Duisburg. Eine selbst organisierte Klassenfahrt sollte ohne ihn stattfinden. Warum ein Duisburger Lehrer sauer ist und was die Bezirksregierung erklärt.
Dieses Verbot hat viele Menschen erreicht und für Kopfschütteln gesorgt: Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte einer Lehrkraft am Robert-Bosch-Berufskolleg in Duisburg verboten, an einer Klassenfahrt nach Prag teilzunehmen. Betroffen sind die Auszubildenden des Bildungsgangs Elektroniker Gebäudetechnik und ihr Lehrer für Elektrotechnik, Dr. Detlev Hummes.
Das ausgesprochene Verbot bezeichnet er als „Unverschämtheit“, nennt es „absolut demotivierend“. Denn Hummes ist bereits im letzten Jahr mit Schülern der Mittelstufe nach Prag gereist. Er hatte die Fahrt selbst organisiert und gebucht, Kontakte zu ABB hergestellt inklusive Besichtigung des Unternehmens, das Industrie-Roboter herstellt. Und: Er hatte über ein Erasmusprogramm die komplette Kostenübernahme für die Klassenfahrt einwerben können. Wer sich je mit solchen Förderprogrammen auseinandergesetzt hat, der weiß, wie viel Arbeit das bedeutet.
Klassenfahrt-Verbot: Befristetes Beschäftigungsverhältnis ausschlaggebend
Weil das so gut geklappt hat und so gut ankam, hat er erneut alles in die Wege geleitet, um mit rund 50 Schülern und fünf Lehrkräften im Mai 2025 die Klassenfahrt anzutreten. Dass nun ausgerechnet ihm die Teilnahme verboten werden sollte und der Schulleiterin sogar eine Unterlassungserklärung auf den Schreibtisch flatterte, kann er nicht fassen. „Da ist jemand bereit, Freizeit zu opfern, und das Engagement wird ohne gesetzliche Grundlage abgewürgt.“
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Eine Sprecherin der Bezirksregierung erklärt auf Nachfrage, dass die Genehmigung von Klassenfahrten „auch aufgrund der Art des Beschäftigungsverhältnisses unterschieden“ werde. Dabei gehe es nicht darum, ob jemand verbeamtet ist oder angestellt. „Es spielt aber eine Rolle, ob es sich um ein befristetes oder ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis handelt und in welchem Umfang (Pflichtstunden) die Lehrkraft beschäftigt ist.“
Bezirksregierung will Vertretungslehrkraft durch Verbot „schützen“
Weder Klassenleitungen noch Kursfahrt-Organisationen würden zur Aufgabe von befristeten Vertretungslehrkräften gehören. Dies diene auch dazu, „die befristet mit wenigen Stunden angestellte Vertretungskraft vor einer Inanspruchnahme über die vertraglich geschuldete Leistung hinaus zu schützen“, schreibt die Sprecherin. „Aufgrund der Besonderheiten des befristeten Arbeitsverhältnisses ist es in bestimmten Konstellationen auch unabdingbar, da die Übernahme bestimmter Tätigkeiten offensichtlich den zeitlich vereinbarten Rahmen sprengen.“
Ein Schulleiter, der anonym bleiben möchte, erklärt, dass die Bezirksregierung mit dieser Praxis erfahrungsgemäß verhindern wolle, dass sich Lehrerinnen oder Lehrer einklagen können.
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Jetzt ist es aber so, dass Dr. Detlev Hummes nach vielfältigen Engagements und einer langjährigen Tätigkeit als Professor an der Universität in Kuwait nun an der Technischen Hochschule Bochum lehrt, mit 67 Jahren ohnehin im Rentenalter ist und seit 2022 am Robert-Bosch-Berufskolleg unterrichtet, einfach weil er es kann und weil er Zeit und Lust dazu hat. Sein Vertrag über 18 Wochenstunden läuft noch bis August und einzuklagen gibt es nichts.
Nach der ersten Online-Veröffentlichung dieses Berichts und weiterem Medieninteresse rudert die Bezirksregierung nun zurück: Hummes darf fahren. „Im Rahmen einer gut gelebten Fehlerkultur wurde der neu zugrundeliegende Sachverhalt bewertet mit dem Ergebnis, dass in diesem konkreten Fall eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Klassenfahrten und Klassenleitungen nicht zum Aufgabenprofil von Vertretungslehrkräften gehören, gemacht werden konnte“, schreibt eine Sprecherin. Missverständnisse gab es anscheinend zum Umfang des Lehrauftrags.
Großer Lehrermangel in MINT-Fächern wie Elektrotechnik
Hummes freut dieser Sinneswandel ungemein. Er glaubt, dass Menschen wie er von der Bezirksregierung nicht wirklich gewollt sind. Erst im November habe man ihm und einer Kollegin eine Fortbildung durch ein Erasmusprogramm verboten. Auch hier wären niemandem Kosten entstanden, kein Unterricht wäre ausgefallen. „Ich bin dann privat hingefahren, weil ich das so interessant fand“, erzählt der Elektrotechniker.
Ihm ist das Gebaren der Bezirksregierung absolut unverständlich. Elektrotechnik gehöre schließlich zu den MINT-Fächern, in denen ein großer Lehrkräftemangel herrsche. Das Schulministerium betonte in einer Analyse, dass dem Fach Elektrotechnik in den kommenden zehn Jahren neben Maschinen- und Bautechnik „ein besonders hoher Einstellungsbedarf prognostiziert“ wird. „Ohne Menschen wie mich hätten die Schulen aktuell noch massivere Probleme“, glaubt Hummes. „Man kann sich doch nicht über den Mangel beklagen und mir parallel Tätigkeiten verbieten.“
Der Professor ärgert sich, dass es anscheinend keine rationalen Gründe, keine gesetzliche Grundlage für das zunächst ausgesprochene Verbot gibt. „Die Bezirksregierung muss doch für die Schulen da sein und nicht umgekehrt“, findet er. Ihm ist es wichtig, sich zu wehren, auch im Namen jener Kollegen, die am Anfang ihrer Karriere stehen und es sich nicht sofort mit der Aufsicht aus Düsseldorf verscherzen wollen.
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Aus eigener Anschauung und der Erfahrung mit seinen eigenen Kindern weiß er, dass manche Klassenfahrten oder -ausflüge nur gelingen, weil sogar Eltern als Begleiter mitfahren. Ein Runderlass des Schulministeriums ermöglicht sogar, volljährige Schüler als Aufsichtsperson zu benennen. Vor diesem Hintergrund sei das ursprünglich ausgesprochene Verbot für ihn „völlig sinnlos und willkürlich“. Das solle anderen nicht auch passieren.
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Dieser Artikel wurde erstmals am 13. Januar veröffentlicht, dieser Republish beinhaltet die neue Entscheidung der Bezirksregierung.