Gladbeck. Ein Bewohner der Senioreneinrichtung Marthaheim in Gladbeck ist sauer. Das ist seine Kritik und so reagieren die Verantwortlichen.

„Die Pflegekräfte sind sehr bemüht.“ Das ist auch das einzige „Lob“, das Franz-Werner Wiesel einfällt, wenn er über seinen aktuellen Aufenthaltsort spricht. Er fügt aber einschränkend gleich hinzu: „Es gibt einfach zu wenig Personal.“ Und er hat noch mehr zu kritisieren am Marthaheim, der Senioreneinrichtung des Diakonisches Werkes an der Hermannstraße in Gladbeck. Weil seine Beschwerden nicht die von ihm erwünschte Wirkung zeigen, hat er sich an die Lokalredaktion gewandt.

Der 76-jährige Bottroper, verheiratet und fünffacher Vater, hat Jahrzehnte als Rechtsanwalt und Notar gearbeitet. Seit einem Schlaganfall im November 2024 kann er nicht mehr laufen, ist auf Hilfe angewiesen, die zu Hause niemand leisten kann. Eine Reha verordneten ihm die Ärzte im Bottroper Krankenhaus zunächst nicht.

Diese Kritik übt ein Bewohner am Marthaheim in Gladbeck

Seinen Bedürfnissen werde das Marthaheim nicht gerecht, beklagt er. Morgens helfe ihm das Personal aus dem Bett und nach der Körperpflege in den Rollstuhl, sagt er. „Will ich mich aber zwischen den Mahlzeiten mal hinlegen, fehlt angeblich die Zeit für diese Hilfe.“ Nachts habe er mehr als eine Stunde warten müssen, bis seine Urinflasche geleert wurde. Verärgert ist Wiesel auch über mangelnde Mobilisierung: „Es gibt eine Aufstehhilfe, an der ich mich hochziehen und damit meine Muskeln trainieren könnte. Stattdessen holen sie mich mit einem elektrischen Modell aus dem Bett, bei dem ich nichts selber machen kann.“

Das Fass zum Überlaufen gebracht haben für ihn Arbeiten im Badezimmer. An der Toilette wurden Stützen installiert. „Für montags waren die Handwerker angekündigt, gekommen sind sie erst mittwochs, haben die Toilette aufgebaut und Fliesen abgeschlagen. Bis Freitagnachmittag musste ich den Toilettenstuhl benutzen. Eine Zumutung, denn das Loch über dem Topf ist für mich zu klein. Hinzu kam der Dreck. Alles war eingestaubt, ich habe meine Utensilien selbst gereinigt, und die Putzfrauen kennen gerade Ecken nicht. Da liegt noch immer Staub.“ Ohnehin halte er die neuen Stützen für überflüssig, weil es an der Toilettensitzerhöhung welche gebe.

Regionalleiter hält manche Kritik des Bewohners für überzogen

„Ganz sicher gib es Verbesserungspotenziale, die ich mit meinen Mitarbeitenden umsetzen werde“, sagt Marcel Ortega, der als Regionalleiter des Diakonischen Werkes zuständig ist für die Gladbecker Seniorenzentren Martha- und Vinzenzheim. Manche Kritik von Franz-Werner Wiesel hält er aber für überzogen.

Gladbeck. Marcel Ortega, Regionalleiter des Diakonischen Werkes

„Wir halten im Marthaheim den vorgegebenen Personalschlüssel ein“

Marcel Ortega
Regionalleiter des Diakonischen Werkes 

Der elektrische Aufstehhilfe beispielsweise sei bei dem 76-Jährigen notwendig, weil er, obwohl er von einem Physiotherapeuten mobilisiert werde, nicht stabil und kräftig genug sei: „Der Gurt an diesem Gerät dient der Sicherheit des Bewohners und der Pflegekraft, weil er einen Sturz verhindert.“ Um Verständnis bittet Ortega, wenn nach dem Klingeln nicht sofort eine Pflegekraft im Zimmer stehe, vor allem nachts. Er betont: „Wir halten im Marthaheim den vorgegebenen Personalschlüssel ein.“

Pflegedienstleiterin: Wer unfreiwillig kommt, braucht eine deutlich längere Eingewöhnungszeit

Schließlich die Arbeiten im Bad: In drei Zimmern des Hauses hätten Stützen an den Toiletten gefehlt. „Die Arbeiter waren, wie angekündigt, montags hier, haben aber in einem anderen Bad begonnen und zwei Tage später in Herrn Wiesels Badezimmer. Darüber hat er sich sehr geärgert. Wir sind froh, dass es in diesem denkmalgeschützten Gebäude überhaupt möglich ist, eine solche Pflegeinfrastruktur vorzuhalten.“ Eine Toilettensitzerhöhung benötige zwar Herr Wiesel, andere Bewohner aber nicht, und ohne diese Vorrichtung fehlten eben Stützen.

Übel nimmt Ortega dem Senior die Beschwerden nicht. Er weiß, dass es einem lange selbstständigen Menschen schwerfällt, plötzlich auf Hilfe angewiesen zu sein. Pflegedienstleiterin Nina Czekalla stimmt ihm zu: „Wer aus eigenem Antrieb in eine Senioreneinrichtung zieht, ist eher dankbar für die Unterstützung. Wer unfreiwillig kommt, braucht eine deutlich längere Eingewöhnungszeit.“

Darauf möchte Franz-Werner Wiesel lieber verzichten. Eine seiner Töchter habe erreicht, dass er in Kürze doch eine Reha antreten kann: „Und danach kann ich hoffentlich endlich wieder nach Hause.“

>>> Werbung für den Pflegeberuf

Im Marthaheim des Diakonischen Werkes Gladbeck-Bottrop-Dorsten sind rund 32 Vollzeit-Pflegekräfte für 74 Bewohnerinnen und Bewohner zuständig. Personal zu finden, sei nicht immer leicht, sagt Regionalleiter Marcel Ortega.

Deshalb möchte er an dieser Stelle junge Menschen motivieren, die sich gerade mit der Berufswahl auseinandersetzen: „Die Pflege und Betreuung in unserer immer älter werdenden Gesellschaft ist gleichermaßen wichtig wie sinnstiftend. Man erhält unheimlich viel Dankbarkeit und Freundlichkeit zurück.“ Er weiß, wovon er spricht, weil er selbst als Altenpfleger gearbeitet hat.

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