Duisburg. Berufskollegs und Schulen in Duisburg klagen über Vandalismus. Bei Konflikten gibt es auch kulturelle Hürden. Was Lehrer erleben, wie Polizei und Stadt helfen.

Lediglich drei Anzeigen zählte die Polizei Duisburg im vergangenen Jahr: Sachbeschädigung und Diebstahl von Süßigkeiten. Die Schule ist definitiv kein Kriminalitätshotspot. Bis rund um den Jahreswechsel die Stimmung kippte. Die Seifenspender: abgetreten. Die Handtuchspender: abgefackelt. Der Basketballkorb: umgeworfen, kaputt getrampelt. Der Haupteingang: Mit Schmierereien verunstaltet.

Das Schulleitungsteam ist fassungslos, denn so kennen sie ihr Robert-Bosch-Berufskolleg in Duisburg nicht. „Im Dezember hatten wir drei Schlägereien in einer Woche“, berichtet Schulleiterin Simone Peeters. Schließlich wurde sogar ein Messer gezogen. Dass nichts Schlimmeres passierte, sei Mitschülern zu verdanken, die den Aggressor zurückhielten. Denn so sind ihre Schüler eigentlich: Hilfsbereit und zupackend. Zum Glück wurden sie nicht verletzt. Kurz habe sie sich gefragt: „Brauchen wir Notfallknöpfe in den Klassen oder Metalldetektoren an den Eingängen?“ Als Signal ist ihr wichtig: Das Problem ist erkannt, wir packen es an. Und die Polizei ermittelt wegen einfacher und gefährlicher Körperverletzung.

Plötzlich Gewalt und Vandalismus am Berufskolleg

Kaum schildert sie das, wird ihr Stellvertreter Helmut Strater hinausgerufen. In einer Klasse hat sich ein „unerträglicher Geruch“ ausgebreitet, Schüler klagen über Schmerzen in den Augen, im Hals. Peeters geht hinterher, für die Schulleiter sind das spürbar Stressmomente: Müssen wir den Rettungswagen rufen? Muss die Feuerwehr kommen oder die Polizei? Müssen wir die Raumluft messen lassen, weitere Sicherheitsmaßnahmen ergreifen? Oder ist es „nur“ eine Stinkbombe?

Die betroffene Klasse, lauter Jungs zwischen 16 und 18, wirkt unsicher: Einige haben tränende Augen, andere grinsen verlegen und staunen, wie ernst der Vorfall, ihre Gesundheit genommen wird. Am Ende entschließen sich die Schulleiter und der zuständige Lehrer für rigoroses Lüften, die restliche Zeit der Unterrichtsstunde wird in einem anderen Raum fortgesetzt, zur Dokumentation der Vorkommnisse. Denn klar ist: Der Verursacher ist unter den Schülern. „Wir müssen Zeichen setzen, dass solche Vorfälle aktenkundig werden“, betont Peeters.

Gewalt an Berufskollegs  Brauchen wir jetzt Metalldetektoren? fragt Schulleiterin Simone Peeters?
Schulleiterin Simone Peeters (v.li.), Stellvertreter Helmut Strater und Silke Szepanek (Abteilungsleiterin) im frisch renovierten Lehrerzimmer des Robert-Bosch-Berufskollegs in Duisburg. Sie sehen die Sanierung als Zeichen der Wertschätzung. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Berufskolleg war bislang kein krimineller Hotspot

Wenn man zu Pausenzeiten zur Schule kommt, läuft man vorbei an jungen Männern: Schwarze Daunenjacken, weiße Sneaker, erster Bartflaum, der süßliche Geruch von Vapes mischt sich mit dem noch süßeren Geruch von Energydrinks. Auf dem Vorplatz liegen leere Brötchentüten. Über Nacht haben Unbekannte die Haupteingänge vollgeschmiert, teils mit französischen Sprüchen. Die Polizei ermittelt.

Grundsätzlich sei die Schule in Marxloh „sehr ruhig“, sagt Silke Szepanek, die Bildungsgangleiterin für die Fachschule für Technik. So soll es auch schnell wieder werden, weshalb sie gerade alle Register ziehen. Die Schulsozialarbeiter arbeiten eng mit dem Kommissariat Prävention zusammen, bestätigt Polizeisprecher Daniel Kattenbeck. Er betont, dass die Polizei stadtweit Lehrkräfte berät und man losgelöst von erzieherischen Maßnahmen „zur Anzeigenfertigung ermuntert“.

Sechs Lehrer machen Aufsicht in den Pausen

Zu sechst machen sie in jeder der vier Pausen Aufsicht, beschreibt Helmut Strater den Aufwand. Manchem Schüler fehle es aber am Bewusstsein für problematisches Verhalten, ergänzt Szepanek. Die Rangelei? War nur Spaß. Antisemitischer Spruch? Nicht ernst gemeint.

98 Prozent ihrer rund 2000 Schüler seien nett, höflich, grüßen beim Vorbeigehen. An der Schule im Duisburger Norden sind nahezu sämtliche Kulturen, Nationalitäten, Religionen vereint, „mehr Heterogenität geht nicht“, glaubt Peeters. Jetzt gehört auch ein kleiner Trupp dazu, der für Ärger sorgt.

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Kulturelle Hürden bei der Konfliktbewältigung

Auch die Konfliktbewältigung im Nachhinein ist herausfordernd für die Lehrer, sprachlich, kulturell. Ein Elternpaar habe nach einer Schlägerei erwartet, dass sich die ganze Familie des Schülers entschuldigt, erzählt die Schulleiterin. Ein Schüler begründete seinen Ausraster damit, dass mit dem Wort „Hundesohn“ sein Vater beleidigt worden sei: „Dann muss ich zuschlagen“, zitiert sie ihn und schüttelt den Kopf über so grundlegend andere Werte und Erziehungsmaßstäbe.

Dankbar ist sie, dass der Schulträger zwei Schulsozialarbeiter finanziert, die an den Schülern dran bleiben, in die Klassen gehen, Konflikte aufarbeiten. Das Kollegium hat ein Deeskalationstraining durchlaufen. Zwei ausgebildete Schulhunde sorgen für ein gutes Lernklima. Angebote wie die Skateboard-AG oder Bogenschießen vereinen Konzentration mit Körperspannung.

Die Lehrer wollen ihren Schülern gute Startmöglichkeiten in eine berufliche Zukunft vermitteln. Nicht wenige würden den Sprung in ein Studium schaffen. Aber am Berufskolleg landen auch all jene, die schulmüde oder schulverweigernd unterwegs waren. Die mangelnde Ausbildungsreife zeige sich oft schon an der Kleidung, am allgemeinen Lernunwillen, an „massiven Krankheitstagen und der fehlenden Bereitschaft, die Verantwortung für das eigene Leben anzunehmen“, beschreibt Szepanek. Um diese bildungsfernen jungen Menschen zu erreichen, brauche es viel Zeit. Anzeigen schreiben frisst die Zeit.

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Schulträger will mit betroffenen Schulen Lösungen erarbeiten

Das Amt für schulische Bildung bestätigt, dass die Schule bislang nicht groß wegen Sicherheitsproblemen in Erscheinung getreten sei und jetzt erstmals mehrere Hinweise auf Anzeigen kamen. Die Stadt habe vor dem Hintergrund einiger Vorfälle an Schulen in Duisburg aus der jüngeren Vergangenheit „die ohnehin kontinuierliche Prüfung und Umsetzung verschiedener Sicherheitsmaßnahmen an Schulen noch einmal intensiviert“, schreibt Stadtsprecher Christoph Witte.

Gemeint sind etwa die (inzwischen behobenen) Probleme an der Grillo-Gesamtschule oder die akuten Sorgen des Max-Planck-Gymnasiums. „Je nach Gebäude-Anforderungen und individuellen Bedarfen der Schulen (Gewalt unter Schülerinnen und Schülern, Einbruch/Diebstahl, Vandalismus, Störung und Belästigung durch schulexterne Personen etc.) werden spezifische Maßnahmen in den Blick genommen: Diese können organisatorischer, pädagogischer, ordnungsrechtlicher oder baulicher Art sein.“ In enger Abstimmung mit der Schulleitung sollen nun auch am RBBK Lösungen erarbeitet werden.

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Schulministerium: Schulen sind „keine Hochsicherheitstrakte mit Metalldetektoren“

Ein Sprecher des Schulministeriums erklärt, dass Schulen „Orte sein müssen, an denen unsere Schülerinnen und Schüler sicher sind und sich sicher fühlen. Wir dürfen aus unseren Schulen jedoch keine Hochsicherheitstrakte mit Metalldetektoren und Wachdiensten machen. Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse.“ Das Ministerium sei im engen Austausch mit Expertinnen und Experten unterschiedlicher Fachrichtungen zur schulischen Gewaltprävention und zur Stärkung der sozial-emotionalen Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen.

Mit dem Notfallordner „Hinsehen und Handeln“ unterstütze man Lehrerinnen und Lehrer in verschiedenen Krisenfällen. Das neue Präventionshandbuch als Teil des Notfallordners zeige konkret, wie Schülerinnen und Schüler geschützt werden können. Um Gewalt an Schulen vorzubeugen und bei konkreten Vorfällen handlungssicher einzuschreiten, sollen laut Ergänzungsvorlage zum Haushalt 2025 die landesweit 54 Fachkräfte für Systemische Extremismusprävention (SystEx) zum kommenden Schuljahr verdoppelt werden.