Gladbeck. Trotz stressigen Arbeitsbedingungen entscheidet sich eine junge Gladbeckerin für eine Ausbildung in der Pflege. Ihre Beweggründe.
- „Pflege? Das könnte ich nicht“ bekommt eine Auszubildende zur Pflegefachfrau aus Gladbeck oft zu hören.
- Trotz Stress liebt sie ihren Job, besonders die enge Zusammenarbeit mit den Patienten.
- Als Pflegefachkraft in der jungen Pflege kümmert sie sich um Patienten zwischen 30 und 60 Jahren.
Vorsichtig legt Alexandra Haben ein Blutdruckmessgerät um den Oberarm von Birgit Scharfenorth. „Geht das so, Birgit?“, fragt die Auszubildende zur Pflegefachfrau und schaut auf das Messgerät vor ihr. Mit einem Lächeln antwortet Scharfenorth: „Jaja, alles prima“. Der vertrauensvolle Umgang zwischen Personal und Bewohnern im Gladbecker Vinzenzheim an der Buerschen Straße 25 ist sofort zu spüren – ein wichtiger Grund, warum Haben ihren Job liebt.
Lesen Sie weitere Texte zu unserer Ausbildungsserie:
- Heiße Ausbildung: Bei der Glasproduktion herrschen 1500 Grad
- „Traumjob“ in Gladbecker DM: Das macht eine Drogistin
- Arbeiten an Müllannahme: „Job ist cooler als viele denken“
- Hinter den Kulissen bei einem Gladbecker Optikerbetrieb
- So werden Gladbecks Grünflächen von Azubis aufgewertet
- So vielseitig ist die Arbeit als Tischler in Gladbeck
Berufe in der Pflege haben in der Gesellschaft den Ruf, stressig und extrem belastend zu sein. „Immer wenn ich jemandem erzähle, dass ich in der Pflege arbeite, bekomme ich die gleiche Reaktion zu hören: Pflege? Das könnte ich nicht!“, erzählt die 22 Jahre alte Gladbeckerin. Dennoch steht für sie außer Frage, dass sie als Pflegefachkraft gut aufgehoben ist: „Stressig ist der Job definitiv, ja. Aber das sind andere Berufe auch und mir macht die Arbeit hier großen Spaß, das ist doch die Hauptsache. Die Dankbarkeit, die uns die Bewohner entgegenbringen, spornt unglaublich an.“
Auszubildende im Vinzenzheim arbeitet in der „jungen Pflege“
Die Idee, eine Ausbildung zur Pflegefachkraft zu beginnen, hatte Haben durch ihre Schwestern, die ebenfalls in der Pflege arbeiten. „Sie meinten zu mir, dass der Job doch auch sicher gut zu mir passen würde, also habe ich ein dreimonatiges Praktikum im Vinzenzheim gemacht und dabei gemerkt, dass ich mich hier sehr wohl fühle“, erzählt die Auszubildende. Vor zweieinhalb Jahren begann sie schließlich ihre Ausbildung.
Eine Besonderheit im Vinzenzheim ist, dass es neben zwei Wohnbereichen mit reiner Altenpflege auch einen Bereich mit junger Pflege gibt – hier arbeitet auch Alexandra Haben. Die Bewohner sind zwischen 30 und 60 Jahren alt und haben verschiedene Erkrankungen, beispielsweise multiple Sklerose (MS). Die Pflege unterscheide sich in vielen Punkten von der klassischen Altenpflege, wie Pflegedienstleitung Jessica Eisele erklärt: „Oft haben die jüngeren Leute andere Bedürfnisse als ältere Menschen, zum Beispiel ist ihnen wichtig, Make Up zu tragen oder rasiert zu werden. Auch das Unterhaltungsangebot passen wir an das Alter an – statt Bingoabenden gehen die Bewohner gerne abends mal mit ihren E-Rollis raus in eine Kneipe.“
Auch Birgit Scharfenorth lebt im Wohnbereich „Junge Pflege“, da sie an MS erkrankt ist. Sie sitzt im Rollstuhl und kann sich nur schlecht alleine bewegen. Als sie sich vom Rollstuhl ins Bett setzen möchte, ist Haben sofort zur Stelle und greift sie beherzt an beiden Händen. „Eins, zwei, drei!“ zählen die beiden gemeinsam und richten Scharfenorth auf, nach wenigen wackeligen Schritten hat sie ihr Ziel erreicht. „Der enge Kontakt zu den Bewohnern ist toll“, erzählt die Auszubildende. „Wir sind nicht nur Personal, wir sind Freunde, die bei allem helfen, was anfällt. Ich werde auch mal zur Technikerin, wenn das W-Lan nicht funktioniert.“
In Berufsschule lernen Azubis Kommunikation, Ethik und Krankheitsbilder
Neben ihrer Arbeit im Vinzenzheim besucht die 22-Jährige Blockunterricht in der Berufsschule. Dort lerne sie viel über Kommunikation und Ethik, beispielsweise, wie man mit den Gefühlen der Patienten umgehe, aber auch mit denen von Angehörigen und den eigenen. Zudem werde man zur Wundversorgung, im Umgang mit Medikamenten und über Krankheitsbilder unterrichtet. Wichtig ist zudem die Pflegeplanung. Haben erklärt: „Für jeden Bewohner ermitteln wir, was er für Beschwerden und Krankheiten hat, was er an Unterstützung und Medikamenten braucht, was er selbst machen kann und wie er sich wohlfühlt. In der Ausbildung lernen wir, das alles zu dokumentieren.“
Ein weiterer Bestandteil der Ausbildung sind Außeneinsätze. So arbeitet die Gladbeckerin während ihrer Praxisphasen nicht nur im Vinzenzheim, sondern lernt auch andere Stationen innerhalb der Pflege kennen – beispielsweise die Arbeit in einem Krankenhaus oder in einer Psychiatrie. Bis zu zehn Wochen lang arbeiten die Auszubildenden in den unterschiedlichen Bereichen. Für Haben sind diese Außeneinsätze mit die größte Herausforderung während der Ausbildung: „Es ist anstrengend, sich immer wieder an neue Bereiche gewöhnen zu müssen. Aber dafür kriegt man auch wirklich umfassende Einblicke.“
++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook ++
Verlockend für eine Ausbildung in der Pflege ist für viele junge Menschen das Gehalt – zwischen 1310 und 1483 Euro je nach Lehrjahr erhalten die Azubis. Das ist deutlich mehr, als in vielen anderen Ausbildungsberufen. „Dafür ist der Gehaltssprung nicht so groß, wenn man nach der Ausbildung als Fachkraft arbeitet“, berichtet Eisele. „Dafür kommen durch Nacht-, Sonntags- und Feiertagsdienste oft noch ordentlich Zuschläge oben drauf.“