Bottrop. Politiker im Bottroper Schulausschuss kritisieren die Zahlen der Elternbefragung zur neuen Gesamtschule. So geht es jetzt weiter.
Die dritte Gesamtschule hat die Gemüter im Bottroper Schulausschuss erhitzt. Dabei ist sie noch nicht gebaut. Doch klar ist: Die nächste von noch vielen Hürden für den möglichen Bau an der Paßstraße ist genommen.
Nun soll die Verwaltung in der nächsten Sitzung im neuen Jahr eine entsprechende Vorlage zur Beschlussfassung einbringen. Das letzte Wort hat dann der Rat. Und der sogenannte Errichtungsbeschluss geht anschließend zur Bezirksregierung Münster als Aufsichtsbehörde.
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„Der Errichtungsbeschluss ist nur der Einstieg in das Verfahren“, sagte Schuldezernentin Karen Alexius-Eifert im Ausschuss. Wie dringend eine dritte Gesamtschule ist, erklärte Nadine Granow-Keysers. „Es ist erforderlich, dass wir schnell in den weiteren Arbeitsprozess einsteigen“, so die Fachbereichsleiterin für Schule und Kindertagesbetreuung.
Die Stadt benötigt zum Schuljahr 2027/28 eine neue Gesamtschule. Das hatte der Schulausschuss bereits am 28. Mai laut Protokoll einstimmig entschieden. Laut Prognose der Verwaltung liegt zum Beispiel die Schülerzahl für den Spitzenjahrgang 2028/2029 bei 1242 Schülerinnen und Schülern im fünften Jahrgang.
Fachbereich Schule: „Es ist erkennbar, dass wir Schulraum benötigen“
Anhand der Prognose würden zwischen sieben und zehn Züge in den kommenden Jahren an den weiterführenden Schulen fehlen. „Es ist erkennbar, dass wir Schulraum benötigen“, sagte Nadine Granow-Keysers und wollte auf den zeitlichen und demografischen Druck aufmerksam machen.
Als Standort der Gesamtschule standen zur Auswahl: der Sportplatz an der Paßstraße oder die Welheimer Straße mit der Hauptschule. Zahlen zur Elternbefragung wurden in der vergangenen Woche veröffentlicht, wie unsere Redaktion berichtete. Es lässt sich eine Tendenz zur Paßstraße herauslesen.
„Es ist erforderlich, dass wir schnell in den weiteren Arbeitsprozess einsteigen.“
Die Verwaltung wird bei der Auswertung der Zahlen deutlicher. Mit Blick auf die geschilderten Auswirkungen und steigenden Schülerzahlen empfiehlt sie in der Vorlage des Ausschusses „ein zeitnahes Handeln“, um „die Gründung der dritten Gesamtschule am Standort Paßstraße einzuleiten.“
Im Ausschuss sollten die Ergebnisse der Elternbefragung von den Mitgliedern zur Kenntnis genommen werden. In der Folge entwickelte sich eine mehr als einstündige, teils lebhafte Diskussion unter den Parteienvertretern.
Elternbefragung zur neuen Gesamtschule: Das sagen SPD und CDU
Matthias Buschfeld (SPD) erklärte für seine Fraktion, dass „nun schnell klare Verhältnisse geschaffen werden müssen“. Die Präferenz der Eltern sei der Standort an der Paßstraße. Diesen Willen solle man berücksichtigen. Die CDU sah es dagegen anders. Denn die vorgelegten Zahlen seien nicht eindeutig. „Ich kann diese klare Präferenz nicht erkennen“, sagte Dominik Nowak.
2426 Fragebögen wurden an die Grundschulen und die Förderschule am Stadtgarten für die beiden ersten Jahrgänge (Erstklässler, Zweitklässler) ausgegeben. 1274 wurden zurückgesendet. An der Befragung hatten 52,51 Prozent teilgenommen.
Der Fragebogen an die Eltern war anonym und nicht verbindlich
Genauer betrachtet zeigt der Fragebogen, dass sich insgesamt 28 Erziehungsberechtigte von Zweitklässern, also dem Gründungsjahrgang der neuen Gesamtschule, nur für den Standort an der Paßstraße und gleichzeitig ausschließlich für die Schulform entschieden haben.
Dazu muss man sagen: Der Fragebogen ist anonym und nicht verbindlich. Das heißt, die Erziehungsberechtigten der jetzigen Erst- und Zweitklässler müssen sich noch nicht festlegen, welche weiterführende Schule ihr Kind später besuchen soll.
Hohe Schülerzahlen: Bottrop benötigt eine vierzügige neue Gesamtschule
55 Erziehungsberechtigte von Zweitklässlern haben im Fragenbogen noch keine endgültige Schulform für ihr Kind angekreuzt. Gleichzeitig trafen sie aber eine Wahl für den Standort der Paßstraße für die neue Gesamtschule.
Zum Verständnis: Die Verwaltung rechnet mit einer neuen vierzügigen Gesamtschule. Aufgrund dessen werden 108 Stimmen für das Anmeldejahr benötigt. Das ganze Prozedere hat sich die Verwaltung nicht ausgedacht. Nadine Granow-Keysers erklärte gegenüber der WAZ, dass die Elternbefragung im Schulgesetz zwingend bei der Gründung einer neuen Schule vorgesehen sei.
„Die Zahlen hochzurechnen und daraus eine Präferenz zu erkennen. Da kann ich nicht mitgehen.“
Die Art des Fragebogens wurde in früheren Schulausschüssen diskutiert und mehrheitlich entschieden. Wenn man nun die 28 und 55 Stimmabgaben zusammenrechnet, was die Verwaltung getan hat, kommt man auf 83. In der Vorlage verweist die Verwaltung auf einen Erlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 6. Mai 1997 zur Errichtung, Änderung und Auflösung von weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und Berufskollegs.
Demzufolge sei eine fiktive Hochrechnung der Ergebnisse möglich, sofern diese bei der Befragung angekündigt wurde, was der Falle gewesen sei. Der Fachbereich hat also rechtlich die abgegebenen Stimmen auf 100 Prozent hochgerechnet. So kommt man bei den Zweitklässlern gesamt auf 169 Stimmen, was die geforderten 108 weit übertrifft.
„Die Zahlen hochzurechnen und daraus eine Präferenz zu erkennen. Da kann ich nicht mitgehen“, sagte Anette Bunse (CDU) und ergänzte: „Wir haben hier eine hohe Verantwortung.“ Es gehe auch um veranschlagte 60 Millionen Euro. „Die Zahlen aus der Elternbefragung liegen erst seit ein paar Tagen vor“, so Bunse. Die CDU wisse um die Dringlichkeit, hätte sich aber gewünscht, wenn sie mehr Zeit gehabt hätte, um dies zu diskutieren.
FDP und Bot.Sozial kritisieren die Bottroper Stadtverwaltung
Auch Andreas Mersch (FDP) äußerte sich kritisch. „Wir haben Verständnis für den zeitlichen Druck“, sagte er. Man wolle verantwortungsbewusst mit einer solchen Entscheidung umgehen. „Die Frage ist, wie bekommen wir das Interesse der Eltern und die finanziellen Möglichkeiten der Stadt vernünftig unter einen Hut.“ Man habe zu wenig Zeit zur Beratung gehabt.
Sven Hermens (Bot.Sozial) merkte an: „Wir brauchen diese Schule, das streitet doch niemand ab.“ Zu den Zahlen der Elternbefragung sagte er: „Das ist für uns kein klares Votum zum Standort Paßstraße.“ Mit der Entscheidung gegen einen Standort an der Welheimer Straße und der auslaufenden Hauptschule in Welheim wäre Bottrop bald ohne weiterführende Schule im Süden. „Das ist unverantwortlich und eine ungerechte Verteilung“, sagte Hermens.
„Das Schlimmste, was wir tun können, wäre, die Entscheidung vor uns herzuschieben oder die Hände in den Schoß zu legen.“
Aus Sicht der ÖDP soll die Verwaltung mit einer Planung am Standort Paßstraße beauftragt werden. Die Partei will den Elternwillen berücksichtigen. „Das Schlimmste, was wir tun können, wäre, die Entscheidung vor uns herzuschieben oder die Hände in den Schoß zu legen“, warnte Marianne Dominas. Zu den im Ausschuss vorgetragenen Vorschlägen, zusätzlichen Schulraum an bestehenden Schulen zu schaffen, sagte sie: „An- oder Neubauten an bestehenden Schulen gibt es ja auch nicht umsonst. Auch das kostet Geld.“
Die städtische Haushaltskasse ist klamm. Schuldezernentin Karen Alexius-Eifert bestätigte, dass es „ein großer Invest wird“, ganz gleich an welchem der beiden Standorte.
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Auch die Grünen wollen den nächsten Schritt zur Gründung der Gesamtschule an der Paßstraße mitgehen. Andreas Hein sieht „die Entscheidung der Eltern als ein wichtiges Signal“. Dennoch merkte er an, dass die städtischen Planer vor großen Aufgaben stehen. Vor allem die Nähe zur benachbarten Marie-Curie-Realschule und der Gustav-Heinemann-Realschule birgt Konfliktpotenzial. Man benötige gute Pläne zur Verkehrsführung und Verlegung von Buslinien.
SPD, Grüne und ÖDP stellten gemeinsam einen Antrag, um die Verwaltung „mit einem klaren Auftrag in die zukünftige Beratung zu schicken und den Schulentwicklungsprozess damit zu einem Ergebnis zu bringen“. Neun Gegenstimmen ohne Enthaltungen reichten letztlich nicht zur Ablehnung. Nun soll die Verwaltung im Frühjahr eine Vorlage für den Errichtungsbeschluss präsentieren.