Hattingen. Tigisti ist in Hattingen angekommen, hat Arbeit gefunden. Sie und andere erzählen von ihrer traumatischen Flucht und dem harten Weg in den Beruf.
Tigistis Vater war evangelischer Pfarrer. Für seinen Glauben stirbt er - in Eritrea im Gefängnis. Die Tochter flieht mit der Familie in den Sudan. „Aber hier gehörten wir nicht richtig dazu, weil wir nicht muslimisch waren. So wollte ich nicht weiterleben. Ich wollte Freiheit.“ Zehn Frauen erzählen in einer Ausstellung in Hattingen von ihrem Weg in die Arbeitswelt in Hattingen. Ihre Geschichten.
Tigisti macht sich mit Freundinnen vom Sudan auf den Weg durch die Sahara nach Libyen und über das Mittelmeer nach Italien. „Ich hatte ein großes Schiff erwartet, aber es war ein Schlauchboot, das auch noch undicht war“, erinnert sie sich. Drei Tage und Nächte treiben sie auf dem Meer, werden dann gerettet. In Deutschland weint sie viel, hört irgendwann vom Frauen-Café. Dort hilft man ihr, eine Tagesmutter für ihre Tochter zu finden, sie macht eine Ausbildung zur Kinderpflegerin, arbeitet heute in einem Kindergarten. „Das Leben hier ist nicht so leicht, wie ich mir das früher im Sudan vorgetellt hatte, und das Geld wächst auch nicht auf den Bäumen.“ Aber sie habe mit Hilfe ihren Weg gemacht und „kann nun mit meiner Tochter in Freiheit leben“, erklärt die 30-Jährige.
„Ich hatte ein großes Schiff erwartet, aber es war ein Schlauchboot, das auch noch undicht war.““
Rhiab aus dem Irak sagt über sich selbst: „Heute bin ich eine selbstbewusstere und stärkere Frau als früher im Irak.“ Der Weg dorthin und bis zur medizinischen Fachangestellten war für die heute 34-jährige zweifache Mutter hart. Übers Internet lernt sie ihren Mann kennen, kommt 2012 für ihn nach Deutschland, gebiert zwei Kinder - und landet im Frauenhaus. Sie beginnt einen B2-Deutschkurs, aber eine Betreuung für das Jüngste fehlt - das Frauen-Café hilft bei der Suche nach einer Tagesmutter und auf dem Weg in den Beruf.
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Viele der Frauen aus Syrien, Albanien, Marokko, Irak, Iran, Afghanistan und Eritrea hatten das Problem, dass ihre Zeugnisse und Ausbildungen in Deutschland nicht anerkannt worden sind. Aus ihrer Biografie und von ihrem Werdegang erzählt die Ausstellung „Angekommen - Geflüchtete Frauen beschreiben ihren Weg in die Arbeitswelt“.
Selbst unterdrückt, heute Helferin
Rokans damaliger Mann verbietet ihr, weiter das syrische Musik-Institut zu besuchen. Beide ziehen nach Saudi-Arabien, wo sich die Situation für Rokan verschärft. Sie gehen in den Irak, hier trennt sie sich von ihrem Mann, flüchtet mit ihren Söhnen 2016 nach Deutschland, weil in Syrien inzwischen der Krieg ausgebrochen ist. Sie macht eine Qualifizierung zur Sprach- und Integrationsmittlerin, arbeitet dann aber erst als Küchenhilfe. Heute ist die 51-Jährige für 170 Menschen in einer Unterkunft zuständig - und kann endlich wieder Saz spielen.
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In Teheran studiert Yasmina Jura. Noch eine Prüfung fehlt bis zum Abschluss, doch dann flüchtet sie mit ihrem Mann. Die sprachlichen Probleme machen ihr zu schaffen, sie beginnt eine Ausbildung zur Pflegefachkraft. Als nächstes möchte Yasmina (30) eine berufsbegleitende Weiterbildung in der Notfallpflege machen.
Elnaz Wunsch: Industriekauffrau werden
Elnaz (33), zwei Kinder, aus Afghanistan sagt, es sei ihr Glück, dass sie schnell nach ihrer Ankunft Anschluss ans Frauen-Café fand. Denn hier konnte sie ihr Kind mitbringen, die ersten Wörter Deutsch lernen. Soziale Arbeit wollte sie studieren, aber ihr Abitur wurde nicht anerkannt. Das Jobcenter war mit einer Umschulung zur Industriekauffrau einverstanden. Ein Berufsschullehrer meinte, sie würde das nicht schaffen, selbst für junge Leute mt Deutsch als Muttersprache sei das schwierig. Aber: Ihre Zwischenprüfung hat sie inzwischen bestanden.
Ausstellung „Angekommen“
Die Ausstellung „Angekommen“ soll die Lebenswirklichkeit migrierter und geflüchteter Frauen in der Stadt darstellen und helfen, Verständnis für deren Situation zu entwickeln. Die Fotos dafür hat Walter Fischer gemacht, die Interviews Christine Rohrer. Designt hat die Ausstellung Lisa Zydra. Initiatorinnen sind Brigitte Eilering, Nontje van der Meulen und Angelika Schlösser. Die Ausstellung ist ab 27. September für drei Wochen in der Stadtbibliothek im Reschop-Carré zu sehen. Danach soll sie wandern.
Seit 2016 gibt es das Internationale Frauen-Café in Hattingen. Es begleitet Frauen aus unterschiedlichsten Herkunftsländerung bei der Integration.
Wer derzeit die Stadtbücherei besucht, kann sich sein Reschop-Parkhaus-Ticket rabattieren lassen. Die erste Stunde kostet dann nur 50 Cent. Das gilt auch für Besuchende des Vortrags von Birgit Poppe „Die Frau am Fenster - ein Leben an der Seite von Caspar David Friedrich“ am Dienstag, 8. Oktober, 19.30 Uhr.
In Marokko hat Amal eine Ausbildung im Bauingenieurwesen, einen Bachelor in Sanierungsmanagement gemacht, bei einer Firma für Trinkwasserversorgung gearbeitet. Sie heiratet einen Deutschen, kommt nach Deutschland, arbeitet erst als Reinigungskraft und Französisch-Nachhilfelehrerin. „Die Anerkennung meiner marokkanischen Abschlüsse war ein langer und bürokratischer Prozess.“ 2021 begann die zweifache Mutter ihr Umweltingenieurwesen-Studium.
Vierfache Mutter liebt ihren Beruf als Busfahrerin
Die vierfache Mutter Rula (36) aus Syrien ist heute glücklich als Busfahrerin. Aber es gab Zeiten, da „saß ich nur noch zuhause und dachte: ,Ich hasse mein Leben!‘“ Denisa, Hebamme aus Albanien, bekam in Deutschland ihre Ausbildung nicht anerkannt. Sie lernte bis in die Nacht hinein, wenn die Kinder schliefen. Heute ist sie Altenpflegerin - und will Ausgleichungsmaßnahmen machen, damit sie in Deutschland eine eigene Hebammen-Praxis eröffnen kann.
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Eine der Frauen, die als Reinigungskraft arbeitet, möchte anonym bleiben. Ihr Weg führte ebenfalls über ein Frauenhaus. Ardjana (36), zweifache Mutter, aus Albanien sagt: „Ich habe so viel Hilfe bekommen, das hätte ich nie erwartet.“ Heute ist sie Kinderpflegerin.
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