern haben wir es hingekriegt.“ Als Anwohner fühle er sich ernst genommen.
Anwohner in Mülheim-Raadt: „Wenn man sich überlegt, wo wir herkommen...“
Viel habe man erreichen können. Es habe ein neues Brandschutzkonzept zur Prävention ausufernder Fehlalarme gegeben, der Sicherheitsdienst sei aufgestockt worden, konstruktiv werde bei den Bürgersprechstunden nach Lösungen gesucht. „Wenn man sich überlegt, wo wir herkommen...“ – der Familienvater erinnert daran, dass man sich in Raadt anfangs komplett übergangen fühlte. Dass es eine Großunterkunft für Geflüchtete geben würde, habe man nur aus der Berichterstattung dieser Redaktion erfahren.
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Die Verärgerung, gar Wut ist heute gewichen. Das spiegeln zumindest die Familienväter aus der Siedlung. Es sei nicht selbstverständlich, dass sich die Behörden so intensiv dem Dialog mit den Bürgern vor Ort stellen würden. „Es ist anzuerkennen, dass sie mit uns nach Lösungen gesucht haben, das war sehr bürgernah.“ Das klingt nach Versöhnung. Ein anderer spricht von einem „vernünftigen Miteinander“ – auch mit den geflüchteten Menschen. Man müsse bei all den Problemen, die es gebe, immer bedenken, dass diese Menschen aus fremden Ländern und Kulturen kämen und sich vor Ort erst zurechtfinden müssten.
Nachbarn der ZUE in Mülheim-Raadt richten jedoch einen Appell an Land und Stadt
Einen Appell an alle Verantwortlichen für die ZUE äußerte ein Nachbar stellvertretend für andere aber doch: „Wir haben uns alle gemeinsam so angestrengt, es hinzukriegen. Man darf jetzt nicht müde werden und nicht nachlassen. Das Veto sollte jetzt kein Freifahrtschein sein, dass alles wieder aus dem Ruder läuft.“ Die Bürgersprechstunde habe sich als geeignetes Format bewährt, sie gelte es bis zum Schluss fortzuführen.
Die Anwohner hoffen, dass der Kommunikationsfaden auch in Zukunft nicht wieder abreißt, wenn es darum geht, die Zukunft für das alte, zuvor länger leerstehende Bürogebäude zu planen. Der Essener Eigentümer Peter Jänsch favorisierte den Umbau der Immobilie zu Wohnraum, dafür müsste die Politik aber das Baurecht ändern. Denkbar wäre auch, nach dem Vorbild nebenan zu verfahren, das alte T-Systems- wie das Agiplan-Gebäude abzureißen und Einfamilienhäuser dort hinzusetzen. Fraglich aber ist dem Vernehmen nach, ob die Politik eine weitere der ohnehin knappen Gewerbeflächen opfern will.
Was kommt nach der ZUE in Mülheim-Raadt? Bürger fordern Informationen
Bei den Nachbarn ist ein klarer Wunsch dazu auch nicht herauszuhören. Einer der Familienväter könnte „auch damit leben, wenn wieder Gewerbe einzieht, das nicht stört“. Es bringe Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Die vorhandene Tiefgarage lasse keinen Parkdruck entstehen und am Wochenende sei in der Regel Ruhe. Er könne sich aber auch vorstellen, dass das Bürogebäude fällt und die vorhandene Tiefgarage einer neuen Wohnnutzung diene. Sein Nachbar wünscht sich den Abriss und Wohnen, aber nicht im Großformat, sondern als kleine Siedlung, die sich mit Einfamilienhäusern in die Nachbarschaft einfügt. „Dann hat man zwar zwei bis drei Jahre Baulärm, aber danach ist Ruhe.“
Einig sind sich die Nachbarn aber in einer Sache: „Wir wollen nicht vom Regen in die Traufe kommen“, womit sie einmal mehr eine frühzeitige offene Kommunikation seitens der Stadt fordern.
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